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26.10.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-13 vom 26. Oktober 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es ist kalt geworden, der späte Oktober zeigt sich nicht gerade von seiner goldenen Seite, und man bereitet sich auf den Winter vor. Allerdings brauchen wir keine intensive Vorratswirtschaft zu betreiben, die wir Älteren noch aus unserer Kindheit kennen, und die war gerade in Ostpreußen wichtig, wo die Winter kalt und lang waren. Unsere Leserin Frau Eva Droese, die uns so liebevolle Erinnerungen an ihre Kinderzeit in Balga zusandte, von denen wir einige schon auf unserer Familienseite brachten, schrieb nicht nur über ihre Sommerfreuden am Frischen Haff, sondern schilderte auch die schwere Arbeit, die im Herbst zu bewältigen war. „Kartoffeln und Rüben mussten eingebracht und sorgsam für die Winterzeit eingelagert werden. Damals war die Technik noch nicht so weit fortgeschritten, und auf dem Lande musste für Winter und Frühjahr vorgesorgt werden. Große und tiefe Mieten wurden gegraben und die Erdfrüchte mit Stroh und Erde zugedeckt. Wenn man bedenkt, dass diese Art der Vorsorge bei unseren tiefen Minusgraden ausreichend war, so wird man heute doch nachdenklich und ahnt, welche Arbeit da geleistet wurde. Aber auch im Haus wurde Vorsorge für die kalten Monate getroffen, wenn es so kalt oder stürmisch war, dass man keinen Hund vor die Türe jagen wollte. Mohrrüben wurden in weißen Sand gelegt, Sauerkohl gestampft und in Fässern gelagert, es wurde geschlachtet, gepökelt und geräuchert. Und damit der große Kachelofen tüchtig bullerte und das Herdfeuer nicht ausging, musste genügend Brennmaterial besorgt werden. Fast vor jedem Haus in Balga standen säuberlich zu Kleinholz geschlagene und geschichtete Holzkegel. Festes Feu-erungsmaterial wie Kohlen und Briketts wurden vom Kohlenhändler aus Heiligenbeil geholt. Auch die Gänse und Enten mussten ihr Leben lassen, und die Düfte aus der Küche versprachen leckere Gerichte, an denen die ostpreußische Speisekarte so reich war.“ Ja, wer denkt da nicht an Spickgans und Griebenschmalz und Entenbraten mit Äpfelchen und Majoran!

Aber wenn wir von Kälte sprechen, denken wir vor allem an warme Kleidung. Und an diejenigen, die frieren müssen, wenn es an Mänteln, Jacken und wärmendem Zubehör fehlt. In den Vertriebenengebieten gibt es ja noch viele, vor allem alte Menschen, die auf Kleiderspenden angewiesen sind, die von hilfsbereiten Landsleuten gesammelt werden. Aber kommt diese zum Teil hochwertige Bekleidung auch immer in die richtigen Hände? Das fragte sich Frau Iris Hänsel-Gewitsch aus Ravensburg, als sie auf einer Heimatreise ein geradezu schockierendes Erlebnis hatte, das sie zu dieser Frage zwang. Die noch in Königsberg Geborene liebt ihre Heimat und forscht auf ihren Reisen nach den Spuren ihrer Vorfahren, die aus dem nördlichen Ostpreußen stammen. Wobei sie schon sehr erfolgreich war, denn einer ihrer Ahnen, der um 1685 wohl auf Gut Kissitten geborene Georg Dieterich heiratete 1716 in Groß-Legitten. Durch Mikroverfilmungen der Kirchenbücher konnte Frau Hänsel-Gewitsch ihren Stammbaum lückenlos zurück-verfolgen. Auch im vergangenen Jahr war Frau Iris mit ihrer Freundin, Königsbergerin wie sie, auf Spurensuche in diesem Gebiet unterwegs, und da sie im eigenen Auto reisten, konnten sie auch einsame, wenig befahrene Straßen benutzen. Zwischen Preußisch Eylau – Mühlhausen – Schulditten entdeckten sie bei Dollstadt/Vogelsang die Ruine einer ehemaligen Scheune, die aus einem durchlöcherten Dach und zwei Außenwänden bestand, und in der Berge von Bekleidung lagerten. Die war zum Teil sehr gut erhalten und zeigte noch Etiketten von bekannten Kaufhäusern und Fachgeschäften, an manchen Kleidungsstücken befanden sich Aufkleber einer chemischen Reinigung. Kleider, Wollsachen, Schuhe, Taschen lagen wahllos durcheinander, die unteren Textilien waren bereits verspakt und nicht mehr zu gebrauchen. Frau Hänsel-Gewitsch machte Aufnahmen von diesen der Verrottung preisgegebenen Kleiderbergen und begann nach der Rückkehr mit einer nun anderen Spurensuche, nämlich nach der Herkunft der Sachen, und so wandte sie sich im vergangenen November auch an uns. Nun war es kurz vor Weihnachten, die Spendenbereitschaft groß, und die hätten wir mit einer Veröffentlichung der Fotos vielleicht in Frage gestellt. Weitere Nachforschungen ergaben keine Hinweise und nun, nach einer erneuten Reise von Iris Hänsel-Gewitsch in die Region, sehen wir uns gezwungen, diese Angelegenheit unseren Leserinnen und Lesern vorzutragen, denn es hat sich noch nicht viel verändert, wie die Entdeckerin der möglicherweise fehlgeleiteten Spenden uns bestätigte. Als sie im Juni die verfallene Scheune erneut aufsuchte, war zwar der Kleiderberg etwas kleiner geworden, aber noch immer lagen Haufen von halbverschimmelten Textilien herum, die anscheinend nicht nur aus deutschen Quellen stammen, denn viele tragen Etiketten mit amerikanischen Firmennamen. Was wurde aus den verrotteten Kleidern, was wird aus den dort lagernden, nicht mehr tragbaren Textilien? Frau Hänsel-Gewitsch hat vor Ort herumgefragt, so bei der Verwalterin der Kirche von Mühlhausen und bei einem Bewohner des ehemaligen Pfarrhauses, aber vergeblich. Zwar ist ihnen die Lagerscheune nicht unbekannt, aber niemand konnte sagen, wem die Ruine gehört und wer die Kleider dort lagert. Diese kaum glaublichen Missstände müssen aber geklärt werden, denn sie treffen nicht nur potenzielle Spender sondern auch die wirklich bedürftigen Menschen im nördlichen Ostpreußen und können damit manche bestehende Hilfsbereitschaft unterbinden. Wurden die Hilfsgüter – ungewollt oder beabsichtigt − in falsche Bahnen gelenkt oder waren die Empfänger bei der Vergabe einfach überfordert? Frau Iris Händel-Gewitsch möchten wir unseren Dank für ihr Bemühen, die fehlgeleiteten Wege dieser Spenden aufzudecken, übermitteln und hoffen, dass diese missbrauchte Hilfsaktion wieder in die richtigen Gleise geleitet wird. (Iris Hänsel-Gewitsch, Hochgericht- Straße 22 in 88213 Ravensburg, Telefon 0751/91080.)

Manche Fragen, die an die Ostpreußische Familie gestellt werden, können wir ja bereits im Vorwege klären, ehe wir die noch weiter offen bleibenden an unsere Leser weiterreichen. Das betrifft auch die Anfragen von Frau Heide Kersey aus Florida, die dabei ist, ein Familienarchiv aufzustellen, was natürlich von den USA aus nicht ganz einfach ist, dazu von einer Angehörigen der dritten Generation. Denn die Hauptfrage betrifft ihren Großvater Max Kollat, den ehemaligen Bürgermeister von Lindenweiler, Kreis Tilsit-Ragnit. Nach der ersten Kontaktaufnahme konnten wir Mrs. Kersey aufgrund der in unserem Textarchiv enthaltenen Todesanzeige von Max Kollat bereits dessen Daten mitteilen, wofür sie sich umgehend bedankte. Nun geht es aber um weitere Fragen, die sich vor allem auf das Umfeld der Familie Kollat beziehen. Max Kollat und seine Ehefrau Gerda wohnten in dem kleinen Ort bis zur Flucht, die für das Ehepaar in Sperenberg endete. Ihre vier Kinder waren zu der Zeit bereits erwachsen, die beiden Söhne Rudi und Karlheinz sind in Russland verstorben oder vermisst. Die Töchter trugen durch Heirat andere Namen: Hanna Huebler geborene Kollat ist die Mutter von Heide Kersey, die sie leider nicht mehr befragen kann, denn auch diese lebt nicht mehr. Die jüngste Tochter, Dora Ruland, lebt 90jährig in einem Sanatorium in Kollerup und kann wahrscheinlich ihrer Nichte wenig über das kleine Lindenweiler mitteilen, das nicht einmal hundert Einwohner hatte. Trotzdem gibt Heide Kersey die Hoffnung nicht auf etwas über den Herkunftsort ihrer mütterlichen Linie zu erfahren und noch Menschen zu finden, die Max und Gerda Kollat kannten, nicht nur in Ostpreußen sondern auch nach der Flucht. Lindenweiler gehörte zum Kirchspiel Altenkirch, trotz der geringen Einwohnerzahl besaß der Ort sogar ein Gasthaus und eine Windmühle, dadurch wird der Kreis der möglichen Informanten erweitert. Auch über Rudi und Karlheinz Kollat möchte deren Nichte mehr wissen. Hier könnten auch ehemalige Kameraden helfen. Ganz besonders würde sich Mrs. Kersey über alte Fotos von Lindenweiler und Umgebung freuen – und hofft dabei insgeheim, dass es auch noch Aufnahmen von ihren Großeltern gibt, was durchaus möglich ist, da Max Kollat ja Bürgermeister war. (Mrs. Heide Kersey, PO Box 16655, Pensacola, Florida, USA, Telefon 850-492-0051, E-Mail: artmaus@att.net)

Bei der Erwähnung des Ortsnamens Sperenberg denken viele an Spremberg und manche emsigen Leser unserer Kolumne werden gestutzt haben: Da war doch was …! Ja, da war sogar etwas sehr, sehr Wichtiges im Ostpreußenblatt, nämlich die Suche nach einem ehemaligen Leser, der als „Wolfskind“ nach seiner Herkunft und seinem richtigen Namen geforscht hatte – allerdings vor 12 Jahren! Da sich jetzt unverhofft Leser gemeldet haben, die eventuell zur Klärung beitragen könnten, wobei sogar eine mögliche Verwandtschaft im Raum steht, suchten wir nach dem Mann und bekamen dank Mithilfe aus dem Leserkreis auch dessen jetzige Adresse heraus. Unsere erste Reaktion war: Gottseidank, er lebt noch! Mehr können wir im Augenblick nicht sagen, denn wir sind nur Weichensteller und möchten auf keinen Fall falsche Hoffnungen erwecken. Aber gespannt dürfen wir schon sein, wie sich die Angelegenheit entwickelt! Sobald wir etwas Konkretes wissen, werden wir darüber berichten.

Berichten wollte ich auch über die russische Wissenschaftlerin, die Informationsmaterial über die Staatliche Bernsteinmanufaktur Königsberg sucht, denn das heutige Bernsteinmuseum will das ehemalige Gebäude der Manufaktur übernehmen mit dem Ziel seiner Rekonstruktion – wie uns Frau Victoria Restschikowa per E-Mail mitteilte. Inzwischen habe ich mit ihr telefonisch gesprochen – es war ein langes und sehr intensives Gespräch, das von Seiten meiner russischen Partnerin in tadellosem Deutsch geführt wurde. Sie bedankte sich herzlich, dass wir uns dieser Angelegenheit annehmen, und teilte uns ihre Kontaktdaten mit: Rossija, Kaliningrad 236011, ul. Batalnaja 83−26, Victoria Restschikowa, Telefon 007-(4012) 392042, Handy 007-9062357046. Telefon Bernsteinmuseum 007-(4012) 466377.

Wie beglückende Verbindungen mit der verlassenen Heimat wieder zustande kommen können beweist der in Folge 41 veröffentlichte Bericht über die Einweihung der Gedenktafel in der Kirche von Coadjuthen. Die Stifter und Helfer haben sich darüber so gefreut, dass sie uns stehenden Fußes durch Herrn Günter Uschtrin ihren Dank übermittelten: „Mit großer Freude und Anteilnahme haben viele Coadjuther und Herr Dauskardt die wunderbare Berichterstattung in der PAZ gelesen. Ich habe den Artikel etwa 40mal im Lande verbreitet und möchte Ihnen im Namen der ganzen Coadjuther Gruppe meinen herzlichen Dank sagen für die Mühe und die prompte Veröffentlichung dieser erfreulichen Gedenktafel-Einweihung in unserer Kirche. Ganz nebenbei ist dadurch eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der neuen Kirchenleitung in Coadjuthen entstanden, weil eines unserer Mitglieder vor über fünfzig Jahren sein litauisches Abitur in Pogegen/Memelland gemacht hat und daher die litauische Sprache auch heute noch beherrscht. Das erleichtert die Zusammenarbeit ungemein“. Die sich hoffentlich noch weiter so erfreulich entwickeln wird wie bisher, was wir von Herzen wünschen.

Eure Ruth Geede


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