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26.10.13 / Es wird wieder an der (Bio-)Uhr gedreht / Ab Sonntag dürfen wir eine Stunde länger schlafen. Die Winterzeit beginnt – mit gewissen Nebenwirkungen für den Stoffwechsel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-13 vom 26. Oktober 2013

Es wird wieder an der (Bio-)Uhr gedreht
Ab Sonntag dürfen wir eine Stunde länger schlafen. Die Winterzeit beginnt – mit gewissen Nebenwirkungen für den Stoffwechsel

Alle Lebewesen verfügen über sogenannte „innere Uhren“, die die Körperfunktionen rhythmisch steuern. Dieser genetisch vorgegebene Mechanismus synchronisiert sich dabei mit der Umwelt – das Sonnenlicht ist der wichtigste „Zeitgeber“. Innere Uhren haben einen „vorausschauenden“ Charakter, das heißt, der Organismus „weiß“ bereits nachts, was am nächsten Morgen mit seinen Körperfunktionen passieren wird. Damit kommt den „inneren Uhren“ eine ganz wesentliche Rolle für eine der äußeren Umwelt angepassten zeitlichen Strukturierung der Körperfunktionen zu: Sie helfen allen Lebewesen, sich besser an die Umwelt anzupassen – und damit, besser zu überleben.

Alle Stoffwechselvorgänge im Körper sind also aufeinander abgestimmt und genau getaktet.

Kommt es nun zu einer Zeitverschiebung im Außen durch einen Wechsel der Normalzeit in die Sommerzeit, gerät unser soeben geschilderter Biorhythmus ganz empfindlich aus dem Tritt. Wie die Wissenschaftler in der Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ berichten, unterbricht die Zeitumstellung abrupt die Anpassung der inneren Uhr an die jahreszeitlich bedingte Varianz des Tag-Nacht-Wechsels und erlaubt ihr im Herbst erst viel zu spät diese wieder aufzunehmen. „Da die Inneren Uhren biologische Nervenstrukturen sind, lassen sie sich nicht umstellen wie eine Armbanduhr“, erläutert Björn Lemmer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim. Unsere innere Uhr gerät durch diese Umstellung im Außen unmittelbar aus dem Rhythmus und dem Gleichgewicht, und mit ihr unsere einzelnen Organzyklen.

Als Erstes zu merken sind die negativen Auswirkungen der Zeit­umstellung für alle von uns im Bezug auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Bei der Umstellung im Frühjahr von der normalen Zeit auf die Sommerzeit wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt. Das bedeutet: Stehen wir normalerweise am Morgen um sieben Uhr auf, ist jetzt es eigentlich erst sechs Uhr. Die Ausschüttung des Melatonin hat sich noch nicht umgestellt. Der Glukokortikoidspiegel ist niedrig. Unser Blutdruck und unsere Pulsfrequenz sind im Dunkel-Rhythmus. Uns fehlt die eine Stunde Schlaf. Wir sind müde, unkonzentriert und fühlen uns schlapp. Abends dagegen fühlen wir uns fit, obwohl es 23 Uhr ist und wir normalerweise um diese Zeit schlafen gehen. Aber unsere innere Uhr weiß genau: Es ist erst 22 Uhr.

Doch die geschilderten Schlafstörungen bilden nur eine der vielzähligen Folgeerscheinungen. Till Rönneberg, Professor am Institut für Medizinische Psychologie der LMU München, berichtet in seiner Chronobiologen-Studie von weiteren gesundheitlichen Auffälligkeiten im Zu­sammenhang mit der Zeitumstellung, wie zum Beispiel ein deutlicher Anstieg an depressiven Verstimmungen, Schwankungen der Herzfrequenz, Konzentrationsschwäche, Gereiztheit, Appetitlosigkeit und Verdauungsproblemen. „Das Argument, bei der Zeitumstellung handle es sich ‚nur‘ um eine Stunde, trügt, so Rönneberg. „Wir waren selbst überrascht, wie stark die Effekte sind. Es ist durchaus denkbar, dass die Zeitumstellung langfristig weit größere Auswirkungen hat als bisher geglaubt.“

Herausgefunden wurde von den Forschern unter anderem, dass sich die innere Uhr mit Hilfe des Tageslichts an den 24-Stunden-Rhythmus der Um­welt anpasst und dieses sogenannte Entrainment außerordentlich exakt läuft. Besonders wichtig ist dabei die Dämmerung, also der Wechsel von Tag und Nacht. Unser Schlafverhalten passt sich sogar dem zeitlichen Fortgang der Dämmerung von Osten nach Westen innerhalb einer Zeitzone an.

„Die innere Uhr passt sich auch genau an die saisonalen Veränderungen der Morgendämmerung an“, berichtet Rönneberg. „Im Winter ist sie auf spät, im Sommer auf früh gestellt. Diese minutiöse Anpassung wird jedoch durch die Zeitumstellung empfindlich gestört.“ Ferner gilt es zu bedenken: „Ganz generell darf man auch kleine Veränderungen in einem biologischen System nicht unterschätzen. Sie scheinen aus menschlicher Sicht trivial und haben dennoch – in größerem Zusammenhang gesehen – dramatische Auswirkungen.“

In vielen Arztpraxen klagen die Patienten nach der Zeitumstellung vermehrt über Symptome wie Müdigkeit, Leistungsschwäche, eine erhöhte Infektanfälligkeit und eine allgemeine An­triebsschwäche. Speziell bei den weiblichen Patienten, die keine hormonellen Kontrazeptiva einnehmen, setzt durch die zweimalige Uhrzeitverschiebung be­dingt die nächsten Folgemonate die Menstruation bis zu zehn Tagen später ein. Diese Zyklusverschiebung kann bis zu drei Monaten andauern. Des Weiteren tritt bei sehr vielen Frauen die Menopause früher ein.

Statistiken aus anderen medizinischen Quellen belegen, dass durch die Zeitumstellung zwischen achteinhalb und zwölf Prozent mehr Menschen einen Arzt aufsuchen, wobei die Anpassung an die Sommerzeit be­sonders schwierig ist. Die Einnahme von Schlafmitteln und Antidepressiva steigt in dieser Zeit deutlich an. Aufgrund von chronischer Müdigkeit steigt in den Wochen nach der Zeitumstellung die Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz sowie im privaten Bereich.

Eine schwedische Studie sowie Krankenhausdaten der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) belegen den Zusammenhang zwischen der Umstellung von der Normalzeit auf die Winter- oder Sommerzeit und einem 25 Prozent erhöhten Herzinfarkt-Risiko. Andere Länder wie zum Beispiel Russland haben nun bereits reagiert und seit Ende Oktober 2012 wieder die ganzjährige Beibehaltung der Normalzeit beschlossen. Die Verordnung der Zeitverschiebung bringt nachweislich negative Folgen mit sich. Hubertus Hilgers


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