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26.10.13 / Eine Geschichte, bald zwei Stimmen / Nachdem mehrere Burschenschaften den Dachverband verlassen haben, suchen beide Seiten nun einen Neuanfang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-13 vom 26. Oktober 2013

Eine Geschichte, bald zwei Stimmen
Nachdem mehrere Burschenschaften den Dachverband verlassen haben, suchen beide Seiten nun einen Neuanfang

Es rumort in der burschenschaftlichen Szene. Denn die Deutsche Burschenschaft (DB), der größte und traditionsreichste burschenschaftliche Dachverband, steht seit letztem Jahr an einem entscheidenden Scheideweg.

Rund 35 Bünde haben seit dem richtungsweisenden außerordentlichen Burschentag im November letzten Jahres den Dachverband verlassen. Darunter viele Burschenschaften, die gemeinhin als besonders liberal gelten. Einige dieser Bünde versuchen nun, einen neuen Dachverband auf die Beine zu stellen. Er soll ein liberales und „modernes“ Gegenstück zur DB werden. „Spiegel Online“ titelte nach der letzten großen Austrittswelle aus der DB provokant: „Rechte Ideologen haben den Bruderkampf in der Deutschen Burschenschaft gewonnen.“ Von einem „Putsch der völkischen Burschenschafter“ war dort die Rede.

Dieser Tage, rund ein Jahr nach dem entscheidenden Burschentag in Stuttgart, verkündete die DB in einer Pressemeldung stolz den Gewinn der Franz-Dinghofer-Medaille, die der aktuellen DB-Vorsitzenden, der Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia, im österreichischen Parlament stellvertretend überreicht wurde. „In der Begründung wurden die Verdienste der Deutschen Burschenschaft um die Demokratie hervorgehoben“, heißt es in der Pressemeldung der DB. Doch wie passen eine solche Ehrung durch den österreichischen Staat, Verdienste um die Demokratie und ein sogenannter „Putsch der völkischen Burschenschafter“ zusammen?

In den vergangenen Jahren waren es vor allem die negative Öffentlichkeitsarbeit und der mediale Druck, die dazu führten, dass viele Burschenschaften harsche Kritik an ihrem eigenen Dachverband übten und einen klaren Richtungswechsel sowie weitgreifende Reformen forderten. Die großen Änderungen blieben jedoch aus. Für viele Bünde wurde die Dachverbandsfrage zur inneren Zerreißprobe. Zuletzt hieß es dabei oft Aktivitates gegen Altherrenschaft, jugendliche Befürworter gegen gesetzte Kritiker. Innerhalb der DB kam es besonders in den letzten Jahren immer mehr zu einer Lagerbildung, die konstruktive und zielgerichtete politische Arbeit praktisch unmöglich machte. Der sogenannte rechte Flügel, oft gleichgesetzt mit der Interessengemeinschaft „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ (BG), sah sich dabei den vermeintlich Liberalen, der „Initiative Burschenschaftliche Zukunft“ (IBZ), gegenüber. Gegenseitige Schuldzuweisungen wurden getätigt, persönliche Streitigkeiten auf dem Rücken des Dachverbands ausgetragen und aufkochende Emotionen beidseitig für Stellvertreterkriege instrumentalisiert.

Spätestens seit dem Burschentag 2012 in Eisenach war klar, dass ein gemeinsamer Konsens in den entscheidenden burschenschaftlichen Fragen nicht zu erreichen ist. Zu unterschiedlich sind die grundsätzlichen Meinungen, zu kontrovers das Verhältnis zu Themen wie Abstammung, Vaterland, Extremismus und Meinungsfreiheit. Entzündet hatte sich die Debatte einst am asiatischen Burschenschafter Kai Ming Au, der durch seinen Bund Hansea Mannheim trotz seiner eindeutig außereuropäischen Abstammung Mitglied des Dachverbands wurde. Die Abstammungsdebatte, rund um den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff, kam wieder ins Rollen. Viele weitere empfindliche Diskussionen wurden in der Folgezeit in die Öffentlichkeit getragen und von den großen Leitmedien gnadenlos ausgeschlachtet. Der jüngste Skandal war dabei die Debatte um den Schriftleiter der „Burschenschaftlichen Blätter“, Norbert Weidner, der in einer internen Bundeszeitung seiner Burschenschaft die Verurteilung von Dietrich Bonhoeffer „rein juristisch“ als gerechtfertigt bezeichnete. Eine Meinung, die man als Burschenschafter durchaus kontrovers vertreten kann, die in der Öffentlichkeit jedoch nichts zu suchen hat. Der Skandal um Weidner brachte das Fass schlussendlich zum Überlaufen, auch wenn es sich bei der verbandsinternen Debatte zu einem Großteil um einen klaren Stellvertreterkrieg handelte.

Ob Norbert Weidner und Diet-rich Bonhoeffer oder eben Kai Ming Au, die ewige Debatte um Meinungsfreiheit und Abstammung, sie alle gehören innerhalb der DB der Vergangenheit an. Denn die Deutsche Burschenschaft ist geschrumpft. Gesundgeschrumpft? Oder schlichtweg bedeutungslos geworden? Der vergangene Burschentag 2013 machte jedenfalls Hoffnung. Es geht vorwärts im Dachverband. Wenn auch auf Kosten vieler schmerzlicher Austritte und einer bleibenden finanziellen Unsicherheit für die Zukunft. Kontroverse Dis-kussionen werden auch zukünftig die Burschentage in Eisenach prägen, doch diese werden in den kommenden Jahren auf einem grundsätzlichen Konsens gemeinsamer Werte ausgetragen, die eine konstruktive politische Arbeit ermöglichen. Doch auch außerhalb der DB passiert etwas. Anfang Oktober trafen sich Vertreter der IBZ und einiger dachverbandsfreier Burschenschaften in Jena, um bei den „Jenaer Deutschland-Gesprächen“ die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für einen möglichen neuen Dachverband zu sondieren. Ob aus diesen Arbeitsgruppen und Gesprächsrunden tatsächlich ein neuer, dazu schlagfertiger Dachverband hervorgeht, ist bisher nicht sicher. Taugen könnte er vor allem dazu, den vielen Burschenschaften eine Heimat zu bieten, die sich aktuell nirgends wirklich Zuhause fühlen, jedoch die Arbeit in einem Dachverband nicht missen wollen. Philip Stein


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