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31.08.13 / An die Kletterleine gelegt / Der erste Dreitausender hat gerufen – Aufstieg eines Flachländers zum Kitzsteinhorn im Salzburger Land

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

An die Kletterleine gelegt
Der erste Dreitausender hat gerufen – Aufstieg eines Flachländers zum Kitzsteinhorn im Salzburger Land

Seitdem Bergbahnen die Urlauber scharenweise in die Gletschergebiete befördern, ist es für viele nichts Außergewöhnliches mehr, in den Bergen die Höhenluft auf über 3000 Meter geschnuppert zu haben. Umso stolzer darf man auf sich sein, wenn man aus eigener Kraft einen hohen Alpengipfel erklettert hat.

Der Blick nach oben macht schwindelig. Durch eine Wolkenlücke lugt für wenige Sekunden der Gipfel des Kitzsteinhorns, ehe er sich wieder hinter einer Nebeldecke versteckt. Steil wie eine dreiseitige Pyramide ragt der Berg auf 3200 Meter empor. Und da sollen wir hochklettern? Als Nordlicht hat man ja schon Gipfelgefühle, wenn man auf einem Deich steht. Ein 90-Meter-Hügel ist für uns schon Hochgebirge.

Doch der Berg ruft an diesem Tag. Die Tour mit dem Bergführer ist gebucht und es gibt trotz bescheidenen Wetters kein Zurück mehr. An der Talstation in Kaprun wartet bereits der „Untermoser, Hans Peter“ – wie sich der Bergführer vorstellt – auf die Gruppe. Er vergewissert sich, dass keiner in T-Shirt und Sandalen die Tour in Angriff nimmt, was alles schon vorgekommen ist. Warme Kleidung und knöchelhohe feste Wanderstiefel sind ein Muss. Mit Rucksack für Getränke, Regenkleidung, Sonnencreme und Kamera ausgestattet geht es mit der Seilbahn nach oben.

Das größte Teilstück zu Fuß ersparen wir uns. Bis zur Zwischenstation „Alpincenter“ auf 2500 Metern könnte man den Berg einfach hochwandern. Ein Kinderspiel – jedenfalls für die Einheimischen. Doch auch für sie wäre es vom Tal bis zum Gipfel eine Zweitagestour. Wir aber wollen noch heute rechtzeitig vom Berg herunter, bevor die Seilbahnen um 16.30 Uhr ihren Betrieb einstellen.

Ein ganzes Netz von Bergbahnen überzieht das Kitzsteinhorn, damit Wanderer im Sommer und Skifahrer im Winter hier ihren Spaß haben können. Früher gab es hier noch eine Tunnelbahn. Doch damit ist es vorbei. Kaprun? Da war doch was. Nämlich die schwerste Bergkatastrophe Österreichs. Vor 13 Jahren starben hier 155 Menschen, als eine Bahn im Tunnel in Brand geriet. Die Qualm­entwicklung war so gewaltig, dass sich im Tunnel ein Kamineffekt entfaltete und sich tödliches Rauchgas in Windeseile ausbreitete. Nur zwölf Passagiere überlebten, weil sie dem Luftzug entgegen nach unten liefen.

Der Tunnel ist heute stillgelegt. Nur noch Versorgungsleitungen für Wasser, Abfluss und Strom führen durch ihn hindurch. Neben einer Gedenkstätte an der Talstation erinnert außerdem noch die Brückenkonstruktion, die zum Tunneleingang führt, an die Unglücksbahn. Eine Rückkehr der Tunnelbahn ist undenkbar, schließlich haben sich die Seilbahnen, die in Spitzentagen über 10000 Menschen befördern, inzwischen bewährt. Sie bringen die Fahrgäste auch bei starken Winden sicher zum Ziel.

Gegen Mittag haben wir das Gletschergebiet erreicht. Hier befindet sich die „Gipfelwelt 3000“, eine Art Erlebnispark mit der höchsten Panorama-Plattform des Salzburger Lands, von der man hoch über steilen Felsen bei guter Sicht die Zugspitze sehen kann. Daneben gibt es ein Restaurant, Österreichs höchsten Kinosaal mit Impressionen vom Kitzsteinhorn sowie einen 360 Meter langen Stollen, den Skifahrer zum Abstieg auf die Piste nutzen und in dem man en passant auf Infotafeln Interessantes über den Na­tionalpark Hohe Tauern erfährt, der in unmittelbarer Nachbarschaft liegt und der bereits auf der Vorschlagsliste für das Unesco-Welterbe steht.

Für die Nationalpark-Gallery haben wir jetzt keine Zeit. Bergführer Hans Peter legt uns jetzt an die Leine. Denn der finale Kletteraufstieg zum Gipfel steht an und dafür müssen die Teilnehmer gut abgesichert sein. Ein in den Fels gerammtes Stahlseil gibt bei den schwierigsten Stellen zusätzlichen Halt. Es ist durchaus ratsam, es zu benutzen. Denn wer sich einen Fehltritt leistet oder auf den zum Teil losen Geröllsteinen ausrutscht, landet unsanft. Hans Peter hat die Seilschaft aber gut im Griff. Wehmütig blickt er die letzten 200 Meter zum Gipfel hoch. „Vor 20 Jahren war der Berg auch im Sommer immer schneebedeckt“, erinnert er sich. Wegen der Klimaveränderung ist selbst der höchste Punkt seit den letzten Jahren an den Hochsommertagen völlig schneefrei.

Beim Aufstieg erzählt der Bergführer, wie er als Kind im Sommer auf dem Gletscher Ski gefahren sei. „Früher sind wir im Winter nie auf diesen Berg gefahren, dafür hatten wir unsere Hausberge, wo – anders als am Kitzsteinhorn – Talabfahrten möglich sind“, sagt er. Seit aber auch der Gletscher rapide an Masse abgenommen hat, ist er seit einigen Jahren kein Sommerskigebiet mehr. In Österreich ist nur noch der Tiroler Hintertuxer Gletscher für Skifahrer ganzjährig geöffnet.

Wir sind schon weit über 3000 Meter hoch und kommen bei Temperaturen von fünf Grad arg ins Schwitzen. Die dünne Höhenluft gepaart mit der Kletter-Anstrengung lässt das Herz auf Hochtouren pumpen. Bei jedem Schritt muss man keuchen. Schon der Gedanke daran, dass der Berg jedes Jahr um einige Millimeter wächst, lässt den Gang erlahmen. Unten im Info-Stollen kann man das Wachstum „hören“. Über ein „Geofon“ hört man aus dem Berg­inneren Töne, deren Intervalle gezeitenabhängig sind. Unglaublich, aber wahr: Auch am Berg gibt es Ebbe und Flut. Die Gezeitenkräfte, mit denen die afrikanische auf die europäische Kontinentalplatte trifft, bewirken, dass das Kitzsteinhorn seit Galileo Galileis Zeiten de facto zwar um einen halben Meter gewachsen ist, aber durch Erosion entsprechend wieder geschrumpft ist.

3203 Meter ist der Berg jetzt hoch. So steht es auf dem Gipfelkreuz, das wir nach einer

45-minütigen Kletterei endlich erreicht haben. „Berg heil“, beglückwünscht uns Hans Peter. Auch „Winnetou“-Autor Karl May lässt grüßen: „Europa, wahre Deine heiligen Güter“, ist von ihm am Kreuz zu lesen.

Leider ist die Sicht an diesem Tag nicht prickelnd. Der Großglockner und der Großvenediger, beide sonst scheinbar in Rufnähe, verstecken sich. Nach unten sind durch die seltenen Wolkenlücken links der Gletscher und rechts die beiden Stauseen zu sehen, die eine ganze Region mit Strom versorgen und dem das Bergdorf Kaprun seit den 50er Jahren seinen wirtschaftlichen Aufstieg zu verdanken hat.

Trotz Nebel genießen wir unseren Gipfelsieg und zögern den Abstieg hinaus. Auch weil man beim Blick nach unten erzittert: Man hat den Eindruck, es geht steiler nach unten, als es nach oben gegangen ist. Harald Tews

Info: www.kitzsteinhorn.at. Eine geführte Gipfelführung kostet 72 Euro. Heißer Unterkunfts-Tipp: Style-Hotel Active Leitner in Kaprun, www.active-kaprun.at.


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