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07.09.13 / Berlin versagt bei Schülern / Schwänzen: Wie eine Generation künftiger Hartz-IV-Empfänger regelrecht herangezogen wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Berlin versagt bei Schülern
Schwänzen: Wie eine Generation künftiger Hartz-IV-Empfänger regelrecht herangezogen wird

Über Jahre hinweg lag Berlin bei den Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler im Bundesvergleich immer an der Spitze. Das erzielte Ergebnis fällt jedoch erbärmlich aus – Berlins chronisch ineffizientes Schulsystem bildet sich den Nachwuchs an Hartz-IV-Empfängern selbst heran.

Selbst für Berliner Verhältnisse ist es ein ungewöhnlicher Fall, der jüngst vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt wurde. Wegen Verletzung der Fürsorgepflicht saß eine Mutter auf der Anklagebank, deren Sohn 1000 Schultage geschwänzt hat. Nachdem ihn die Polizei von zuhause abgeholt und zur Schule gebracht hatte, datierte der letzte Schulbesuch auf den Februar 2012.

Die gegen die Mutter verhängte Strafe – neun Monate Haft, ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung – wird an dem absehbaren Werdegang des inzwischen 17-Jährigen wahrscheinlich nichts mehr ändern. Weil zehn Jahre seit der Einschulung vergangen sind, ist der Junge nicht mehr schulpflichtig. Da grundlegende Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen fehlen, ist die Hartz-IV-Karriere nahezu vorbestimmt.

Der verhandelte Fall mit 1000 Fehltagen mag ein extremes Beispiel sein, ausgedehnte Schulschwänzerei ist in Berlin allerdings keineswegs eine Seltenheit. Allein im Schuljahr 2012/13 fehlten über 3500 Berliner Schüler mehr als zehnmal unentschuldigt, davon rund 630 Schüler sogar mehr als 40 Tage. Erstaunliche Zahlen: Das Verfahren, wie bei Schulschwänzerei verfahren werden soll, ist eigentlich eindeutig geregelt: Die Palette reicht von Anzeigen beim Schulamt über Bußgeldbescheide bis hin zu Gesprächsangeboten und Besuchen vom sozialpädagogischen Dienst.

Wie wenig effizient die Maßnahmen sind, beweisen die vorgelegten Zahlen der Schulverwaltung zum Schulschwänzen in Berlin. Die scheinbare Gleichgültigkeit der zuständigen Behörden gegenüber dem Phänomen ist einigermaßen verwunderlich. Mit dem Wegsehen zieht sich die Stadt eine beachtliche Zahl von ungebildeten und perspektivlosen Bürgern selbst heran. Nach dem Ende der Schulzeit ist die Hartz-IV-Karriere fast unausweichlich – angesichts der Kosten eine absurde Strategie des Berliner Senats.

Bereits seit Jahren bemüht sich Berlin, den zweifelhaften Ruf als „Hauptstadt der Hartz-IV-Empfänger“ loszuwerden – ohne Erfolg. In keinem anderen Bundesland sind so viele Menschen auf staatliche Hilfen angewiesen wie dort. Im Schnitt erhält jeder sechste der 3,4 Millionen Einwohner Hartz-IV-Leistungen. Während in den Flächenländern östlich der ehemaligen Zonengrenze seit 2005 der Anteil der Hartz-IV-Bezieher an der Gesamtbevölkerung deutlich zurückgeht, kommt im Bundesvergleich in zwei Ländern kaum etwas voran: in Nord-rhein-Westfalen und Berlin, so der aktuelle Befund einer Datenauswertung des Deutschen Landkreistages.

Berlins Bildungssystem ist inzwischen der beste Garant dafür, dass viele Jugendliche gleich nach der Schule ebenfalls als Transferempfänger starten. Einem regelrechten De-saster kommen die nun vorliegenden Ergebnisse der neu eingeführten Tests zur Berufsbildungsreife gleich: Bei den zentralen Vergleichsarbeiten scheiterte jeder vierte Berliner Neuntklässler an den Mindestanforderungen in Mathematik. Die Einschätzung der Berliner Industrie- und Handelskammer zu dem verheerenden Prüfungsergebnis ist eindeutig: „dringender Handlungsbedarf vor allem im Fach Mathematik“.

Das Erstaunliche: Über Jahre lag Berlin – sehr zum Ärger des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin –bei den Pro-Kopf-Ausgaben pro Schüler bundesweit an der Spitze. Erst in den letzten Jahren haben Länder wie Thüringen und Sachsen das Land Berlin bei dieser Kennziffer überholt. Dass lange Zeit überdurchschnittlich viel für das Berliner Schulsystem ausgegeben wurde, ist an den erzielten Ergebnissen freilich nicht abzulesen. Ein weiteres Problem ist, dass jeder Bezirk sein eigenes Süppchen kocht.

Was nun an Aktionen gegen Schulschwänzerei für Berlins Schulen angekündigt wird, erweckt allerdings mehr Vorbehalte als Begeisterung. Ein Antrag der SPD-Fraktion will in allen Bezirken ein einheitliches Vorgehen durchsetzen. Bereits nach fünf nicht zusammenhängenden unentschuldigten Fehltagen im Halbjahr soll künftig eine Schulversäumnisanzeige gestellt werden – bisher war dies erst nach zehn Fehltagen am Stück vorgesehen. Danach soll es ein verpflichtendes Gespräch zwischen Eltern und Lehrern geben.

So vielversprechend die Ankündigung zunächst einmal klingt, der angeschlagene energische Ton kommt unangenehm bekannt vor. Bereits im Jahre 2006 hatte der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) versprochen, dass fortan konsequenter gegen Schulschwänzerei vorgegangen werden solle. Teil des damaligen Maßnahmenpaketes: ein einheitliches Verfahren zur Einhaltung der Schulpflicht bei Bezirken und Senatsbildungsverwaltung – also ziemlich genau das, was nun, sieben Jahre später, abermals angekündigt wird. Norman Hanert


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