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19.10.13 / Bauern zweimal betrogen / Brandenburg: Kommission verurteilt Behandlung der DDR-Kollektivierungsopfer nach 1989

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-13 vom 19. Oktober 2013

Bauern zweimal betrogen
Brandenburg: Kommission verurteilt Behandlung der DDR-Kollektivierungsopfer nach 1989

Viele Landwirte, die in der DDR Opfer der Zwangskollektivierung geworden waren, wurden nach der Revolution von 1989 erneut um ihr Recht gebracht. Bei der Abwicklung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) ist es zu flächendeckenden Betrügereien gekommen – Brandenburgs Landesregierung hat lange weg gesehen.

Mehr als 20 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit zahlreiche frühere Mitglieder von LPG der DDR eine böse Überraschung erlebt haben. Als es nach der erfolgreichen Revolution gegen die sozialistische Diktatur darum ging, sein zu DDR-Zeiten abgepresstes Eigentum von den Zwangsgenossenschaften wieder zurückzuerhalten, wurde massiv getrickst.

Bei der Umwandlung der LPG zu Agrarbetrieben Anfang der 90er Jahre wurde – bis hin zur Bilanzfälschung – systematisch alles versucht, um die korrekte Auszahlung von Vermögensanteilen an Genossenschaftsmitglieder zu verhindern. Profiteure: Die Geschäftsführer der damals massenweise entstandenen Nachfolgefirmen.

Der naheliegende Verdacht angesichts des flächendeckenden Betrugs: In der „kleinen DDR“, wie Brandenburg unter dem damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) oft genannt wurde, sollte ganz bewusst die Entstehung von industriell wirtschaftenden Agrargroßbetrieben gefördert werden.

Über den Tisch gezogene Genossenschaftsmitglieder hatten oftmals schon alle Hoffnungen auf Gerechtigkeit aufgegeben. Nach zwei Jahrzehnten Stillstand scheint nun ein Aufrollen der damaligen Vorgänge allerdings noch einmal in Reichweite zu liegen. Ein kürzlich vorgelegtes Gutachten für die Enquetekommission des Landtags zur DDR-Aufarbeitung bescheinigt, dass in Brandenburg die Gesetzesvorgaben zur Aufteilung des LPG-Vermögens unter ausscheidenden Mitgliedern „flächendeckend missachtet“ worden seien. „Rund elf Prozent der Umwandlungen waren mit derart schweren Mängeln behaftet, dass sie auf Grundlage der relevanten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) als unwirksam zu qualifizieren sind“, so der Jenaer Rechtsprofessor Walter Bayer in seinem Gutachten für den Landtag.

Damit nicht genug: Fast jede LPG-Umwandlung könne als „mit Fehlern behaftet“ gelten. Die aufgeführten Beispiele machen recht deutlich, wie massiv die Genossenschaftsmitglieder um ihre Rechte gebracht wurden. Allein im Registergerichtsbezirk Potsdam sollen 67,3 Prozent der Umwandlungen nicht den Vorschriften entsprochen haben. Nur bei einem von 52 Agrarbetrieben im Potsdamer Raum scheinen bei der Aufteilung des LPG-Vermögens die Gesetzesvorschriften korrekt eingehalten worden zu sein. Trotz der Zeit, die inzwischen ins Land gegangen ist, können die damaligen Tricksereien nun handfeste Konsequenzen haben. Das Amt für Betrugsbekämpfung der EU-Kommission und der brandenburgische Landesrechnungshof erwägen derzeit eine Prüfung der Förderpolitik für Agrarbetriebe in Brandenburg.

Hintergrund: Agrarbetriebe, die im Zuge der Umwandlung von LPG-Betrieben gegen die Gesetzesvorgaben verstoßen haben, dürfen keine Fördermittel von EU, Bund oder Land erhalten. Mehr noch: Nach einem Grundsatzurteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt können die Fördermittelbescheide bei falschen Angaben zur Vermögensauseinandersetzung und nicht fristgerechter Auszahlung von früheren LPG-Mitgliedern sogar in vollem Umfang zurückgenommen werden. Kommt es soweit, wird es sich um mehr als eine Lappalie handeln. Nach Berechnungen der „Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum“ (ARE) sind allein in Brandenburg seit 1993 mehr als 300 Millionen Euro unrechtmäßig an EU-Agrarsubventionen ausgezahlt worden. Und bei der Rückforderung von Fördergeldern könnte es am Ende nicht bleiben. Wenn sich herausstellt, dass die Agrarbetriebe wegen Mauscheleien bei ihrer Gründung überhaupt keinen Anspruch auf Fördergelder hatten, könnten auch zahlreiche Landwirte darauf hoffen, dass ihre Anteile an den abgewickelten Genossenschaften endlich korrekt zurückerstattet werden. Das Resultat der Tricksereien vor mehr als 20 Jahren könnte nämlich tatsächlich sein, dass Agrarbetrieben die aus den LPG entstanden sind, wieder abgewickelt werden müssen.

Dass die seit 1990 in Brandenburg amtierende SPD nun so deutlich die Quittung für jahrzehntelange Agrarpolitik zugunsten großer Betriebe erhält, sollte eigentlich ein gefundenes Fressen für die Opposition im Landtag sein – so sollte man zumindest glauben. Tatsächlich hält sich CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski aber äußerst zurück. Die Feststellung, dass LPG-Betriebe nicht rechtmäßig umgewandelt worden sind, sei kein Grund, „alles neu aufzurollen“, so Dombrowski.

Auf jeden Fall wird ein Rufschaden zurückbleiben. Obwohl das Problem lange bekannt war, ist die Landesregierung nicht eingeschritten. Die märkischen Behörden haben weder auf eine saubere Aufteilung des LPG-Vermögens unter den zu DDR-Zeiten zwangskollektivierten Bauern gedrungen, noch haben sie erkannt, in welche Falle die brandenburgische Landwirtschaft mit den unrechtmäßig gezahlten Fördergeldern gelaufen ist. Obendrein ist es nicht der erste Vorwurf gegen das Land: Bereits 2006 hatte der BGH festgestellt, dass Brandenburg nicht mit Nachdruck nach den Erben von Bodenreformland gesucht und sich 10000 Flächen sittenwidrig angeeignet habe. Norman Hanert


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