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19.10.13 / Sachsens Trakehnen / Im Gestüt Graditz bei Torgau lebt das ostpreußische Erbe der Pferdezucht erfolgreich weiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-13 vom 19. Oktober 2013

Sachsens Trakehnen
Im Gestüt Graditz bei Torgau lebt das ostpreußische Erbe der Pferdezucht erfolgreich weiter

Dem im Jahr 1686 gegründeten Gestüt Graditz ist es mit zu verdanken, dass nach dem Krieg die traditionsreiche Trakehnerzucht in den neuen Bundesländern nicht zum erliegen kam. Das zu DDR-Zeiten größte Vollblutgestüt hat zahlreiche bedeutende Vererber hervorgebracht und erstrahlt heute in neuem Glanz.

Es ist eine der ältesten Gestütsanlagen Deutschlands und inzwischen wohl wieder eine der schönsten: Das Sächsische Hauptgestüt Graditz nahe Torgau erstrahlt in altem Glanz und zeugt von der Hochachtung, die den meist hoch im Blut stehenden Pferden hier seit jeher entgegengebracht wird. Kaum erstaunlich daher, dass die Geschichte des Gestüts eng mit der ältesten deutschen Reitpferderasse, den Trakehnern, verbunden ist.

Eingebettet ist die weitläufige Anlage rund um das von August dem Starken erbaute Barockschloss in die liebliche Elbauenlandschaft. Während der jüngsten Hochwasserkatastrophe hat sich der Fluss allerdings von seiner unbezähmbaren Seite gezeigt. „Viele unserer Wiesen und der Sommerstall standen unter Wasser, Zäune wurden zerstört“, bedauert Gestütsleiter Steffen Bothendorf. Doch auch dieses Ungemach wird das Gestüt überstehen, wie so viele in der Geschichte.

Vor 327 Jahren erstmals urkundlich erwähnt, wurden hier stets Pferde für das Militär, die Jagd, den Einsatz vor dem Wagen, die Veredelung der Landpferdezucht und später auch für die Rennbahn wie auch für den Dressur-, Spring und Vielseitigkeits-Sport gezüchtet. „Blut ist der Saft, der Wunder schafft“, ließ Oberlandstallmeister Georg Graf von Lehndorff Ende des 19. Jahrhunderts ehrfurchtsvoll auf die Stirnseite des Stutenstalles schreiben. Und sein Enkel, der Arzt und Autor Hans Graf von Lehndorff, der seine Kindheit in Graditz verbrachte, notierte Jahrzehnte später, noch immer tief beeindruckt eingedenk der kongenialen Symbiose von Mensch, Tier und Natur an diesem Ort: „In Graditz kann es fast schon als befremdlich betrachtet werden, wenn da Leute sind, die nicht mit ganzer Seele an den Pferden hängen.“

Während die Herrscher wechselten und Kriege nicht nur die Grenzen verschoben, sondern auch empfindliche Lücken im Pferdebestand hinterließen, hatte die Passion für die Zucht edler Pferde Bestand. War Graditz zunächst Kurfürstlich-Sächsisches Hofgestüt, firmierte es nach dem Wiener Kongress 1815 als Königlich Preußisches Hauptgestüt, von 1949 an als Volkseigener Betrieb der DDR und seit der Wende als Hauptgestüt der Sächsischen Gestütsverwaltung. Ein Schwerpunkt war und ist die Zucht von Halb- und Vollblütern, aber auch Trakehnerpferde werden hier gezüchtet.

Heute werden im Hauptgestüt, das sich wie das Landgestüt Moritzburg im Besitz des Freistaats Sachsen befindet, vor allem das Deutsche Sportpferd (zirka 60 Stuten) sowie das Englische Vollblut gezüchtet (letzteres separat unter privater Regie). Die traditionsreiche Trakehnerzucht wird im kleineren Rahmen mit fünf Stuten und einem (Pacht-)Hengst fortgesetzt.

„Bereits im September 1944 waren 29 Zuchtstuten, zwölf Hengste und zahlreiche Jungpferde aus Trakehnen per Bahn nach Graditz evakuiert worden“, erzählt Gestütsleiter Bothendorf, darunter der berühmte Deck-hengst Pythagoras. In den Wirren des Kriegsendes konnten jedoch nur die wenigsten Tiere noch weiter in Richtung Westen gerettet werden, die meisten fielen den Russen in die Hände. Nach 1945 kam der Betrieb zunächst völlig zum Erliegen.

Nichtsdestotrotz konnte in Graditz 1949 die Trakehnerzucht wieder aufgenommen werden und zählte 1960 bereits 20 Mutterstuten. Doch nicht nur die Pferde sorgten dafür, dass das ostpreußische Erbe hier fortlebte. „Zusammen mit ihren Tieren waren 1944 immerhin 26 Gestütsbedienstete aus Trakehnen nach Graditz gelangt, von denen viele hier eine neue Wirkungsstätte fanden“, berichtet Bothendorf. Von ihrem profunden Erfahrungsschatz habe das Gestüt lange profitiert, und manches wirke bis heute fort: „Dazu zählt die preußische Akkuratesse – auch wenn wir inzwischen wieder sächsisch sind!“

Zu den Trakehner-Eigenschaften, die den Unterschied zu den übrigen Sportpferderassen ausmachen sollen, zählt der „Blutpferde-Überguss: Rahmen, Kaliber und Knochenstärke der Trakehner oft etwas leichter, erläutert der Gestütsleiter. Doch auch beim Pferd kommt es letzt-endlich auf die inneren Werte an. „Konstitutionelle Härte und eine besondere Leistungsbereitschaft sollte ein Trakehner mitbringen“.

Seit den 1990er Jahren ist die lange baulich vernachlässigte Gestütsanlage nach und nach zu neuer Blüte erwacht. Das 1725 von Hofbaumeister Daniel Pöppelmann ge­schaffene Schloss, heute wie einst Sitz der Gestütsverwaltung, ist inzwischen saniert, ebenso wie das im­posante Torhaus, die denkmalgeschützten Stallungen, die Reithalle und der historische Park. Dort bieten die baumum-standenen „Paddocks“ den Stuten und ihren Fohlen ausreichend Grünfutter und Auslauf.

Schlendert man weiter Richtung Elbe oder lässt sich dorthin mit einem Gestütsgespann kutschieren, kann man mit Glück einen Anblick erleben, der sich auch bei Graf Lehndorff ins Gedächtnis gebrannt hat: „Ich sehe noch vor mir, wie die dreijährigen Halbblutstuten an einem Sommerabend in gestrecktem Galopp von der Weide zurück­kehren, beim Überqueren des Dammes den ganzen Staub des Jahres aufwirbelnd und in einer Wolke ertrinkend.“ Silke Kasten


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