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14.09.13 / Altes Wissen neu entdeckt / Vom Pinzgau im Salzburger Land aus feiert die Rückkehr zu Kräutern und Pflanzen eine Renaissance

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-13 vom 14. September 2013

Altes Wissen neu entdeckt
Vom Pinzgau im Salzburger Land aus feiert die Rückkehr zu Kräutern und Pflanzen eine Renaissance

Die Abkürzung TCM für Traditionelle Chinesische Medizin ist den meisten inzwischen bekannt. Doch was bitte bedeutet TEH? Es steht für Traditionelles Europäisches Heilwissen, das bei unseren Nachbarn in Österreich auf Siegeszug geht. Mit dem Durchbruch des alten Zollhauses am Steinpass bei Unken zum bayerischen Nordteil des Gebäudes haben die darin untergebrachten TEH-Naturwerke diesen Sommer ihren Fuß nach Deutschland gesetzt.

Beim Anblick einer blühenden Wiese, auf welcher der Mensch der Natur freien Lauf lässt, schlägt jedes Herz höher. An ihrer Farbenpracht kann sich das Auge nicht satt sehen. Doch wer kennt heute noch die Geheimnisse, die in der bunten Pflanzenwelt schlummern?

„Alle Wiesen und Matten, alle Berge und Hügel sind Apotheken“, schrieb Paracelsus. Die Nutzung von Heilpflanzen ist uralt, wahrscheinlich schon so alt wie die Menschheit selbst. Besonders der Alpenraum besitzt eine Fülle von Heilpflanzen, die gerade isoliert lebenden Bergbewohnern über Jahrhunderte hinweg das Überleben erleichterten oder sogar Leben retteten. Auch der Bauerngarten mit Kräutern und Ge­würzen war früher selbstverständlich, genauso wie die Verwendung seiner Pflanzen zum Kochen, Färben, Räuchern und Heilen. Doch mit der modernen Infrastruktur, die es Lastern erlaubt, Waren aus aller Welt bis in den letzten Talwinkel zu transportieren, drohte das Wissen um die Anwendung und den Anbau von Kräutern und anderen Pflanzen zu verschwinden.

Selbst im Pinzgau zwischen Bayern und Tirol, wo die Überlieferung der Naturheilkunde besonders tief verwurzelt ist. Denn aufgeschrieben hatte sie niemand. Alles Wissen wurde mündlich weitergegeben. Bis die Ernährungswissenschaftlerin Karin Burchart aus Unken 2005 mit ihren Recherchen begann. In stundenlangen Interviews insbesondere mit Bäuerinnen auf abgelegenen Höfen sammelte sie das alte Wissen, ergänzte es durch das Studium von Kochbüchern, in denen oft auch Heilrezepte stehen, verfasste darüber eine Dissertation an der Universität Salzburg und gründete den umtriebigen gemeinnützigen Verein TEH, dessen Geschäftsführerin sie ist.

Derart fixiert, wurde das Heilwissen der Pinzgauerinnen 2010 als schützenswert im Sinne der Unesco eingestuft und von der österreichischen Unesco-Kommission auf die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt. Doch um dessen Fortbestand zu sichern, bedarf es derzeit eines solchen Status eigentlich gar nicht. Denn der Run auf die seit 2008 angebotenen „Kräuterkurse“ boomt. Bis heute haben rund 230 Teilnehmer am Salzburger Wirtschaftsförderungsinstitut die Ausbildung zum TEH-Praktiker abgeschlossen, um sich in Bestimmung, Wirkung und Anbau von Pflanzen und Heilpflanzen kundig zu machen sowie die Herstellung von Tinkturen, Salben, Sirup, Likören und vielem mehr zu erlernen. Im Oktober startet der 14. Lehrgang. Seine 160 Lerneinheiten verteilen sich auf acht Monate zum stolzen Preis von 2000 Euro. Längst kommen die Teilnehmer auch aus Deutschland, Südtirol und Kroatien und tragen das neu entdeckte Wissen über die Grenzen. In Regensburg entstand daraus die Hexerei mit Caolin Gmachl und in Tegernheim wirkt bereits Hannelore Franke.

Vor allem aber im eigenen Land ist man wieder auf den Kräuter-Geschmack gekommen. Und das nicht nur, um die Touristen zu verwöhnen. So machte etwa die Bäuerin Heidi Lainer aus Dienten am Hochkönig die Ausbildung zur TEH-Praktikerin, erwarb mit ihrem Mann Sepp und den vier Kindern neben ihrem Betrieb über dem Ort die Zachhofalm und legte einen TEH-Kräutergarten an. Etwa 40 verschiedene Kräuter finden sich hier, um damit – insbesondere für die eigene Familie – zu kochen, den auf der Alm erzeugten Frischkäse zu verfeinern, Tees, Öle und Salben herzustellen. Etwa die begehrte Pechsalbe zur Wundheilung.

Und auch in Maria Alm hat Rosi Rainer erst in den letzten Jahren den Garten des geerbten Hauses in ein Paradies von Garten-, Duft- und Wildkräutern verwandelt. In Seminaren zeigt die Kräuterpädagogin jetzt, wie man diese verarbeiten kann.

Gleich ihren Beruf aufgegeben haben Gabi und Anton Bürgler. Die Bankkaufleute ließen die schnöden Zahlen hinter sich, machten die Dientener Bürglalm zu einem Schmuckstück und verwöhnen hier jetzt Wanderer mit gesunder Almkost: sahnig-feiner Brennnesselsuppe, Kräutersäften, Pesto, verfeinertem Frischkäse, dazu köstlichem selbst gebackenen Brot. Auch den Kindern schmeckt es. Pommes gibt es hier nicht! Die Kräuter wachsen rund ums Haus und wenn das nicht reicht, steigt Anton Bürgler am frühen Morgen kurz etwas höher in die Berge. Denn je karger der Boden, desto kräftiger die Pflanze und der Geschmack.

Am Hochkönig ist die Kräuter-Euphorie inzwischen besiegelt. Wer seinen Wanderpass auf allen acht Kräuteralmen abstempeln lässt, erhält eine Kräuterkiste. Die Nachfrage ist so groß, dass man dieses Geschenk nicht käuflich erwerben kann. Auch nicht den selbst gemachten Löwenzahnhonig, der eigentlich aus Sirup besteht und auf der Wastlalm in Maria Alm auf dem Tisch steht. Um in seinen Genuss zu kommen, muss man sich schon auf Schusters Rappen begeben und die 1414 Meter Seehöhe erklimmen.

Ohne Schweiß kein Preis, auch kein leckeres Frühstück auf der Jetzbachalm, die man in etwa einer Stunde vom Parkplatz Hinterjetzbachhof, Maria Alm, aus erreicht. Jakob und Walli Leitner verbringen hier den Sommer mit ihren Tieren und teilen gern ihre gemütliche Wohnküche mit hungrigen Wanderern. Allein die selbst gemachte Kiefernspitzenmarmelade lohnt den Aufstieg, vom Brennnesselsirup, Lärchenschnaps, Wald­erdbeer- und Brombeerlikör ganz zu schweigen. Vor der Tür wächst das Edelweiß und für drei Euro kann man ein Tütchen mit hauseigenem Edelweißbalsam, -seife und -samen erwerben. „Der Vater beglückte mit den unverarbeiteten Produkten seiner ,Plantage‘ noch die Damen“, erklärt Walli Leitner.

Welche Rolle Kräuter im Pinzgau spielen, zeigt auch die Tatsache, dass Yves Rocher von 1986 bis 2007 in der Nationalparkgemeinde Hollersbach im Salzachtal auf 1,5 Hektar Fläche Kräuteranbau betrieb und jährlich rund 2,5 Tonnen von etwa zehn verschiedenen Heil- und Nutzpflanzen für seine Naturkosmetikherstellung im französischen La Gacilly, Bretagne, anbaute. Seitdem ist Hollersbach mit seinem 8000 Quadratmeter großen Erlebnis-Kräutergarten auf dem ehemaligen Rocher-Feld im wahrsten Sinne des Wortes „Kräuterdorf“ und lebt diesen Begriff aktiv in der ganzen Dorfgemeinschaft. Natürlich darf da ein weiteres TEH-Naturwerk mit seinem vielfältigen kommerziellen und informativen Angebot nicht fehlen. Helga Schnehagen

Infos: www.teh.at, www.hochkoenig.at, www.hollersbacher.at Die Abkürzung TCM für Traditionelle Chinesische Medizin ist den meisten inzwischen bekannt. Doch was bitte bedeutet TEH? Es steht für Traditionelles Europäisches Heilwissen, das bei unseren Nachbarn in Österreich auf Siegeszug geht. Mit dem Durchbruch des alten Zollhauses am Steinpass bei Unken zum bayerischen Nordteil des Gebäudes haben die darin untergebrachten TEH-Naturwerke diesen Sommer ihren Fuß nach Deutschland gesetzt.

Beim Anblick einer blühenden Wiese, auf welcher der Mensch der Natur freien Lauf lässt, schlägt jedes Herz höher. An ihrer Farbenpracht kann sich das Auge nicht satt sehen. Doch wer kennt heute noch die Geheimnisse, die in der bunten Pflanzenwelt schlummern?

„Alle Wiesen und Matten, alle Berge und Hügel sind Apotheken“, schrieb Paracelsus. Die Nutzung von Heilpflanzen ist uralt, wahrscheinlich schon so alt wie die Menschheit selbst. Besonders der Alpenraum besitzt eine Fülle von Heilpflanzen, die gerade isoliert lebenden Bergbewohnern über Jahrhunderte hinweg das Überleben erleichterten oder sogar Leben retteten. Auch der Bauerngarten mit Kräutern und Ge­würzen war früher selbstverständlich, genauso wie die Verwendung seiner Pflanzen zum Kochen, Färben, Räuchern und Heilen. Doch mit der modernen Infrastruktur, die es Lastern erlaubt, Waren aus aller Welt bis in den letzten Talwinkel zu transportieren, drohte das Wissen um die Anwendung und den Anbau von Kräutern und anderen Pflanzen zu verschwinden.

Selbst im Pinzgau zwischen Bayern und Tirol, wo die Überlieferung der Naturheilkunde besonders tief verwurzelt ist. Denn aufgeschrieben hatte sie niemand. Alles Wissen wurde mündlich weitergegeben. Bis die Ernährungswissenschaftlerin Karin Burchart aus Unken 2005 mit ihren Recherchen begann. In stundenlangen Interviews insbesondere mit Bäuerinnen auf abgelegenen Höfen sammelte sie das alte Wissen, ergänzte es durch das Studium von Kochbüchern, in denen oft auch Heilrezepte stehen, verfasste darüber eine Dissertation an der Universität Salzburg und gründete den umtriebigen gemeinnützigen Verein TEH, dessen Geschäftsführerin sie ist.

Derart fixiert, wurde das Heilwissen der Pinzgauerinnen 2010 als schützenswert im Sinne der Unesco eingestuft und von der österreichischen Unesco-Kommission auf die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt. Doch um dessen Fortbestand zu sichern, bedarf es derzeit eines solchen Status eigentlich gar nicht. Denn der Run auf die seit 2008 angebotenen „Kräuterkurse“ boomt. Bis heute haben rund 230 Teilnehmer am Salzburger Wirtschaftsförderungsinstitut die Ausbildung zum TEH-Praktiker abgeschlossen, um sich in Bestimmung, Wirkung und Anbau von Pflanzen und Heilpflanzen kundig zu machen sowie die Herstellung von Tinkturen, Salben, Sirup, Likören und vielem mehr zu erlernen. Im Oktober startet der 14. Lehrgang. Seine 160 Lerneinheiten verteilen sich auf acht Monate zum stolzen Preis von 2000 Euro. Längst kommen die Teilnehmer auch aus Deutschland, Südtirol und Kroatien und tragen das neu entdeckte Wissen über die Grenzen. In Regensburg entstand daraus die Hexerei mit Caolin Gmachl und in Tegernheim wirkt bereits Hannelore Franke.

Vor allem aber im eigenen Land ist man wieder auf den Kräuter-Geschmack gekommen. Und das nicht nur, um die Touristen zu verwöhnen. So machte etwa die Bäuerin Heidi Lainer aus Dienten am Hochkönig die Ausbildung zur TEH-Praktikerin, erwarb mit ihrem Mann Sepp und den vier Kindern neben ihrem Betrieb über dem Ort die Zachhofalm und legte einen TEH-Kräutergarten an. Etwa 40 verschiedene Kräuter finden sich hier, um damit – insbesondere für die eigene Familie – zu kochen, den auf der Alm erzeugten Frischkäse zu verfeinern, Tees, Öle und Salben herzustellen. Etwa die begehrte Pechsalbe zur Wundheilung.

Und auch in Maria Alm hat Rosi Rainer erst in den letzten Jahren den Garten des geerbten Hauses in ein Paradies von Garten-, Duft- und Wildkräutern verwandelt. In Seminaren zeigt die Kräuterpädagogin jetzt, wie man diese verarbeiten kann.

Gleich ihren Beruf aufgegeben haben Gabi und Anton Bürgler. Die Bankkaufleute ließen die schnöden Zahlen hinter sich, machten die Dientener Bürglalm zu einem Schmuckstück und verwöhnen hier jetzt Wanderer mit gesunder Almkost: sahnig-feiner Brennnesselsuppe, Kräutersäften, Pesto, verfeinertem Frischkäse, dazu köstlichem selbst gebackenen Brot. Auch den Kindern schmeckt es. Pommes gibt es hier nicht! Die Kräuter wachsen rund ums Haus und wenn das nicht reicht, steigt Anton Bürgler am frühen Morgen kurz etwas höher in die Berge. Denn je karger der Boden, desto kräftiger die Pflanze und der Geschmack.

Am Hochkönig ist die Kräuter-Euphorie inzwischen besiegelt. Wer seinen Wanderpass auf allen acht Kräuteralmen abstempeln lässt, erhält eine Kräuterkiste. Die Nachfrage ist so groß, dass man dieses Geschenk nicht käuflich erwerben kann. Auch nicht den selbst gemachten Löwenzahnhonig, der eigentlich aus Sirup besteht und auf der Wastlalm in Maria Alm auf dem Tisch steht. Um in seinen Genuss zu kommen, muss man sich schon auf Schusters Rappen begeben und die 1414 Meter Seehöhe erklimmen.

Ohne Schweiß kein Preis, auch kein leckeres Frühstück auf der Jetzbachalm, die man in etwa einer Stunde vom Parkplatz Hinterjetzbachhof, Maria Alm, aus erreicht. Jakob und Walli Leitner verbringen hier den Sommer mit ihren Tieren und teilen gern ihre gemütliche Wohnküche mit hungrigen Wanderern. Allein die selbst gemachte Kiefernspitzenmarmelade lohnt den Aufstieg, vom Brennnesselsirup, Lärchenschnaps, Wald­erdbeer- und Brombeerlikör ganz zu schweigen. Vor der Tür wächst das Edelweiß und für drei Euro kann man ein Tütchen mit hauseigenem Edelweißbalsam, -seife und -samen erwerben. „Der Vater beglückte mit den unverarbeiteten Produkten seiner ,Plantage‘ noch die Damen“, erklärt Walli Leitner.

Welche Rolle Kräuter im Pinzgau spielen, zeigt auch die Tatsache, dass Yves Rocher von 1986 bis 2007 in der Nationalparkgemeinde Hollersbach im Salzachtal auf 1,5 Hektar Fläche Kräuteranbau betrieb und jährlich rund 2,5 Tonnen von etwa zehn verschiedenen Heil- und Nutzpflanzen für seine Naturkosmetikherstellung im französischen La Gacilly, Bretagne, anbaute. Seitdem ist Hollersbach mit seinem 8000 Quadratmeter großen Erlebnis-Kräutergarten auf dem ehemaligen Rocher-Feld im wahrsten Sinne des Wortes „Kräuterdorf“ und lebt diesen Begriff aktiv in der ganzen Dorfgemeinschaft. Natürlich darf da ein weiteres TEH-Naturwerk mit seinem vielfältigen kommerziellen und informativen Angebot nicht fehlen. Helga Schnehagen

Infos: www.teh.at, www.hochkoenig.at, www.hollersbacher.at


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