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24.08.13 / Der Vernichter / Biografie über Karl Marx

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Der Vernichter
Biografie über Karl Marx

Schriften von Karl Marx sollen, so war unlängst der Presse zu entnehmen, fortan dem offiziellen Weltdokumentenerbe angehören. Da trifft es sich gut, dass gerade in diesen Wochen eine neue Marx-Biografie erschienen ist. Der Beck-Verlag zögert nicht, „Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert“ einen besonderen Rang zuzusprechen. Das Buch zeichnet sich in der Tat nicht nur durch Stofffülle, sondern auch durch wertvolle Ergänzungen in Details aus, nicht zuletzt, weil die Arbeit an der Karl-Marx/Friedrich-Engels-Gesamtausgabe fortgeschritten ist und als bequeme Quelle dient, insbesondere was Briefe an Marx betrifft.

Schon zu Lebzeiten war Marx eine Persönlichkeit, an der sich die Geister schieden. Daran hat sich nach seinem Tode nicht viel geändert. In der DDR galt er als „größter Sohn des deutschen Volkes“, in den Augen anderer war er der böse Geist hinter Stalin, der sich gerne unter einem Marx-Porträt abbilden ließ. Autor Jonathan Sperber vermittelt den Eindruck, er stehe über den Parteien. Diese Erhabenheit macht sympathisch, und der scharfe Marx-Kritiker stößt auf Misstrauen. Dennoch muss der Rezensent ansatzweise verdeutlichen, was er in „Karl Marx“ vermisst.

Das erste Dokument, das wir Marx persönlich verdanken, ist sein Abituraufsatz in Deutsch. Thema: „Betrachtungen eines Jünglings bei der Wahl seines Berufes“. Wir haben auch die der Klassenkameraden. In keinem kommt das Wort „vernichten“ vor, nur in dem von Karl, und dort gleich sechsmal. „Vernichten“ ist ein fester Bestandteil seines Wortschatzes auch in späteren Jahren, was dazu geführt hat, dass er der „Vernichter“ genannt wurde. Zugleich strebte er laut Aufsatz einen Beruf an, „der ihm einen höheren Adel leiht, was ihn unangetastet, von der Menge bewundert und über sie erhaben dastehen lässt“. Auch die Selbstvergötterung bleibt eine Konstante, wie schon Heinrich Heine vorwurfsvoll registriert hat.

Marxens bekannteste Veröffentlichungen sind „Das Manifest der Kommunistischen Partei“ aus dem Jahre 1848 und „Das Kapitel“, Band 1, 1867 erschienen. Mit beiden Texten befasst sich Sperber ausführlich. Doch Wichtiges bleibt unerwähnt. Im „Manifest“ verkündet Marx seine Absicht und Entschlossenheit: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ Wer denkt da nicht an die Oktoberrevolution 1917 und ihre blutigen Folgen? Darf man die ausblenden?

„Das Kapital“ gilt als hochwissenschaftlich und schwer verdaulich. Sperber verwendet darauf Dutzende Seiten. Doch Engels gegenüber hat der Autor eingeräumt: „Ich dehne diesen Band mehr aus, da die deutschen Hunde den Wert der Bücher nach dem Kubikinhalt schätzen.“ Im Text des Buches betont Marx, dass dem Arbeiter im Kapitalismus „durchaus kein Unrecht“ geschieht. Gleichzeitig wird er nicht müde, die Zustände auf das Schärfste zu geißeln, mit der logischen Folge, dass nur eine kommunistische Revolution zum Ziele führen kann. Die Wissenschaft als Magd des Revolutionärs. Warum bleibt derlei ausgeblendet? Konrad Löw

Jonathan Sperber: „Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert“, C.H. Beck, München 2013, geb., 634 Seiten, 29,95 Euro


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