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21.09.13 / Pflegekräfte verzweifelt gesucht / Politik investiert viel Geld, um geeignetes Personal nach Deutschland zu locken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-13 vom 21. September 2013

Pflegekräfte verzweifelt gesucht
Politik investiert viel Geld, um geeignetes Personal nach Deutschland zu locken

Bis 2016 fehlen in Deutschland rund 40000 Pflegekräfte. Inzwischen ist auch die Politik bemüht, diesen Fachkräftemangel zu entschärfen, doch woher nehmen und nicht stehlen?

Im August waren in Deutschland noch 2,9 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, und die Bundesagentur für Arbeit hat den ausdrücklichen Auftrag, jenen, die für eine Aus- oder Weiterbildung in Pflegeberufen infrage kommen, den Beruf aktiv anzubieten. Ende 2012 beschlossen Bund, Länder und Verbände eine Steigerung der Ausbildungszahlen um jährlich zehn Prozent, doch es fehlen die Interessenten. Trotz zahlreicher Bemühungen von Politik und Pflegebranche, den Beruf als erstrebenswert darzustellen, sorgen niedrige Löhne bei physisch wie psychisch anstrengender Arbeit und zumeist auch unattraktiven Arbeitszeiten dafür, dass die Nachfrage geringer ist als erhofft.

Da der heimische Nachwuchs fehlt, greifen Kliniken, Altenheime und Pflegedienste schon seit Jahren auf Personal aus dem Ausland zurück. Eine Zeit lang gab es auch genug Nachschub. Vor allem aus Polen kamen neben vielen Ärzten auch Pflegekräfte über die Grenze. Zwar verhindern Sprachprobleme einen vollkommen reibungslosen Ablauf, doch mit der Zeit verkleinern sich auch diese Hürden. Allerdings sorgte die starke Abwanderung nach Deutschland inzwischen dafür, dass auch in Polen das medizinische Personal knapp wird. Inzwischen versucht man dort, die eigenen personellen Lücken mit Mitarbeitern aus Weißrussland und der Ukraine zu füllen, doch deren Qualifikation und Erfahrung mit moderner Medizintechnik lassen zu wünschen übrig. Zudem gehen die guten Pflegekräfte aus diesen Staaten lieber gleich weiter Richtung Deutschland, denn auch Berlin macht inzwischen weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus kein Geheimnis mehr draus, dass man jene Fachkräfte sucht.

Auf der Internetseite www.make-it-in-germany.de werben das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zusammen mit der Arbeitsagentur für Deutschland. Auf der Seite wird erklärt, warum Fachkräfte ausgerechnet nach Deutschland kommen sollten und wie genau das funktioniert. Zwar erfreut sich Deutschland derzeit einer großen Attraktivität, was die Zuwanderungszahlen der letzten Jahre belegen, doch jene, die bisher gekommen sind, schielen eher auf den Sozialstaat, statt auf den Arbeitsmarkt. Und vor allem Städte wie Berlin und Duisburg leiden darunter, dass die in Massen aus Bulgarien und Rumänien zugereisten, ungelernten Kräfte ihre eigene Vorstellung von Berufsausübung vorbei an Sozial- und Steuerkassen haben.

Derzeit hat die Bundesregierung jedoch offiziell Menschen aus den Euro-Krisenländern Griechenland, Spanien und Italien im Blick. Konkrete Projekte laufen hingegen bisher nur mit Freiwilligen aus Vietnam, China und Tunesien. Seit Beginn des neuen Ausbildungsjahres durchlaufen 102 Vietnamesen in einem Pilotprojekt des Wirtschaftsministeriums eine Altenpflegeausbildung. Auswahlverfahren und Sprachkurs fanden bereits in Vietnam statt, wo viele schon in dem Beruf gearbeitet haben. Doch während das Wirtschaftsministerium erst in der Startphase ist, ist das Auswärtige Amt bereits mit seinem Modellprogramm krachend gescheitert. Vor etwas über einem Jahr holten die mit dem Auswärtigen Amt zusammenarbeitenden Asklepios-Kliniken Hamburg die ersten 25 der geplanten 150 freiwilligen Tunesier zur Krankenpflegeausbildung nach Hamburg. Nach einem halbjährigen Deutschkurs begann dann im August 2012 die dreijährige Ausbildung und kaum ein Mensch erfuhr von dem Projekt ... bis im August dieses Jahres 23 der 25 tunesischen Absolventen des zweiten Deutschkurses ihre Ausbildung nicht antraten. Schnell stürzten sich die Medien auf das Thema, und es sah erst so aus, als wären die jungen Leute nicht bereit, für die knapp über 600 Euro Ausbildungsgehalt zu arbeiten. Dann wurde bekannt, dass ihr Ausbildungsvertrag mit einem Kreditvertrag gekoppelt war, da sie Teile des Deutschkurses, ihrer Unterbringung und der Betreuung durch Berater selbst finanzieren sollten. Da gerade in Heilberufen wie Physiotherapie oder Podologie viele Berufsanfänger ihre Ausbildung selbst finanzieren müssen, ist dies an sich noch keine ungewöhnliche Regelung, merkwürdig wird es allerdings, wenn man berücksichtigt, dass das Auswärtige Amt zusätzlich 10000 Euro pro Auszubildenden bezahlt und die Tunesier den Kredit angeblich schon während der Ausbildung zurückzahlen sollten, so dass ihnen keine 100 Euro monatlich mehr zum Leben blieben.

Genauso merkwürdig ist es allerdings, dass die jungen Tunesier plötzlich selber auf dieses Vertragsdetail aufmerksam geworden sein sollen und zudem so gut über deutsche Regelungen wie Prozesskostenbeihilfe informiert waren, dass sie die Asklepios-Kliniken jetzt nach ihrer Kündigung wegen Nichterscheinen am Arbeitsplatz verklagen. Die Frage, ob jemand die Tunesier aufgehetzt hat, möchte der Klinik-Konzern, der sich aus dem Projekt zurückgezogen hat, jedoch nicht kommentieren.

„Im Auswärtigen Amt bedauern wir den Abbruch des Projektes, weil wir die Zielsetzung der Ausbildungshilfe für junge Tunesier weiterhin für sinnvoll halten“, heißt es derweil aus Berlin, wo man über die ausländerrechtlichen Konsequenzen für die klagenden, aber arbeitslosen Tunesier nichts sagen kann. Da ihr Aufenthaltsrecht an den Ausbildungsvertrag gekoppelt war, müssten sie eigentlich Deutschland verlassen, doch weder die Innenbehörde noch die Ausländerbehörde kennen die Details des Falls. Das Bezirksamt Wandsbek sei zuständig, doch der zuständige Mitarbeiter stand für Auskünfte nicht zur Verfügung.

Die Hamburger Erfahrung mit den Tunesiern zeigt, wie kompliziert, teuer und aufwendig es werden kann, Ausländer erst in Deutschland zu Fachkräften auszubilden. Die bisherigen Versuche, gezielt bereits qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, haben jedoch auch nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. In Deutschland suchen 12300 ambulante Pflegedienste, 12400 Alten- und Pflegeheime sowie Kliniken dringend Personal. Zudem soll die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten Jahren aufgrund der Alterung der Gesellschaft von derzeit 2,4 auf 3,4 Millionen im Jahr 2030 steigen. Zudem steht die Bundesregierung auch vor dem moralischen Dilemma, anderen Ländern das dort ebenfalls benötigte Personal zu rauben. Seit Anfang des Jahres arbeitet die deutsche Arbeitsagentur mit Arbeitsverwaltungen in Serbien, Bosnien-Herzegowina, den Philippinen und Tunesien eng zusammen. 150 chinesische Pflegekräfte sind bereits zugesagt. Doch in vielen dieser Länder gibt es eine massive medizinische Unterversorgung. Rebecca Bellano


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