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07.09.13 / Im Schuldenrausch / Kredite statt Sparen: Briten reagieren auf Einkommensrückgänge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Im Schuldenrausch
Kredite statt Sparen: Briten reagieren auf Einkommensrückgänge

Nur wenige Jahre nachdem das Modell „Subprime“ die USA in eine schwere Krise gestürzt hat, wird nun in Großbritannien die Kreditvergabe an Einkommensschwache zum boomenden Geschäftsmodell. Während die Löhne auf breiter Front fallen, ersetzten viele Briten fehlendes Einkommen durch neue Schulden. Seit Mitte 2010 sind die Löhne inflationsbereinigt im Durchschnitt um 5,5 Prozent gefallen. Lediglich in Portugal, Griechenland und den Niederlanden mussten die Arbeitnehmer noch größere Lohneinbußen hinnehmen. Einen erheblichen Anteil an der Entwicklung hat die Zunahme flexibler Arbeitsverträge. Viele Firmen setzen vermehrt auf Teilzeitarbeit und „zero-hours“-Arbeitsverträge. Beschäftigung und Lohn gibt es dabei nur, wenn tatsächlich Arbeit vorhanden ist. Die Folge: Mittlerweile gelten bis zu 1,4 Millionen Briten als unterbeschäftigt. Das Durchschnittseinkommen für einen Vollzeitjob – derzeit umgerechnet etwa 31100 Euro – erreichen immer weniger Briten. Parallel wächst inzwischen die Privatverschuldung weiter an.

Da die Realeinkommen seit Jahren fallen, würden die Konsumenten ihre Zusatzausgaben durch neue Verschuldung finanzieren, bringt Ann Pettifor von der Denkfabrik Prime Economics die Entwicklung auf den Punkt. Am deutlichsten sichtbar wird der Trend durch einen Boom bei Darlehen für Einkommensschwache. Neu auf den Markt gekommene Anbieter vergeben über das Internet Kleinstdarlehen. Die Kehrseite der unbürokratischen Kreditvergabe: Hochgerechnet auf das Jahr betragen die Zinsen bis zu 1350 Prozent. Schon jetzt ist der Schuldenstand britischer Privathaushalte im internationalen Vergleich mit 153 Prozent des verfügbaren Einkommens rekordverdächtig.

Da viele Briten in privatem Wohneigentum leben, standen den hohen Schulden bisher Sachwerte gegenüber. Auch im Moment scheint die Verschuldung in Relation zum Durchschnittseinkommen vieler Briten noch tragbar. Sobald aber die Zinsen anziehen oder die Einkommen weiter sinken, könnte sich das schlagartig ändern. Schon im Mai warnte die Bank von England, dass jeder zehnte Häuserkäufer länger arbeiten oder seinen Konsum einschränken müsste, sollten die Zinsen nur um einen Prozentpunkt nach oben gehen. Angesichts dieser fragilen Ausgangslage ist es umso erstaunlicher, dass die Regierung Cameron den Kreditboom nun sogar noch anheizt. Mit staatlicher Hilfe soll auch Einkommensschwachen mit wenig Eigenkapital der Traum vom eigenen Heim ermöglicht werden. Wohnungs- oder Häuserkäufer müssen nur noch fünf Prozent der Kaufsumme selbst beisteuern – 75 Prozent kommen von der Bank, 20 Prozent als Darlehen vom Staat. Zumindest einstweilen scheint Camerons Vorhaben zu funktionieren. Seit Beginn des Programms vor vier Monaten sicherten sich Immobilienkäufer mit staatlicher Hilfe 10000 Häuser.

Inzwischen wird aber selbst in der Regierung Kritik an dem staatlich angeschobenen Immobilien-Boom laut. „Ich habe davor gewarnt, und ich bin besorgt über die Gefahr einer neuen Immobilienblase“, so Unternehmensminister Vince Cable. N.H.


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