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28.09.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-13 vom 28. September 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

dass vielen von uns Älteren, die wir höflich Senioren genannt werden, ein sehr langer Lebensabend beschert wird, hatten wir in jüngeren Jahren nicht zu hoffen gewagt. Unser Leben wäret 70 Jahre, und wenn es hoch kommt 80 Jahre – die Bibel hatte immer recht bis in das vergangene Jahrhundert hinein. Aber nun sitzt hier am PC eine 97-Jährige und findet es durchaus nicht ungewöhnlich, dass sie mit etwa Gleichaltrigen korrespondiert, die wie sie im so späten Alter noch gebraucht werden – als verlässliche Zeitzeugen. Denn was sie am eigenen Leib erfahren mussten, haben sie nie vergessen, und so können sie, wenn sie gefragt werden, mit ihren authentischen Aussagen zu mancher Richtigstellung bei der Aufarbeitung unserer jüngeren Zeitgeschichte beitragen.

Ja, wenn sie gefragt werden! Wir haben schon oft über Landsleute berichten können, die in Schulen und Fortbildungsstätten über ihr Leben als Vertriebene berichten konnten und großes Interesse bei Schülern und Lehrern geweckt haben. In diesen Kreis reiht sich nun auch unser Landsmann Wolfgang Czolbe aus Nor­der­stedt ein, der uns einen kurzen Bericht über seinen Vortrag in einer berufsbildenden Institution übersandte. Wenn er auch nicht zu den Ältesten unter uns aktiv Gebliebenen zählt, so waren gerade die Erlebnisse des heute 77-Jährigen für seine jungen Zuhörer interessant, weil sie zu Vergleichen mit dem eigenen Leben führten. Herr Czolbe geht in seiner Mitteilung nicht auf diese und andere Reaktionen ein, denn ihm – und uns – lag nicht an einer Berichterstattung, er wollte aufzeigen, wie wichtig solche kleinen, aus eigener Initiative entstandenen Aktionen, die sogar zur Integrierung in den Unterricht führen, für uns Vertriebene sind. Herr Wolfgang Czolbe schrieb für uns diese Zeilen:

„Heute, am 3. September, habe ich, inzwischen 77-jährig, vor Schülern der zwölften Klasse des Berufsbildungszentrums des Kreises Segeberg in Norderstedt eine zweieinhalbstündige Unterrichtsstunde als Zeitzeuge über die Flucht aus Ostpreußen gehalten. 25 Schüler im Alter von 17 bis 22 Jahren lauschten konzentriert und stellten viele Fragen – Fragen über meine Zeit als Kind in Allenstein, über die Umstände der Flucht und über die Eingliederung im Westen. An Hand einer noch vorhandenen Landkarte zeichnete ich den Fluchtweg von Allenstein über Marienburg, Karthaus, Stolp, Greifswald, Lübeck bis nach Hamburg-Osdorf auf der Karte nach. Fragen waren vorher von den Schülern formuliert worden, sie wurden mir eine Woche vor dem Termin überreicht. Dem einladenden Lehrer, Herrn Günter Diekmann, danke ich sehr, dass er mir die Gelegenheit zur Information über unsere Heimat gegeben hat. Die Schüler dankten in der Pause mit selbstgebackenem Kuchen und am Ende mit Beifall.“

Zeitzeugen sind auch hier und heute gefragt, denn es liegen wieder Suchfragen von Nachfahren ostpreußischer Familien vor, die bisher nicht geklärt werden konnten. So von Frau Regina Jendrusch, deren Wunsch, etwas über ihre – fast – unbekannte väterliche Linie zu erfahren, umso stärker wurde, seit sie im August die Heimat ihrer Vorfahren besuchte. Es handelt sich allerdings weniger um Zeitzeugen, die unabhängig von gesuchten Personen etwas über die Heimat und die Ereignisse aus ihrer jüngsten Vergangenheit aussagen könnten, sondern um Informanten über bestimmte Orte und deren Bewohner, die eventuell Bezug zu den von Frau Jendrusch angegebenen Verwandten haben. Es handelt sich um die Familie Bernotat, so lautet der Mädchenname von Frau Jendrusch. Ihr Vater Fritz Bernotat wurde zwar am 27. August 1914 in Marienburg geboren, war aber dort mit Sicherheit nicht beheimatet, denn der Geburtsort seiner drei Jahre älteren Schwester Elli war Laugallen, Kreis Insterburg, wo wahrscheinlich auch seine Schwester Hertha 1912/13 zur Welt kam. Es ist anzunehmen, dass sich die hochschwangere Mutter Auguste Bernotat auf der Flucht aus dem nördlichen Ostpreußen befand, da der Erste Weltkrieg gerade begonnen hatte. Ihr Mann soll bereits bei den ersten Kriegshandlungen gefallen sein, der Sohn, den er wohl nie gesehen hat, erhielt den Namen seines Vaters Fritz. Es könnte sein, dass dieser Großvater von Regina Jendrusch auch Fritz-Walter Bernotat hieß. Auguste Bernotat stand nun mit drei kleinen Kindern alleine da und heiratete bald darauf in zweiter Ehe Wilhelm Schröder. Sie war eine geborene Hoffmann und müsste zwischen 1880 und 1890 geboren sein. Noch ungenauer sind die Angaben über Augustes Mutter Regina Hoffmann (Hofmann?), sie führen überhaupt nicht weiter. Es ist anzunehmen, dass die Familie Bernotat aus dem Kreis Insterburg, wahrscheinlich aus Laugallen stammt, jedenfalls hat sie dort zeitweilig gewohnt. Der Name weist auf Wurzeln im nördlichen Ostpreußen hin, wie ja auch der Geburtsort von Elli Bernotat – Laugallen – bestätigt. Nun gab es insgesamt 17 (!) Orte mit diesem ursprünglich prussisch-litauischen Namen in Ostpreußen, aber anhand der von Frau Jendrusch gemachten Kreisangabe könnte sich die 15 Kilometer nördlich von Insterburg gelegene Ortschaft Laugallen als die Richtige erweisen. Dieser 1938 in Feldeck umbenannte Ort zählte nur etwas über 200 Einwohner und bestand aus mehreren Höfen und Gehöften. Bei dieser geringen Einwohnerzahl wäre vor einigen Jahrzehnten die Suche nach einer Familie Bernotat noch Erfolg versprechend gewesen, jetzt ist die Zeit aber schon zu weit fortgeschritten, so dass es kaum noch ältere Bewohner geben dürfte, die sich an die genannten Namen erinnern. Da aber die ostpreußischen Familien früher sehr kinderreich waren, ist es möglich, dass der – nicht gerade oft vorkommende – Name Bernotat auch in anderen Familienanalen auftaucht, so dass sich vielleicht entfernte Verwandte von Frau Jendrusch finden könnten. Das im Kreis Insterburg gelegene Laugallen gehörte zum Kirchspiel Pelleningken/Strigengrund. Auguste und Fritz Bernotat dürften der Neuapostolischen Kirche angehört haben. Soweit unsere zugegeben recht mageren Recherchen, aber vielleicht bringen sie doch Frau Regina Jendrusch in ihrer Familienforschung etwas weiter. Sie würde sich über jede Zuschrift freuen. (Regina Bernotat-Jendrusch, Am Klostergarten 3, 53121 Bonn, Telefon 0174/3951614, E-Mail: ginajen@web.de)

Und das würde auch Frau Irene Müller aus Veringenstadt, obgleich ich in ihrem Fall noch weniger Hoffnung habe, denn ihre Suchfrage führt sehr weit in die Vergangenheit zurück. Und auch hier handelt es sich um eine mögliche Verwandtschaft, selbst wenn sie „das siebente Wasser vom Kissehl“ ist, wie wir tohuus zu sagen pflegten. Kissehl war vor allem im nördlichen Ostpreußen eine Art Nationalspeise, die sehr sättigte. Es handelte sich um einen in mehreren Vorgängen recht umständlich zubereiteten Haferbrei, bei dem während der Herstellung der Teig mehrmals mit Wasser übergossen wurde, um möglichst viel Masse zu gewinnen. Durch dieses sparsame Verhalten wurde der Brei immer dünnflüssiger. So übertrug man die Redensart „das siebente Wasser vom Kissehl“ auch auf eine weitläufige Verwandtschaft. Soweit unsere kleine Einspielung in das heimatliche Brauchtum. Nun zum Kernpunkt der kurzen Anfrage unserer Leserin: Frau Irene Müller sucht Nachkommen des am 12. Januar 1796 geborenen Gottfried Ernst Stein aus Guhrenwalde, Kreis Preußisch Holland. Der kleine Ort mit Gut und mehreren Gehöften war in unserer Zeit in Luxethen eingemeindet. Guhrenwalde gehörte zum Kirchspiel Marienfelde, die hierzu gehörenden Kirchenbücher sind nicht auffindbar, angeblich sind sie in Ostdeutschland verbrannt. Wer zu diesem „Ahnherrn“ etwas sagen kann oder glaubt, brauchbare Hinweise geben zu können, wende sich bitte an Frau Irene Müller, Hochbergstraße 13 in 72519 Veringenstadt, Telefon (07577) 648565.

Wir haben schon oft die Initiatoren von Heimatstuben und anderen musealen Einrichtungen unterstützt, die sich mit der Bitte um Mithilfe an die Ostpreußische Familie wandten, und konnten damit manche dieser mit viel Liebe und Engagement gestalteten Einrichtungen gut bestücken. Obgleich da manchmal recht seltsame Wünsche an uns gerichtet wurden, aber auch sie konnten zumeist erfüllt werden. Nun hat uns wieder solch eine etwas ungewöhnliche Bitte erreicht, die aber mit Sicherheit nicht umsonst gestellt wird. Frau Erika Morgenstern bekam über einen Landsmann den Rat, sich an uns zu wenden, und wir reichen gerne den Wunsch an unsere Leser weiter. Frau Morgenstern, die von ihrem jetzigen Wohnort Neumünster in ihre Wahlheimat Baden-Württemberg zurückkehren will, möchte nach der Übersiedlung in ihrem Haus in Baden-Baden ein „Museumszimmer“ einrichten. Anscheinend besitzt sie schon genügend Exponate, aber etwas fehlt ihr noch: eine ehemalige Soldatenjacke, wie sie schreibt. Also eine Uniformjacke von einem Angehörigen der deutschen Wehrmacht, die durchaus beschädigt oder altersfleckig sein kann, auch ohne Knöpfe oder weiteres Zubehör. Ein bestimmter Wehrmachtsteil wird von der Suchenden nicht angegeben. Wer solch eine Jacke noch bewahrt hat und sich von ihr trennen kann, melde sich bitte bei Frau Erika Morgenstern, Käthe-Kollwitz-Straße 48 in 24539 Neumünster, Telefon (04321) 28664.

Es ist schon erstaunlich, was da von heimattreuen Landsleuten aus eigenem Impuls an Erhaltenswertem zusammengetragen wird. Eine von Frau Lore Müller-Doepner uns übersandte Dokumentation führt geradewegs zur Haffuferbahn – und damit hat dieses als kleine Anfrage gestartetes Thema eine neue Dimension erreicht. Die heute in Osnabrück lebende Ermländerin war über unsere Veröffentlichungen in den PAZ-Folgen 24 und 27 hoch erfreut, weil sie selber als Fahrschülerin mit ihren vier Geschwistern mit dem „Stint“ von Willenberg nach Braunsberg fahren musste. Von ihrem Elternhaus, der Gastwirtschaft „Willenberger Krug“, an dem leider der Zug nicht hielt, war es eine Viertelstunde Laufzeit bis zur Haltestelle Stangendorf. Da gab es dann manchmal ein Wettlaufen mit dem schnaufenden Stint, der sich auf der Strecke, die parallel zur Reichsstraße 1 lief, sogar Wettfahrten mit den dort fahrenden Pferdefuhrwerken lieferte, wobei zumeist die Bahn gewann. Entgegen allen Frotzeleien, denen die Haffuferbahn ausgesetzt war, weil sie streckenweise nicht gerade im Eiltempo fuhr. Frau Müller-Doepner hat diese Anekdoten gesammelt, zu denen nicht nur das „Blumenpflücken und Angeln während der Fahrt verboten“ gehört – wobei tatsächlich einmal Schüler auf einer Klassenfahrt, als die Bahn den Baudeberg bei Sankau hinaufkeuchte, die dort in herrlicher Fülle blühenden Königskerzen pflückten, was nicht unbestraft blieb. Aber noch heiterer ist die Anek­dote über jenen Briefträger, der auf der Landstraße neben dem Stint fuhr. Als der Zugführer ihm zurief: „Steig’ man mit deinem Rad auf, kannst die paar Kilometerchens mitfahren!“, antwortete der bedauernd: „Heut’ jeht nich, ich hab’ nen Eilbrief!“

Aber Frau Müller-Doepner hat sich vor allem mit der Geschichte der Haffuferbahn befasst, und die ist aufgrund der vielen Hemmnisse, die ihren Initiatoren in den Weg gelegt wurden, schon sehr interessant. Deshalb bringen wir diese in unserem heutigen Sonderbeitrag und werden damit auch diejenigen unter unseren Lesern erfreuen, die sich bereits zu den bisherigen Beiträgen über die Haffuferbahn gemeldet haben und die mehr wissen wollen. Frau Müller-Doepner sagen wir ganz herzlichen Dank für die uns übersandte Dokumentation, die sie in dieser Zusammenstellung auch an Herrn Leon Rynkiewicz in Frauenburg übersenden will. Dieser „Ostpreuße“, wie er sich selber bezeichnet, besitzt bereits eine umfangreiche Sammlung von Zeugnissen aus der Vorkriegszeit, zu denen auch Familien- und Hofchroniken gehören.

Eure Ruth Geede


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