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07.09.13 / Kohle machen mit Kultur auf dem Gletscher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Kohle machen mit Kultur auf dem Gletscher

Nicht genug, dass Massen an Skifahrern und Snowboardern den Rettenbachferner im Tiroler Ötztal bevölkern, seit zehn Jahren ist er auch Theaterkulisse für ein Spektakel, dass bis jetzt 50000 Besucher auf den Gletscher gelockt hat. In der Open-Air-Show „Hannibal“ wird mit Pistenbullys als „Elefanten“ Hannibals Überquerung der Alpen nachgespielt. Für die nächtliche Show wird auf 3000 Metern Höhe jedes Jahr ein enormer logistischer Aufwand mit Hubschraubern und Fallschirmspringern betrieben. Allein die Beleuchtung verbraucht 200000 Watt Strom.

Immer exzentrischer, exklusiver und extremer werden die Aktivitäten, mit denen man ein Publikum in die Berge lockt, das sich mit Bauerntheater, Schuhplattlern, Volksmusik oder Almauftrieben von Kühen nicht mehr zufrieden gibt. Das „Heile-Welt“-Image der Alpen genügt den Touristenregionen längst nicht mehr. Man will sich lieber jung, hip und schick geben.

Nachdem man das Wachstumspotenzial mit Sport und Wellness soweit ausgeschöpft hat, dass beides zur beliebigen Monokultur geworden ist, setzen viele Orte auf die „echte“ Kultur. Bei St. Wolfgang, das mit seinem „Weißen Rößl“ (kommt am 7. November neuverfilmt in die Kinos) ins kollektive Gedächtnis eingebrannt ist, diente der Schafberg als Kulisse für eine fiktive Geschichte über den Mondflug. In geradezu astronomischen Musik-Dimensionen bewegt man sich auch in Obertauern oder Ischgl, wo seit 15 Jahren zum Saisonanfang und -ende ein großes Rock- oder Popkonzert mit tausenden Besuchern stattfindet. Kritiker bemängeln, dass der künstlerische Wert dieser Shows meist gegen den Nullpunkt geht. Solange die Kohle stimmt, ist das den Veranstaltern aber egal. Tws

 

Zeitzeugen

Andreas Ermacora – Seit Anfang des Jahres ist der Innsbrucker Jurist Präsident des Österreichischen Alpenvereins und damit verantwortlich für 450000 Mitglieder. Da der Alpenverein vom österreichischen Bund vier statt der bislang nur 1,5 Millionen Euro für den Erhalt der Alpenwege und -hütten fordert, hat Ermacora eine Unterschriftenaktion in Gang gebracht, der sich bereits über 80000 Bürger angeschlossen haben. Am 19. September will er die Petition Bundespräsident Heinz Fischer übergeben.

Josef Klenner – Der westfälische Sportfunktionär ist Präsident der mit einer Million Mitgliedern weltweit größten Bergsteigerorganisation. Der Deutsche Alpenverein, den er von 1992 bis 2005 führte und den er seit 2010 wieder leitet, verwaltet 327 Schutzhütten, davon 183 allein in Österreich. Für Erhaltungsmaßnahmen fließen von den Mitgliedern jährlich 20 Millionen Euro zu.

Franz Hörl – Der ÖVP-Abgeordnete des österreichischen Nationalrats hat sich unlängst den Zorn der Alpenvereine zugezogen. Als Tourismussprecher der ÖVP hat er der Forderung nach mehr Geld für Wanderwege und Hütten als überzogen abgetan. Da er Obmann des Fachverbands der Seilbahnwirtschaft ist, wurde ihm Interessenskonflikt vorgeworfen, denn als Lobbyist unterstützt er den Ausbau der Seilbahnen.

Reinhold Messner – Der Südtiroler Bergsteiger gilt als das gute Gewissen der Alpen. Er warnt stets vor dem Massentourismus in den Bergen und den ökologischen Folgen durch Erschließung neuer Skigebiete und Versiegelung der Natur infolge neuer Straßen oder Hotelbauten. Gleichzeitig ist er umstrittener Werbeträger. Der Mann, der als erster alle Achttausender bestiegen hat, ist Vorbild ganzer Armeen von Nachahmern, die auf die Gipfel stürmen wollen.


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