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31.08.13 / Euroskeptiker holen auf / Frankreich, Italien, Spanien: Krisen, Skandale und unfähige Politiker erschüttern drei der vier »Großen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Euroskeptiker holen auf
Frankreich, Italien, Spanien: Krisen, Skandale und unfähige Politiker erschüttern drei der vier »Großen«

Alle reden von Zypern oder Griechenland. In Wahrheit lauert die größte Gefahr für die Einheit der Euro-Zone in dreien ihrer vier größten Volkswirtschaften.

Eine Weile schien es, als existiere in der Euro-Zone ein unausgesprochenes Stillhalteabkommen im Hinblick auf den deutschen Wahltermin am 22. September. Da jedem Mitglied des Währungsklubs die überragende Bedeutung Deutschlands für Euro-Zone und EU bewusst ist, würden bis zu dem Tage alle Konflikte zuge­deckt, vertagt, kleingehalten. Erst nach dem Datum hätten sich dann alle aufgestauten Probleme auf einmal entladen.

Wenn es solch ein stilles Abkommen je gegeben hat, dann scheint es zu scheitern. Vor allem in den drei wichtigsten Euro-Ländern nach Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien spitzt sich die Lage sichtbar zu, zeichnen sich teilweise gar unmittelbar politische Brüche ab, die noch vor dem deutschen Wahltag an die Oberfläche schießen könnten.

Im Zentrum des Ungemachs steht derzeit Italien. Dort erhöht die Berlusconi-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) den Druck auf den mittelinken Koalitionspartner von Regierungschef Enrico Letta ebenso wie auf den greisen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano. Infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung droht PdL-Gründer Silvio Berlusconi der Verlust seiner politischen Ämter. Napolitano solle Druck auf Letta ausüben, um eine „politische Lösung“ für Berlusconi zu finden, fordert die PdL, sprich: Letta soll den Ämterverlust verhindern. Zudem erhofft sich die PdL, Napolitano möge Berlusconi begnadigen.

Damit stecken Präsident und Regierungschef zwischen Baum und Borke: Sollten sie Berlusconi beispringen, wie es die PdL fordert, machen sie sich in den Augen von Millionen von Berlusconi-Kritikern zum Komplizen des milliardenschweren, skandalumwitterten Medienzaren. Die Euro-feindliche Bewegung „Fünf Sterne“ von Beppe Grillo würde daraus erheblich Honig saugen können. Grillo ist ein Albtraum für die Führer der Euro-Zone, fordert er doch den Austritt Italien aus der Einheitswährung.

Die andere Möglichkeit wäre, Berlusconi fallenzulassen. Für diesen Fall aber hat die PdL unmissverständlich angedroht, die Koalition mit Letta platzen zu lassen. Dem Regierungschef blieben dann nur Neuwahlen oder ein Bündnis mit Euro-Gegner Grillo. Beides birgt für Italien wie den Euro unabsehbare Folgen.

Am 9. September schlägt nach bisherigem Zeitplan die Stunde der Entscheidung: Dann tagt der Senatsausschuss, der über die Immunität Berlusconis abstimmen muss.

In der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft Spanien schwelt derweil ein ungeheuerlicher Korruptionsskandal weiter. Der Name von Regierungschef Mariano Rajoy taucht auf einer Liste des Ex-Schatzmeisters seiner „Volkspartei“ (PP) auf, in der angeblich vermerkt ist, wie viel Schmiergeld zahlreiche PP-Politiker erhalten hätten, vornehmlich aus der Bauindustrie. Rajoy wischt die Liste einfach vom Tisch, redet von einem Komplott gegen ihn und seine Partei, ausgelöst von einem rachsüchtigen Ex-Funktionär. Das glaubt ihm indes nicht einmal die PP-nahe Presse, zudem ver­strickte sich der Regierungschef mehrfach in Widersprüche, wurde gar der Falschaussage überführt hinsichtlich der Frage, wann er zuletzt Kontakt mit dem Ex-Schatzmeister gehabt habe.

Die Affäre heizt die Stimmung in dem Land, das in einer entsetzlichen Wirtschaftskrise feststeckt, weiter an. Bei der Kreditwürdigkeit rangiert Spanien bereits kurz über Ramsch. Parallel wächst die Dimension notleidender Privatkredite ins Astronomische, die spanische Bankenwelt wankt. Kurz gesagt: Die Politik, die Wirtschaft, das Bankwesen, die Lage der privaten Haushalte – wohin man blickt, steht Spanien am Abgrund. Ein abrupter Ausbruch an nur einem dieser Krisenherde würde genügen, um das ganze Land zu erschüttern, mit unabsehbaren Folgen für die gesamte EU und erst recht die Euro-Zone. Zwar lässt sich hier noch keine vernehmliche Anti-Euro-Front ausmachen. Doch auch in Spanien ist die anfängliche Begeisterung für die Einheitswährung spürbar abgeklungen, wozu die drastische Unzufriedenheit mit der Gesamtlage des Landes ihren Beitrag leistet.

Auch in Frankreich will sich trotz des jüngsten Miniwachstums von 0,3 Prozent keine Freude einstellen. Insgesamt bleibt die wirtschaftliche Lage niederschmetternd, die Menschen haben Angst um ihre Zukunft, der sozialistische Präsident François Hollande ist der unbeliebteste Staatschef seit Gründung der Fünften Republik 1958. Seine rabiaten Steuer­erhöhungen für „Reiche“ hat eine Massenflucht wohlhabender Franzosen ins Ausland ausgelöst, die Politik sozialer Wohltaten droht das Budget zu sprengen, die Verschuldung ist nicht im Griff. Angesichts all dessen versucht der glücklose, offenkundig überforderte Präsident nun zaghaft umzusteuern. Dagegen aber macht der linke Flügel seiner sozialistischen Partei ebenso mobil wie die Gewerkschaften.

Die klassisch bürgerliche Partei UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy kann von der Misere der Sozialisten kaum profitieren, im Gegenteil, Vertreter der UMP schwadronieren von drohender Spaltung der Partei. An dem Durcheinander ist Sarkozy selbst nicht ganz unschuldig. Ein ums andere Mal deutet er an, in die Politik zurückkehren zu wollen, dann macht er wieder einen Rückzieher. Die UMP leidet unsäglich unter diesem Wechselbad.

Ganz anders Marine Le Pen: Die Chefin des von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen gegründeten „Front National“ profitiert gewaltig von den Irritationen bei Sozialisten und UMP. In Umfragen lässt sie Hollandes Partei bereits hinter sich und der einst pauschal als rechtsradikal verschriene „Front National“ wird mittlerweile von der Hälfte der Franzosen als ganz normale Partei betrachtet, wie eine Umfrage diesen Sommer zeigte. Le Pen aber fährt einen entschiedenen Anti-Euro-Kurs. Wächst ihr Einfluss, wird selbst Frankreich, einst die treibende Kraft bei der Euro-Einführung, zum unsicheren Kantonisten in der Einheitswährung.

Existenziell bedroht ist der Euro weniger von Randstaaten wie Zypern, Griechenland oder Portugal. Die eigentliche Gefahr lauert in drei der vier größten Volkswirtschaften der Zone. Hans Heckel


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