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02.11.13 / »Vertrag zu Lasten Dritter« / Vor allem die SPD gefährdet mit der Einlösung ihrer Wahlversprechen die Existenz von Geringverdienern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-13 vom 02. November 2013

»Vertrag zu Lasten Dritter«
Vor allem die SPD gefährdet mit der Einlösung ihrer Wahlversprechen die Existenz von Geringverdienern

Schwarz und Rot ringen nur noch darum, wer wem etwas schenken darf und wie viel. Risiken und Kosten der Klientelbedienung werden ausgeblendet, die Wirtschaft ist entsetzt.

Der Wirtschaftsflügel der Union und ebenso die Wirtschaft selbst sind in höchster Alarmstimmung. Auch wenn bislang noch nichts beschlossen ist: Was sich in den Verhandlungen zur Großen Koalition abzeichnet, erscheint, so „Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy, wie ein einziger „Vertrag zu Lasten Dritter“.

Beide Seiten setzen auf kosten­trächtige Geschenke für bestimmte Teile ihrer Wählerschaft, denen sie besondere Zusatzleistungen versprochen haben, für die andere Gruppen oder (über Schulden) kommende Generationen die Zeche zahlen müssen. Dies belaste nicht bloß auf ungerechte Weise die Zahlmeister. Es gefährde auch die Zukunft des Landes und führe es zurück in die Zeit vor der „Agenda 2010“, als Deutschland als der „kranke Mann Europas“ bemitleidet oder verhöhnt worden sei, so die Kritiker.

Selbst der von der SPD ultimativ geforderte flächendeckende Mindestlohn, der scheinbar nur Gutes bringen soll, wird laut dem Wirtschaftsflügel der Union zahlreiche Opfer fordern. Vor allem Jugendliche und Geringqualifizierte dürften die Untergrenze von 8,50 Euro pro Stunde mit ihrem Job bezahlen, so die Warnung. Wissenschaftler fürchten, dass bis zu 1,2 Millionen Arbeitsplätze durch den Mindestlohn gefährdet wären. Derzeit verdienen gut 25 Prozent aller Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern weniger als 8,50 Euro. Viele von ihnen werden zwar von einem Mindestlohn profitieren, doch anderen droht der Jobverlust und das in Gegenden, in denen es kaum Jobalternativen gibt.

Der Vorsitzende der knapp am Einzug in den Bundestag gescheiterten AfD, Bernd Lucke, brachte die Problematik auf den Punkt: Entweder ist ein Mindestlohn zu hoch. Dann kostet er Arbeitsplätze. Oder er ist zu niedrig. Dann sei er faktisch wirkungslos.

Für Luckes Position, die beim Wirtschaftsflügel der Union wie in der Wirtschaft geteilt werden dürfte, sprechen sogar die Erfahrungen der von der SPD immer wieder angeführten Beispiele aus dem Ausland. 20 von 28 EU-Staaten hätten doch längst einen gesetzlichen Mindestlohn, ja sogar die „neoliberalen“ USA, streichen SPD-Politiker heraus.

Das Argument überzeugt nur so lange, bis man sich die Fakten näher angesehen hat. In Großbritannien liegt der Mindestlohn bei umgerechnet 7,45 Euro. Wer für diesen Lohn arbeitet, verdient selbst bei einer 40-Stunden-Vollzeitstelle netto nur geringfügig mehr als ihm als Hartz-IV-Satz mit Warmmiete und Krankenversicherung zustünde. Soll heißen: Er verharrt wie bisher an der Schwelle zum „Aufstocker“. In den USA liegt der flächendeckende Mindestlohn gar nur bei umgerechnet 5,25 Euro. Netto entspräche dies in etlichen Fällen nicht einmal dem Hartz-IV-Satz.

Anders in Frankreich: Hier liegt die Untergrenze heute bei 9,43 Euro, also fast einen Euro höher als der Satz, den die SPD für Deutschland anstrebt. Beim westlichen Nachbarn aber ist genau das eingetreten, was AfD-Chef Lucke für einen hohen Mindestlohn vorhersagt: Frankreich ächzt unter einer immer höher steigenden Arbeitslosigkeit.

Keiner der Akteure spricht indes einen anderen Aspekt an, der im Zusammenhang mit den kläglichen Löhnen besonders für Geringqualifizierte zentral ist: Jedes Jahr gelangen über unterschiedlichste Kanäle – vom „Asyl“ bis zur gepriesenen „Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU“ – Abertausende geringqualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland. Durch diese „Freizügigkeit“ sind hiesige Arbeitnehmer, und die Geringqualifizierten in ganz besonderem Maße, einem ständigen Konkurrenzkampf ausgesetzt, den sie kaum gewinnen können.

Der Mindestlohn soll diese mörderische Konkurrenz um den Geringstfordernden beenden, wird versprochen. In Wahrheit aber zeigen die Erfahrungen mit längst vorhandenen tariflichen Mindestlöhnen, wie leicht es in manchen Branchen ist, die Mindestzahlungen mittels unerfüllbarer Arbeitsnormen massiv zu unterlaufen. Der „gesetzliche Mindestlohn“ entlarvt sich als Feigenblatt, der das Versagen von Parteien und Gewerkschaften angesichts der (gewollten?) Zuwanderung von immer mehr Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt überdecken soll. Letztlich also dürfte der Mindestlohn scheitern wie nahezu alle Versuche, die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage per Gesetz auszuschalten.

Stur hält die SPD auch an ihrer Forderung nach einer „Reform“ der Grundsteuer fest. Sie bedeutet de facto eine drastische Erhöhung, nachdem die Grunderwerbsteuer von bundeseinheitlich zwei Prozent vor 20 Jahren ohnehin schon steigt und steigt: Am 1. Januar will Schleswig-Holstein als Spitzenreiter den Satz auf 6,5 Prozent anheben. Grund- wie Grunderwerbsteuern verteuern Wohnraum und treffen damit wiederum auch und besonders die untere Mittelschicht. Was als „Umverteilung zu Lasten der Besitzenden und zu Gunsten der sozial Schwachen“ propagiert wird, ist nichts als eine weitere Belastung breitester Schichten. Über die Mieten treffen solche Steuern schließlich auch Menschen ohne Immobilienbesitz.

Überhaupt keine Rolle scheinen bei den Koalitionsplänen die Unwägbarkeiten zu spielen, die Deutschland wegen der Verpflichtungen drohen, die Berlin in der Euro-Krise eingegangen ist. Für Hunderte von Milliarden Euro stehen die Deutschen hier ein. Das blenden Union und SPD offenbar vollkommen aus bei ihren Verhandlungen.

Selbst konjunkturelle Schwankungen in Deutschland werden nicht eingeplant. Union und SPD bauen fest darauf, dass es in den kommenden vier Jahren zu keiner Eintrübung der Wirtschaftsentwicklung kommen wird, sonst sind alle ihre Zahlen Makulatur.

Vom einst versprochenen Abbau von Altschulden hat man sich offenbar vollständig verabschiedet. Schlimmer: Obwohl der deutsche Fiskus dieses Jahr so viel Steuern einnimmt wie nie zuvor, gehen die angehenden Koalitionäre davon aus, dass es nur aufwärtsgehen kann mit den Steuereinnahmen. Diesen Leichtsinn werden kommende Generationen büßen. Hans Heckel


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