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31.08.13 / Arbeit und Prügel für deutsche Kinder / »Problemjugendliche« in rumänischen Einrichtungen und Familien sind rechtlos und der Willkür ausgesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Arbeit und Prügel für deutsche Kinder
»Problemjugendliche« in rumänischen Einrichtungen und Familien sind rechtlos und der Willkür ausgesetzt

Immer mehr deutsche Jugendämter schicken verhaltensauffällige und kriminelle Jugendliche in „erlebnispädagogische Einrichtungen“ im Ausland, wo sie Disziplin und Unterordnung lernen sollen. Damit sind die Behörden die Problemfälle auf bequeme Weise los und die Träger machen gute Geschäfte. Für viele Jugendliche, die in Rumänien untergebracht werden, bedeutet das ein Martyrium aus Misshandlung und Ausbeutung.

Carsten (Name geändert) bewirtschaftet seit drei Jahren mit seinem behinderten Gastvater und dessen Mutter einen kleinen Bauernhof. Mit der alten Frau teilt er seither das Schlafzimmer, die Gastmutter hat vor zwei Jahren die Familie verlassen. In Elisabeth­stadt (Dumbraveni) besucht Carsten an zwei Unterrichtstagen eine Schule für Lernbehinderte. Im Hof gibt es keinen Brunnen, deshalb müssen morgens und abends ungefähr zehn Eimer Wasser vom Dorfbrunnen geholt werden. Ein alltägliches rumänisches Schicksal — nur mit dem Unterschied, dass Carsten von einem deutschen Jugendamt hierher geschickt wurde. Schon seit drei Jahren hat er seine Heimat nicht mehr gesehen.

Deutsche Jugendämter greifen immer öfter auf das Angebot privater Träger zurück, schwererziehbare Jugendliche zu einer „letzten Chance“ in Gastfamilien oder Betreuungseinrichtungen nach Rumänien zu schicken. 4000 bis 6000 Euro erhalten die Träger pro Kind und Monat, die Gastfamilien bekommen davon nur rund 400 Euro. Die Erziehungsmethoden ähneln denen in US-amerikanischen Boot-Camps: Widerspruch wird kaum geduldet, ein Missachten der Hausordnung überhaupt nicht. Die auf Strafmaßnahmen aufbauende Erziehung setzt auf harte Arbeit, Gewaltmärsche und körperliche Einschränkung.

Unter dem Motto „Leben ohne Konsum — einfach aber herzlich“ sollen Kinder und Jugendliche in einfachster Umgebung in geeigneten rumänischen Familienverhältnissen völlig neue Lebenserfahrungen machen, die einen Neuanfang in Deutschland ermöglichen sollen. Mit Hilfe von Bestrafung und Belohnung werden die Kinder und Jugendlichen gezwungen, sich unterzuordnen. Wie die ehemalige Mitarbeiterin des Martinswerks Dorlen, Christa Schudeja, angibt, dachte man in Mitarbeitergesprächen sogar laut über die Wiedereinführung der Prügelstrafe nach. Wenn die Kinder etwas beschädigen, müssen sie es von ihrem Taschengeld ersetzen.

In den Leistungsbeschreibungen der Einrichtungen ist die Rede von „Unterbringung in liebevollen Gastfamilien, die aus zwei Elternteilen bestehen, wobei ein Elternteil Deutsch spricht“. Es gibt einige Fälle von prügelnden Gastfamilien, und von einer Familie wurde bekannt, dass das Kind nur dann etwas essen darf, wenn auch die anderen essen. Arbeitet die Familie auf dem Feld, so ist die Küche verschlossen. Der zuständige Betreuer berichtete beiläufig, dass der Junge schon über mehrere Tage ohne Essen ausgekommen sei. Ein anderer Junge bekam erst dann Essen, wenn er die Feldarbeit erledigt hatte. Auch die hygienischen Umstände sind in vielen Fällen problematisch.

In Rumänien warten auf die Deutschen vor allem Arbeit und die knallharte Verpflichtung auf die Regeln. Die Kinder und Jugendlichen schleppen Wassereimer und erledigen Holztransporte, teilweise bestellen sie Äcker mit dem Handpflug. Im „Projekt Maramures“ bauen die Minderjährigen ohne Bezahlung die Immobilien des Trägervereins aus. Sind sie bei Gastfamilien untergebracht, machen diese gleich zweifachen Gewinn: einmal durch den finanziellen Zuschuss und dann noch durch die kostenlose Arbeitskraft. Teilweise ist auch von „tiergestützter Pädagogik“ die Rede, die sich in der Praxis ebenfalls als schöner Traum entpuppt. So musste ein Jugendlicher einen Hund, der nicht gehorcht hatte, an einer Brücke aufknüpfen.

In den Jugendämtern ist man ganz froh darüber, wenigstens einen Teil des sozialen Zunders, der in deutschen Brennpunktsiedlungen heranwächst, auf so bequeme Weise los zu sein. Von den Trägern wird mit Schönfärberei um neue Klienten geworben, beispielsweise mit der herrlichen Landschaft Rumäniens. Dass man dann in einer Gegend ankommt, in der 50 Prozent der Häuser unbewohnt sind und es an der einfachsten Infrastruktur fehlt, merken die Jugendlichen erst, wenn sie bereits dort sind.

Die Hälfte der deutschen Jugendlichen, die in eine „erlebnis­pädagogische Einrichtung“ gesteckt wurden, blieb in ihrem Heimatland, 43 Prozent wurden in verschiedenen europäischen Ländern untergebracht, sieben Prozent in außereuropäischen Ländern. Damit ist jeder zweite problematische Jugendliche aus dem Gesichtsfeld der deutschen Jugendhilfe verschwunden. Seit den 80er Jahren wurden mehrere tausend Minderjährige zu Erziehungsmaßnahmen ins Ausland verbracht. Genaue Zahlen gibt es nicht einmal bei den Behörden, in einigen Fällen wurden die Jugendlichen regelrecht vergessen. Alexander Glück


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