24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.10.13 / Ins Ehe-Elend getrieben / »Kuma« ante portas – DVD-Start des prämierten Films über das Thema Zweitfrauen bei Einwanderern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-13 vom 19. Oktober 2013

Ins Ehe-Elend getrieben
»Kuma« ante portas – DVD-Start des prämierten Films über das Thema Zweitfrauen bei Einwanderern

Mit kleinen Filmpreisen überhäuft, bei der Berlinale gefeiert – aber an den Kinokassen gnadenlos gescheitert. Das große Geld jedenfalls dürfte der in Österreich lebende Regisseur Umut Dag, Sohn einer kurdischen Einwandererfamilie, mit seinem Film „Kuma“ nicht verdient haben. Aber vielleicht findet das Werk bei seinem DVD-Start am 22. Oktober einige Käufer. „Kuma“, was auf Deutsch „Zweitfrau“ bedeutet, nimmt sich nämlich eines interessanten Themas an, das kein deutscher Regisseur je hätte aufgreifen können, ohne als Rassist gebrandmarkt zu werden, zumal Dag massiv in die Klischeekiste greift, um seinem Film die nötige Dramatik zu verleihen.

Trotzdem rührt „Kuma“ an. Schon in der ersten Szene sieht man eine verunsicherte anatolische Braut am Fenster stehen. Sie schaut eher wie ein verängstigtes Tier, dem die Schlachtbank droht, als wie eine Frau, die nun den Mann ihres Lebens heiratet. Doch das ist auch nicht der Fall. Zwar sieht Hasan, der aus Wien angereiste Bräutigam, sehr ansprechend aus, doch auch er blickt wie ein Getriebener. Die einzige Person, die in dem ganzen Hochzeitstrubel wirklich zufrieden wirkt, ist Fatma, die Schwiegermutter der Braut Ayse.

Der nächste Szenenwechsel, der die Familie bei ihrer Ankunft in ihrer Wohnung in Wien zeigt, macht dann deutlich, warum. Die Hochzeit ist auf Fatmas Drängen arrangiert worden, denn obwohl sie schon seit Jahrzehnten in Österreich lebt, denkt sie noch in den Traditionen ihrer Heimat: Die krebskranke Mutter von fünf Kindern, der jüngste ist erst zehn Jahre alt, will ihre Familie nach ihrem Ableben nicht unversorgt wissen und hat in Wirklichkeit für ihren Mann Mustafa Ayse als Zweitfrau bestimmt.

Der Auftakt zur Hochzeitsnacht von Ayse und ihrem Schwiegervater, die kurz zuvor noch mit Hasan und Fatma in einem Raum waren, inszeniert Dag beklemmend. Die ganze Familiensituation gerät aus den Fugen. Vor allem Fatmas Töchter, die fast so alt sind wie die 19-jährige Ayse, wollen das Spiel nicht mitspielen. Sie sind im Westen aufgewachsen und reagieren vor allem Ayse gegenüber aufmüpfig.

Dag wählt eindringliche Bilder und Momente, um die Beziehungen der Personen untereinander zu verdeutlichen. Besonders markant ist es, wenn Ayse Mustafa erzählt, dass sie schwanger ist, und dieser das Mädchen auf die Stirn küsst und danach lange liebevoll seiner Frau tief in die Augen blickt. Ayse pflegt die unter der Chemotherapie leidende Fatma fürsorglich. Die Schwiegermutter ist überzeugt, richtig gehandelt zu haben, doch dann geht ihr Plan nicht auf, denn statt ihren Tod hat die Familie ein anderes Ableben zu beklagen.

Die Beerdigungsfeier in Anatolien bietet einen perfekten Überraschungsmoment. Von nun an läuft nichts mehr wie erwartet. Unter anderem damit Hasan weiterstudieren kann, bietet sich Ayse an, arbeiten zu gehen.

Ihre inzwischen geborene Tochter wird fortan von der genesenen Fatma betreut, wenn Ayse im türkischen Supermarkt in Wien Geld verdient. Da Hasan ihre Annäherungsversuche ignoriert, ist die junge Frau für die Avancen ihres Kollegen Osman empfänglich und es kommt wieder zu einem dramaturgischen Höhepunkt: Fatma will die sonst treue Ayse vernichten, aber ihre eigenen Kinder begehren gegen das von der Mutter inszenierte Theater auf.

Der Regisseur sieht seinen Film jedoch keineswegs als Anklage bezüglich der mangelnden Integrationsbereitschaft von Türken. „Ich denke“, so Dag in einem Interview, „diese Geschichte könnte auch in einem Tiroler Bergbauerndorf geschehen. Nicht mit einer Zweitfrau, aber mit einer jüngeren Frau, die einheiratet. ,Kuma‘ ist eine Familiengeschichte, wo verschiedene Wertvorstellungen zusammenkommen. Eine chinesische Familie, die vor 30 Jahren nach Wien gekommen ist, wird ähnliche Probleme mit den Generationen kennen. Es ist ein prinzipielles Thema, das Zuwanderung mit sich bringt, aber kein kulturspezifisches Phänomen.“

Da „Kuma“ mit dem Thema Zweitfrau ein Randproblem aufgegriffen hat, dient er nicht unbedingt als Grundlage für Debatten um Integration. Was Dag ganz gezielt geschaffen hat, ist ein dramatisches Kunstwerk, das nur wenig grundsätzliche Gesellschaftskritik in sich birgt. Trotzdem ist der Film unter künstlerischen Gesichtspunkten durchaus sehenswert. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren