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26.10.13 / Mit Volldampf in die Zukunft / Vor 175 Jahren, am 29. Oktober 1838, wurde die Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Potsdam eröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-13 vom 26. Oktober 2013

Mit Volldampf in die Zukunft
Vor 175 Jahren, am 29. Oktober 1838, wurde die Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Potsdam eröffnet

Mit der Berlin-Potsdamer Eisenbahn waren die Preußen wieder einmal im Spitzenfeld präsent: Die Berlin-Potsdamer Eisenbahn war erst die zweite deutsche Bahnverbindung überhaupt.

Das Eisenbahnfieber, das der Brite George Stephenson mit dem Bau der ersten Dampflokomotive 1814 ausgelöst hatte, erfasste auch einen Preußen. Der Berliner Privatunternehmer Stubbe war von dem neuen Verkehrsmittel zum Transport von Reisenden und Waren fasziniert. 1833 ersuchte er das Berliner Ministerium um „ein Privilegium zu Errichtung einer Dampfwagenfahrt“. Die Bahnlinie sollte von Halle über Berlin nach Breslau führen. Die Mittel für den Bau der Trasse, für Tunnel und Brücken, sollten durch die Vergabe von Aktien aufgebracht werden. Vorbild war die 1835 eröffnete Eisenbahnlinie Nürnberg–Fürth. Doch das Ministerium winkte ab, auch als Stubbe sein Projekt auf die Strecke Berlin–Potsdam reduzierte. Ihm blieb zuletzt nur noch die Rolle des Ideengebers, denn den Auftrag erhielten nach langem hin und her der Justizkommissar

J. C. Robert und der millionenschwere Bankier L. Arons. Sie warben Aktionäre und gründeten die Berlin-Potsdamer Eisenbahngesellschaft. Die „Friedrich-Wilhelms-Bahn“ sollte von Potsdam über Zehlendorf und Steglitz bis zur heutigen Potsdamer Brücke in Berlin fahren.

Konkurrenten und Bedenkenträger liefen Sturm gegen die Pläne. Einer der Hauptgegner war die Post, die ihr Transportgeschäft mit Wagen und Pferden bedroht sah. Die „Verwaltung für Handel, Fabrikation und Bauwesen“ zog die Rentabilität einer Bahnlinie in Zweifel. Ein kluger Schachzug ließ die Gegner schließlich verstummen. Robert verpflichtete sich, die Bahn nach 60 Jahren mit Gewinn an den König zu übergeben. Das mag Friedrich Wilhelm III. überzeugt haben. Denn er „sehe keinen Vorteil darin, eine Stunde früher in Potsdam“ zu sein, soll er zunächst ablehnend geknurrt haben. Die Ängste im Volk vor den „rasenden Dampfrössern“ waren auch nicht leicht auszuräumen. Man fürchtete sich davor, im Rausch der Geschwindigkeit den Verstand zu verlieren, am Qualm zu ersticken oder sich zumindest durch den Fahrtwind eine Lungenentzündung einzufangen.

Fahrzeuge und Schienen wurden in England bestellt. Die Firma Stephenson in Newcastle lieferte sechs Lokomotiven. Die Strecke zwischen Potsdam und Berlin war 26,36 Kilometer lang und zunächst eingleisig geplant. Vorausschauend erwarb die Eisenbahngesellschaft genügend Gelände für ein zweites Gleis. Nach dem Baubeginn am 10. August 1837 gingen die Arbeiten im Tempo der neuen Zeit voran. Bereits 14 Monate später war die Trasse fertig.

Am 29. Oktober 1838 wurde die Gesamtstrecke eröffnet. Um 12 Uhr ertönte das Signal zum Einsteigen, und die beiden Lokomotiven „Pegasus“ und „Iris“ setzten sich mit elf Waggons im noch nicht fertig gestellten, blumenumkränzten Berlin-Potsdamer Bahnhof in Bewegung. Prinzen, Minister und andere hochgestellte Persönlichkeiten fuhren durch eine jubelnde, Hüte schwenkende Menschenmenge. Die „Vossische Zeitung“ berichtete ebenso euphorisch wie minutiös über das Ereignis:

„Die freudigste Theilnahme war auf allen Zügen zu lesen. Mit der Uhr in der Hand beobachtete man die Schnelligkeit der Bewegung. Nach der Beobachtung des Ref. (des Referenten der Zeitung, d. Red.) wurden die einzelnen Stationen in folgender Weise erreicht: Die ersten Häuser Schönebergs in fünf, die letzten in zweieinhalb Minuten; der dort befindliche große Bergdurchstich wurde in 80 Sekunden zurückgelegt. Hinter denselben wurde die Bewegung bedeutend schneller. Steglitz war in fünf, Zehlendorf in siebeneinhalb Minuten erreicht. Dort wurde die Thätigkeit der Bewegung gehemmt, welches eine Minute wegnahm; Kohlhasenbrück wurde demnächst in 12,5, Nowawes in vier, die Grenze des Bahnhofes zu Potsdam in drei Minuten erreicht, und noch etwa zwei Minuten (nicht ganz) verstrichen, bis der Zug hielt. So war denn die eigentliche Fahrt in 40 Minuten zurück-gelegt worden, und 42 Minuten dauerte es, bis die Maschine feststand … Dank und Heil denen, welche mit Eifer und Muth vorangegangen sind. Jetze, nach langen Mühen und oft mit Undank gelohnten Bestrebungen sehen sie sich am Ziel. Möge nun die Zukunft ihren Erwartungen entsprechen; wir unsrerseits haben den festen Glauben, daß sich dieselben auf die glänzendste Weise erfüllen werden.“

In ordnungsliebenden Preußen wurden für die neue Errungeschaft der Technik entsprechende „Anordnungen zur Benutzung der Bahn“ erlassen: „Der Ort, wo die Wagen stehen, ist dem Publikum bis zehn Minuten vor der zum Abgange bestimmten Stunde geschlossen. – Um diese Zeit wird der Verschluß geöffnet und dies durch einmaliges Läuten einer Glocke angedeutet. Es treten hierauf die mit einem Billet zur nächsten Fahrt versehenen Personen ein, und nehmen nach Anweisung der die Aufsicht führenden Wagenmeister und Wärter ihre Plätze in den Wagen ein. Nach fünf Minuten, also fünf Minuten vor dem Abgange, wird zum zweiten Male geläutet, um die etwa noch zurück­gebliebenen Reisenden auf die Abfahrt aufmerksam zu machen.“

Trotz dieser Fürsorge gab es Un-zulänglichkeiten. Passagiere klag-ten über schmutzige Bänke, Ein-regnen durch die Dächer und Ver-spätungen. Und trotzdem sollte der Referent der „Vossischen Zeitung“ Recht behalten: Die Bahnlinie wurde ein riesiger wirtschaftlicher Erfolg. Die 1845 gegründete Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft führte die Strecke bis nach Magdeburg fort. 1880 ging die Gesellschaft an die Preußische Staatsbahn über. Klaus J. Groth


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