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07.09.13 / Die Planspiele haben begonnen / Von Schwarz-Gelb bis Rot-Rot-Grün: Was nach der Wahl kommt, ist ungewisser als lange angenommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Die Planspiele haben begonnen
Von Schwarz-Gelb bis Rot-Rot-Grün: Was nach der Wahl kommt, ist ungewisser als lange angenommen

Rot-Grün ist kaum zu schaffen, Schwarz-Gelb ungewiss, die große Koalition ungeliebt bei den Akteuren. Droht doch Rot-Rot-Grün? Welche Rolle spielt die AfD?

Ab jetzt, da die Frist bis zur Bundestagswahl nur mehr in Tagen gezählt wird, beginnt die große Zeit der Propheten, der Zahlenspieler und Strategen: Wer wird wie abschneiden, wer mit wem koalieren? Was ist wahrscheinlich? Was überhaupt möglich?

So zahm und lahm das sogenannte „TV-Duell“ zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück auch verlaufen sein mag, schon seinen Gleichstand bei den anschließenden Zuschauer-Befragungen kann Herausforderer Steinbrück als Erfolg verbuchen – hängt er in den sonstigen Umfragen doch hoffnungslos hinterher.

Wenn er Glück hat, wird es auf den letzten Metern noch einmal spannend. Denn zwar hatte Schwarz-Gelb bei den jüngsten Umfragen fast durchweg eine eigene Mehrheit, doch dass dies so bleibt, ist nicht gesichert, zumal der Anteil der Unentschlossenen diesmal besonders hoch zu sein scheint.

Und wenn schon, hieß es bislang: Wenn es mit der FDP nicht reicht, macht Merkel eben eine große Koalition mit der SPD. Denn eines scheint trotz aller Schwankungen sicher: Rot-Grün allein wird es kaum schaffen, zu groß ist der Rückstand. Daher auch die insistierende Frage von TV-Moderator Stefan Raab an Peer Steinbrück, was er denn bitteschön zu tun gedenke, wenn Rot-Grün nicht zum Sieg komme. Doch Schwarz-Rot? Der Kandidat wiederholte bloß seine Standard-Floskeln und machte eine ziemlich schlechte Figur dabei.

Umso aufmerksamer verfolgen Beobachter die neuerlichen Annäherungen der Linkspartei an SPD und Grüne. Linke-Chef Bernd Riexinger hat die „Tolerierung“ einer rot-grünen Regierung duch seine Partei ins Spiel gebracht. Das bedeutet: Die Postkommunisten wählen zwar Peer Steinbrück (oder wer immer dann für die SPD antritt) mit zum Kanzler. Sie treten aber nicht in die Regierung ein und einigen sich mit Rot-Grün von Fall zu Fall über ein gemeinsames Vorgehen bei Sachabstimmungen.

Für die Regierung eine wackelige Angelegenheit. Doch immerhin würde die SPD den Kanzler stellen. In acht Jahren Angela Merkel haben die Sozialdemokraten erlebt, wie entscheidend es gerade in Krisenzeiten sein kann, mit der Autorität des Regierungschefs auftreten zu können. Und wie niederschmetternd es ist, wenn diese Autorität in den Händen anderer liegt: Dass Steinbrück so vehement eine neue große Koalition mit ihm als Minister ausschließt, ist die Frucht seiner traumatischen Erfahrung von vier Jahren Koalition unter Angela Merkel.

Daher ist es für die SPD-Strategen geradezu zwingend, über Alternativen zu Rot-Grün (wahrscheinlich unmöglich) und Schwarz-Rot (ungeliebt) nachzudenken. Und hier gerät, ungeachtet aller Dementis, die Perspektive Rot-Rot-Gün unweigerlich ins Blickfeld. Dabei mag es sein, dass der brave Peer Steinbrück von seinen Schwüren, so etwas nicht zu machen, nicht abrücken wird. Doch der Hamburger ist nicht unersetzbar in der SPD. Parteichef Siegmar Gabriel steht in dem Ruf, zu so ziemlich jedem Winkelzug aufgelegt zu sein, wenn es um die Macht geht. Er wäre, so es um Rot-Rot-Grün geht, der Mann der Stunde.

Selbstredend beobachtet die Unionsspitze alle Zuckungen in diese Richtung sehr genau. Welche Schlüsse sie daraus zieht, hat auch bestimmenden Einfluss darauf, wie sich CDU und CSU im Wahlkampf zum Neuling Alternative für Deutschland (AfD) verhalten.

Die herkömmliche Parole wäre: Jede Stimme für die AfD ist eine Stimme für Rot-(Rot?)-Grün, weil sie Schwarz-Gelb fehlte. Diese Linie trägt aber nur, wenn die Neuen den Einzug ins Parlament verpassen, die AfD-Stimmen also „verschenkt“ wären.

Forsa-Chef Manfred Güllner aber redet bereits davon, dass die AfD durchaus Chancen auf den Bundestag habe (die PAZ berichtete). Auch der bekannteste Trendforscher, Matthias Horx, räumt der AfD gute Chancen ein. Beide stehen der eurokritischen Partei alles andere als freundlich gegenüber. Doch sie haben einen Ruf als Berufs-Prognostiker zu verlieren. Daher sollten ihre jetzigen Vorhersagen nicht allzu deutlich von den Ergebnissen des 22. September abweichen. Verfügen die beiden also über nicht veröffentlichte Umfragezahlen, welche die AfD im Parlament sehen?

Wenn ja, dann weiß dies auch die Unionsführung und hätte allen Grund, sich gegenüber der AfD entsprechend zu verhalten. Der AfD-Kandidat Joachim Starbatty mutmaßt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble die absehbare neue Griechenhilfe nur jetzt schon vor der Wahl öffentlich gemacht habe, um der AfD zu helfen. Hintergrund: Schäuble fürchte Rot-Rot-Grün, wenn die Eurokritiker knapp unter fünf Prozent blieben. Mit der AfD im Parlament aber bliebe rein rechnerisch nur Schwarz-Gelb oder eine große Koalition.

Viele wischen das als Zweck-Spekulation eines AfD-Politikers vom Tisch. Manche mutmaßen gar, Schäuble habe sich lediglich „verplappert“, als er von Griechenland redete. Letzteres ist jedoch kaum glaubwürdig angesichts der jahrzehntelangen Erfahrung Schäubles in der Politik. Die Frage, warum ein so ausgefuchster Stratege, Parteipolitiker und Wahlkämpfer das heikle Hellas-Thema ohne Not vor dem Urnengang aufs Tapet gebracht hat, ist so nicht zu beantworten. Nützen tut die Enthüllung über ein bevorstehendes neues Hilfspaket – und Routinier Schäuble wird sich dessen voll bewusst gewesen sein – jedenfalls vor allem der AfD. Hans Heckel


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