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21.09.13 / Verehrt, verhasst und schmerzlich vermisst / Gedanken und persönliche Erinnerungen zum 25. Todestag des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-13 vom 21. September 2013

Verehrt, verhasst und schmerzlich vermisst
Gedanken und persönliche Erinnerungen zum 25. Todestag des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß

Vor 25 Jahren, am 3. Oktober 1988, starb der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß im Alter von 73 Jahren. Er war wohl eine der markantesten politischen Persönlichkeiten in Nachkriegsdeutschland.

Eine Szene eher am Rande: Interview mit dem termingestressten bayerischen Ministerpräsidenten, unmittelbar nach dem Festakt zum 40. Jahrestag des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, draußen vor der Tür bei strahlendem Sonnenschein. Franz Josef Strauß hat – eine seiner Stärken – blitzschnell umgeschaltet von Festakt auf Tagespolitik. Aus den Augenwinkeln sieht er Staatsminister Max Streibl und ruft ihn zu uns.

Von nun an ist die Szene im Rückblick eher unheimlich, ja geradezu makaber. Originalton FJS: „Max, darf ich Dir den Chefredakteur des ,Deutschland-Magazin‘ vorstellen?“ Und zu mir: „Der Streibl wird mal mein Nachfolger, halten Sie sich gut mit ihm, auch wenn’s noch dauert.“

14 Tage später ist Franz Josef Strauß tot, Max Streibl wird sein Nachfolger. Das Erbe, das er zu verwalten sucht, überfordert ihn – kein Wunder, wenn man sieht, was FJS ihm hinterlassen hat.

Mein persönliches „Erbe“: das letzte Interview, das Strauß gegeben hat, aber nicht mehr zum Abdruck autorisieren kann. Ist es pietätlos, dennoch diesen Text zu veröffentlichen? Schließlich verständigen sich Chefredakteur und Herausgeber darauf, die unredigierte Bandabschrift der Passagen zu den Themen Energiepolitik (Wackersdorf), Technologie und Fortschritt zu veröffentlichen.

Themen also, die im Leben des Altphilologen Strauß erstaunlich breiten Raum einnahmen. Einerseits war er in der Lage, ein fachkundiges Publikum in fließendem Latein – ohne Manuskript! – zu unterhalten; organisierte Lateinlehrer sollen dabei freilich Übersetzungsprobleme gezeitigt haben. Andererseits konnte er – wie in diesem Gespräch auf Herrenchiemsee – aus dem Stegreif über komplizierte Details der nuklearen Brennstoffaufarbeitung parlieren, nachdem er gerade vorher, ebenfalls in freien Rede, tiefschürfend über jenen Konvent geredet hatte, der im August 1948 hier im Schloss des bayerischen Märchenkönigs zusammengetreten war, um eine Verfassung für ein neues, demokratisches Deutschland zu entwerfen.

So mancher der Zuhörer bei diesem Festakt dachte bei der Erwähnung des Märchenkönigs wohl auch drei Jahre zurück: Die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des Ministerpräsidenten gerieten zur öffentlichen Huldigung der Volksmassen; FJS war der neue, ungekrönte Märchenkönig.

Genauso habe er sich auch geriert, werfen ihm Kritiker bis heute vor. Wie ein absolutistischer Herrscher habe er sich jenseits von Recht und Gesetz bewegt, Privates und Öffentliches nicht getrennt, sich selber bereichert.

Harsche Vorwürfe, welche die von „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ dominierten Meinungsmacher der noch jungen Republik jahrzehntelang zelebrierten. Und die genauso einseitig und überzeichnet waren wie die fast schon überirdische Verehrung, die ihm „dahoam“ in Bayern entgegengebracht wurde. Er selber meinte dazu: „Natürlich bin ich kein Heiliger, aber auch nicht der Bösewicht, den die linke Presse aus mir macht.“

Strauß zählt bis heute zu den markantesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Er war niemandem gleichgültig: Man liebte und verehrte ihn oder man hasste ihn. Weder die einen noch die anderen aber können bestreiten, dass er sehr erfolgreich war und Großes für Bayern, für Deutschland und für Europa geleistet hat.

Wer ihn verehrte, neigte dazu, ihm seine Eskapaden und seine oft „unkonventionelle“ Handlungsweise zu verzeihen. Wer ihn hasste, ließ nicht gelten, dass der Zweck alle Mittel heilige.

So erinnern linksorientierte Medien noch heute genüsslich an die so genannte „Spiegel“-Affäre: Wie der böse FJS den alt-naiven Konrad Adenauer austrickste und heldenhafte „Spiegel“-Mannen einlochen ließ …

Natürlich war es so nicht. Am Anfang standen schwerwiegende Rechtsbrüche des Hamburger Magazins, die zu ahnden Strauß als Verteidigungsminister verpflichtet war. Im Übereifer geriet ihm dabei die Legalität, die zu wahren er angetreten war, aus dem Blick. So war es für Rudolf Augstein und Conrad Ahlers leicht, von eigener Schuld abzulenken; FJS hingegen verlor sein Amt und brauchte vier Jahre, um den Karriereknick zu kompensieren.

Das konnte er nur schaffen, weil eine Eigenschaft bei ihm besonders ausgeprägt war: Er gab nie auf, er kämpfte verbissen um das, was er für richtig hielt. Und er war intelligent genug, wenn nötig auch sich selber zu korrigieren und auf neue Entwicklungen zu reagieren.

Außergewöhnliche Intelligenz war schon im Alter von 20 Jahren sein Markenzeichen. So mussten die Nationalsozialisten, die gerade die Universitäten „gleichschalteten“, ihn in München Altphologie und Geschichte studieren lassen, obwohl er mit Kritik an der NS-Ideologie nicht zurückhielt. Auch später fiel er immer wieder durch höchste Intelligenz auf: der US-amerikanischen Besatzungsmacht, dann den Gründern der CSU, dann dem Bundeskanzler, schließlich sogar dem politischen Gegner (als Partner Karl Schillers, bekannt als Plisch und Plumm). Er machte Karriere als Abgeordneter, Bundesminister, Parteichef und Ministerpräsident. Hingegen scheiterte er als Kanzlerkandidat.

Als erster westdeutscher Politiker traf er sich mit Mao Zedong. Die DDR-Diktatur bekämpfte er, fädelte für sie aber einen Milliardenkredit ein. Er riskierte Kopf und Kragen und flog eigenhändig im Schneegestöber nach Moskau, um sich Michail Gorbatschows kühne neue Ideen anzuhören.

Viele Wähler vermissen heute in der deutschen Politik solche Typen wie Strauß. Freilich glauben auch viele, heute werde nicht mehr alles hingenommen, was Strauß sich geleistet habe. Vor allem aber zählt, was er geleistet hat. Die 47,7 Prozent, über die sein Nachfolger Horst Seehofer heute jubelt, hätten FJS jedenfalls zutiefst beunruhigt. Hans-Jürgen Mahlitz


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