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31.08.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Schöner lügen / Wie Rösler in die »Aktuelle Kamera« kam, warum Merkel es mal wieder besser kann, und wo unser ganzes Geld hin ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Schöner lügen / Wie Rösler in die »Aktuelle Kamera« kam, warum Merkel es mal wieder besser kann, und wo unser ganzes Geld hin ist

Es gibt verschiedene Arten von Lügnern. Manchen macht das Flunkern richtig Spaß, sie mogeln voller Freude und Zuversicht, was man ihnen auch ansieht. Anderen hingegen ist es eine Qual. Sie sind traurig, weil sie wissen, dass ihnen der Belogene ohnehin nicht glaubt. Mit steinerner Miene faseln sie daher den Blödsinn runter und hoffen, dass es schnell vorbeigeht.

Solche lustlosen Schwindelaufführungen kennen Ältere aus der „Aktuellen Kamera“ (AK) des DDR-Fernsehens: Da stand der arme Mitarbeiter irgendeines maroden Betriebes herum und leierte die vorformulierte Liste der Triumphmeldungen „zur Übererfüllung der Beschlüsse des x-ten Parteitages der SED“ ins Mikro. Das eingefrorene Gesicht, der monotone Singsang zeigten unübersehbar, dass er den Kram weder selbst glaubte noch hoffen mochte, dass es die Zuschauer tun.

Trotzdem – oder gerade deswegen? – verströmten diese AK-Sendungen eine morbide Art von Komik. Man trauert ihnen fast ein wenig nach, weil in heutigen Nachrichtensendungen viel professioneller betrogen wird als damals. Dieses geleckte Lügen zeitgenössischer Propaganda-Routiniers deprimiert im Grunde viel mehr als die herrlich hölzernen DDR-Aufführungen.

Manchmal aber gibt es Lichtblicke: Wer ein wenig Nostalgie genießen wollte, der kam vorige Woche spät abends beim Sender „Phoenix“ auf seine Kosten. Da saß Philipp Rösler und erklärte, dass Griechenland auf einem guten Weg und kein weiterer Schuldenschnitt in Sicht sei. Seine Mimik, sein leiernder Tonfall verrieten dabei überdeutlich, dass der FDP-Minister wusste: Das glaubt mir kein Mensch, aber ich muss es eben sagen, also bringen wir’s hinter uns. Auf kritische, fast energische Rückfragen eines Journalisten („Der IWF legt aber ganz andere Zahlen vor!“) wiederholte Rösler einfach Wort für Wort das, was er schon gesagt hatte. Mit beinahe regungslosem Gesicht und einstudiertem Tonfall, ganz wie der Mann im DDR-Fernsehen. Es war wirklich eine wundervolle Aufführung, herzlich gelacht!

Da ist die Kanzlerin aus ganz anderem Holz! Noch nie, so ruft Angela Merkel ihren begeisterten Anhängern auf Wahlveranstaltungen zu, hätten Länder gegeneinander Krieg geführt, die eine gemeinsame Währung besaßen. Bewundernswert ist, mit welcher Überzeugungskraft sie diese steile These hinausposaunt. Eher verblüffend dagegen, dass die Zuhörer ihr zu dem Quatsch auch noch applaudieren, zumal es sich bei ihnen überwiegend um ältere Semester handelt.

Nur Leuten, die unter 30 sind, könnte man verzeihen, dass sie das nicht mitbekommen haben: In den 1990er Jahren tobte auf dem Balkan eine ganze Reihe grausiger Kriege, die alle eines gemeinsam hatten: Bei Ausbruch der Kämpfe bezahlten beide Seiten mit dem jugoslawischen Dinar.

Schlimmer noch: Die Kriege sind überhaupt nur ausgebrochen, weil man die Völker zuvor gegen ihren Willen in eine viel zu enge Union gepresst hatte. Heute versuchen die Führer der Euro-Zone, Volksabstimmungen so gut es geht zu vermeiden oder nachträglich zu entwerten. Stattdessen sollen die Völker per Verordnung vor die vollendete Tatsache von „mehr Europa“ gestellt werden. Wir wissen nicht, wie das diesmal ausgeht, doch das Schnittmuster kommt uns einigermaßen „jugoslawisch“ vor.

Daher der gute Rat an Frau Merkel: Das mit den historischen Verweisen sollten Sie lieber sein lassen. Auch Jugoslawien war „alternativlos“, wenn es nach seinen Führern ging.

Peer Steinbrück meidet die Fallstricke historischer Einzelheiten und dreht lieber das ganz große Rad deutscher Schuld und Verantwortung. Deutschland müsse für die „Rettung Europas“ zahlen. Wer hier wirklich „gerettet“ wird, weiß der Ex-Finanzminister seit seiner Teilnahme an der „Bilderberg“-Konferenz der Weltfinanzmagnaten zwar sehr wohl. Doch welcher Nationalschuld-bewusste Deutsche mag nach dem Fanfarenstoß „Rettung Europas!“ noch nachfragen?

Mit dem historischen Mammutwerk dieser „Rettung“ kann man nicht bloß fade Wahlkampfreden aufpeppen. Damit lassen sich auch geheimnisvolle Rätsel erklären, auf die wir uns bislang keinen Reim machen konnten. Es ist doch merkwürdig: Seit wer weiß wie lange schon feiern Deutschlands öffentliche Hände Einnahmerekorde. Doch nun hören wir, dass ein beträchtlicher Teil unserer Kommunen finanziell völlig im Eimer ist, die Bundesländer auch keinen Cent für die klammen Städte übrig haben und der Bund „keinerlei Spielraum für steuerliche Erleichterungen“ sieht.

Wohnt in den Schreibtischschubladen der Kämmerer und Finanzminister ein struppiges Krümelmonster, das unentwegt hereinkommende Geldscheine vertilgt? Nein? Ja, wo ist der ganze Zaster dann hin?

Raten Sie mal! Richtig: Ganz nebenbei erfahren wir in kleinen Artikeln auf Seite sowieso, dass die deutschen Überweisungen nach Brüssel im Juni 2013 gegenüber Juni 2012 um knapp 76 Prozent gestiegen sind. Nein, kein Tippfehler, es waren nicht 7,6 Prozent sondern sechsundsiebzig! Fast verdoppelt.

Genau deshalb, so ist aus Berlin zu hören, hat der Bund trotz saftig gestiegener Steuereinnahmen nicht mehr, sondern weniger Geld als ein Jahr zuvor. Daher kann er auch den notleidenden Kommunen nicht unter die Arme greifen. Tja, das nennt man dann „Sach­zwänge“. „Sachzwänge“ sind Folgen früherer Fehlentscheidungen, für welche die verantwortlichen Politiker heute nicht mehr verantwortlich gemacht werden wollen.

Und jetzt? Wie lösen wir das nun? Aber meine Damen und Herren, da kann es doch wohl keinen Zweifel geben: Etliche Länder und Gemeinden schrauben zum 1. Januar massiv Steuern und Abgaben hoch. Denn schließlich stünden doch auch wir Bürger in der Pflicht, wenn es gelte sicherzustellen, dass die öffentliche Hand ihre „dringend notwendigen Aufgaben erfüllen kann“. Trotzdem wird es nicht reichen. Überall im Land sollen Schwimmbäder, Jugendzentren, Bücherhallen und was nicht alles geschlossen werden, weil wir uns diesen „Luxus“ wegen der „schwierigen Haushaltslage“ nicht mehr leisten können.

Natürlich ist es ein Trost, dass dafür vielleicht irgendwo am anderen Ende Europas ein brandneues Spaßbad eröffnet wird, „gefördert mit Mitteln der Europäischen Union“. Solche Projekte stärken schließlich den Zusammenhalt zwischen den Völkern und sichern den Frieden. Und unsere Freude wird natürlich auch nicht durch Berichte getrübt über EU-geförderte Projekte, die vor Ort gar keiner gebrauchen kann wie so manchen spanischen Flughafen, von dem noch nie irgendwer gestartet ist.

Dennoch treibt es uns Tränchen in die Augen, wenn wir vor den toten Fenstern der wegen „unumgänglicher Sparmaßnahmen“ geschlossenen Bücherhalle stehen. Tränen, die sich schnell in Wutgeheul verwandeln, sobald sich die Zahl 76 aus dem Hinterkopf wieder nach vorne gearbeitet hat.

Da kommt einem schon die böse Frage: Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen falscher Politik und richtiger Kriminalität? Müsste man die Verantwortlichen nicht mal belangen können? Vor Gericht?

Das haben sich die Betreffenden auch schon überlegt und bauen vor. Niedersachens grüne Justizministerin Antje Niewisch-Len­nartz will, dass Richter künftig von Wahlausschüssen bestellt werden, in denen auch „gesellschaftliche Gruppen“ wie Gewerkschaften oder Religionsgemeinschaften Sitz und Stimme haben. Wie das in der Praxis läuft, kennen wir aus den Rundfunkräten, wo die Vertreter der „Gesellschaft“ durchweg irgendwelchen Parteien zuneigen und entsprechend abstimmen. Mit dem Vorschlag aus Hannover wäre sichergestellt, dass die Justiz endgültig zum Arm der Politik wird. Gustl Mollath säße dann vermutlich heute noch. Doch die Politiker hätten nichts mehr zu befürchten.


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