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07.09.13 / Ausverkauf der Alpen / Tourismuswandel verändert die Alpenregion – aber nicht immer zum Positiven

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Ausverkauf der Alpen
Tourismuswandel verändert die Alpenregion – aber nicht immer zum Positiven

Die Alpen sind längst zu einem riesigen Freizeitpark geworden. Ein verändertes Anspruchsverhalten der Urlauber sorgt zusammen mit klimatischen Veränderungen in den Bergen für einen Wandel des touristischen Angebots in den Alpenländern.

Vor einem Jahr drohte das Gipfelkreuz des Großvenedigers abzustürzen. Das Kreuz stand jahrzehntelang auf der vom meter- dicken Gletschereis bedeckten Gipfelkuppe des mit 3657 höchsten Berges im Salzburger Land. Aber durch das Abschmelzen des Schnees im Sommer verlor das Kreuz seinen Halt. Es musste am nackten Fels befestigt werden, damit es den Gipfel wieder krönt.

Die klimatischen Veränderungen haben immense Auswirkungen auf die Bergwelt. Wenn der Permafrost auftaut, bröckelt der Fels, da sich Schmelzwasser in den Spalten ausdehnen kann und damit das Gestein sprengt. Besonders für Bergwanderer kann das fatale Folgen haben. Früher sichere Wege können zu tödlichen Fallen werden. Allein an einem Tag dieses Sommers, dem 11. August, starben drei Wanderer in den Tiroler Alpen durch Steinschlag oder weil sie auf losen Geröllplatten ausrutschten und in die Tiefe stürzten.

Der Österreichische Alpenverein (OeAV) investiert pro Jahr acht Millionen Euro für den Erhalt der 238 Hütten und der Wanderwege, die ein Netz von 50000 Kilometern umfassen. Da die umweltbedingten Schäden ständig zunehmen, reicht das Geld für Instandsetzungen längst nicht mehr aus.

Dass sich die Urlauber angesichts maroder Wege rar machen, bekommen auch die Hüttenbesitzer zu spüren. Manche Berghütten sind im Sommer oftmals nur noch bis zu 20 Prozent ausgelastet. Leben kann davon kaum einer. Andreas Ermacora, Präsident des OeAV, hat ausgerechnet: „Vergleicht man den Aufwand und die Kosten für die Instandhaltung, dann kostet eine Klospülung auf einer der Hütten fünf Euro.“ Neue Ideen müssen also her, um die Sommertouristen in die Berge zu führen und neue Einnahmequellen zu erschließen.

Denn auch in 3000 Metern Höhe erwarten die Bergtouristen ihren gewohnten Komfort. Mehrgängige Menüs, Warmwasser, Dusche und am besten sogar Internetanschluss sollen die Urlauber in die Gletschergebiete locken. Dazu werden High-Tech-Häuser in zum Teil unberührter Natur errichtet wie zum Beispiel die neue Monte-Rosa-Hütte auf 2900 Metern Höhe in den Walliser Alpen. Sie kam jüngst ins Gerede, weil sie durch Nachhaltigkeit glänzen wollte, deren Technik aber von der ultramodernen Photovoltaikanlage bis zur eigenen Kläranlage total versagt hat.

Ähnliche Schandflecke finden sich überall. „Top of Salzburg“ oder „Top of Tyrol“ heißen die gigantischen Panoramaplattformen in den Gletschergebieten, die allein dafür sorgen sollen, dass die Seilbahnen auch im Sommer pro Berg täglich mit mehreren tausend Fahrgästen ausgelastet sind. Früher sorgten dort noch die Sommerskigäste für reichlich Umsatz. Doch wegen des Gletscherschwunds ist von ehemals neun Sommerskigebieten in Österreich nur noch das Hintertuxer Gletschergebiet auch für Skifahrer ganzjährig geöffnet.

Nach wie vor sind die Alpen mit 500 Millionen Übernachtungen und 120 Millionen Feriengästen pro Jahr weltweit eine der größten Touristenregionen. Damit der Tourismus auch weiterhin eine tragende Kraft in den Alpenländern bleibt, setzt man längst nicht mehr nur auf den auf Folklore und Natur achtenden „Edelweiß-Touristen“, sondern auf den „Erlebnisurlauber“. Der Ausverkauf der Alpen mit schmucklosen Design- und Wellness-Hotels mit bis zu 500 Betten ist in vollem Gang. Dass die Natur nebenbei mit ständig neuen Extrem-Klettersteigen, Mountainbike- und Buckelpisten ausgebeutet wird, nimmt man des Geldes halber in Kauf. Harald Tews


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