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09.11.13 / Berlins Westen brummt wieder / Bauboom an der Gedächtniskirche: Lange abgehängtes Zentrum der »Inselstadt« holt auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-13 vom 09. November 2013

Berlins Westen brummt wieder
Bauboom an der Gedächtniskirche: Lange abgehängtes Zentrum der »Inselstadt« holt auf

Es tut sich etwas im Westen Berlins. Alte Symbole des Inseldaseins geraten ins Wanken, so der Weltkugelbrunnen. Der Westen der Metropole, einstiges Schaufenster der alten Bundesrepublik und nach der Wiedervereinigung abgehängt, holt wieder auf. Investoren suchen Anlageobjekte. Eine Art Gründerstimmung West bricht an.

Der im Volksmund „Wasserklops“ genannte Weltkugelbrunnen am Breitscheidplatz steht laut dem zuständigen Bezirksstadtrat Marc Schulte (SPD) auf der Liste der zur Veränderung freigegebenen Bauwerke weit oben. Nach Umgestaltung zweier Seiten des Platzes stehe man nun im Diskurs mit Anrainern. Selbst der Abriss des Brunnens sei dabei „eine Option“, sagte der langjährige stellvertretende SPD-Landesvorsitzende (2004–2012).

Das 1983 errichtete rote, etwas abgesenkt stehende Granitbauwerk gehörte lange zum Kernbestand des West-Berliner Zentrums. Hier, in Charlottenburg-Wilmersdorf, pulsierte das Leben zwischen dem Kino „Zoo-Palast“, der gerade umgebaut wird und im Februar wieder die Berlinale beherbergen soll, und dem denkmalgeschützten Europa-Center, dem „Wahrzeichen mit Bummelfaktor“ (Eigenwerbung).

Doch inzwischen empfinden laut Schulte die Anwohner „das Loch neben dem Brunnen vor dem Eingang zum Europa-Center als störend“. Das West-Berliner Lebensgefühl pulsierte dort zwischen noblem Café Kranzler und bahnhofsnahem Beate-Uhse-Laden im „Leineweber-Haus“. Das traditionsreiche Café verkleinerte sich im Jahr 2000 und steht nun neben einem Hochhaus. Das Geschäft mit der Erotik steht jetzt ganz vor dem Aus. Das Leineweber- und das Aschinger-Haus an der Joachimstaler Straße zwischen Hardenberg- und Kantstraße werden abgerissen.

Mit den Bauten verschwindet auch das unfreiwillige Baudenkmal für den Architekten Dietrich Garski, der in West-Berlins Bauaffäre 1981 eine Schlüsselrolle spielte. Der in den 1970er Jahren begonnene düstere Gebäuderiegel Garskis, lange als Bausünde angesehen, weicht einer Neubebauung durch den US-Projektentwickler Hines. Büros in den oberen Geschossen und Geschäfte im Erdgeschoss ersetzen das Erotik-Museum und einen Gebrauchtkleidermarkt.

Viel Leerstand drückte auf den Standort in den vergangenen Jahren. Nun hat eine Erbengemeinschaft das rund 900 Quadratmeter große Grundstück des Leineweber-Hauses an den US-Investor verkauft. Medienberichten zufolge zahlten die Amerikaner rund 20 Millionen Euro. Was genau gebaut werden soll, steht indes noch nicht fest. Der Bebauungsplan lässt sechs Geschosse mit 22 Metern Traufhöhe zu.

Ob die aktuellen Investitionen allerdings in ein stimmiges Gesamtkonzept für das Gelände um den Breitscheidplatz und den Zoo münden, ist noch völlig offen. Hier sieht auch die Politik offenbar noch Nachbesserungsbedarf, jedenfalls rief Schulte die neuen Eigentümer dazu auf, „weiterzudenken“ als in den Grenzen des Bebauungsplans.

Das Gelände zieht derzeit als Investitionsort vor allem Hotels an. Das Hotel „Bikini-Berlin“ soll im Frühjahr fertig werden und befindet sich nach Angaben von Investor Bayerische Hausbau gerade im „Präsentations- und Vermarktungsprozess“. Das Unternehmen Bayerische Hausbau steht auch hinter der Umgestaltung des „Zoo-Palasts“ als gewagtes Großkino im Stil der 1950er Jahre mit sieben Sälen. Erst im Ok-

tober wurden für den Komplex des „Bikini Berlin“ neue Mieter angekündigt: Eine amerikanische Edel-Jeanskette und ein exklusiver Laden für Berliner Mode. Außerdem kommen italienische Schuhe und avangardistische Mode aus Pflanzenfasern sowie Trendmarken in die Ladenflächen.

Ganze 17000 Quadratmeter Geschäftsfläche soll allein das „Bikini“ beherbergen. Die Geschäfte von 19 bis zu 39 Quadratmetern sind für 1850 bis zu 3100 Euro im Monat zu mieten. Auch kurze Mietperioden sind vorgesehen. Dem neuen Chic zum Trotz orientiert sich das „Bikini“ ebenfalls an der Architektur der 1950er Jahre. Es ist nicht das einzige neue Hotel vor Ort. Das 118 Meter hoch geplante „Motel One Upper West“ der Strabag Real Estate soll schon 2016 eröffnen und 582 Zimmer der günstigeren Kategorie bieten.

Mit 50000 Quadratmetern umbauter Gesamtfläche markiert es laut einer Machbarkeitsstudie von Schollen Hotelentwicklung zukünftig den Eingang der Einkaufsmeile Kurfürstendamm. Die Finanzierung ist geklärt, das bisher den Standort belegende Schimmelfpeng-Haus bereits abgerissen – in Teilen bereits 2009, um Platz für das „Zoo-Fenster“ zu schaffen. Dort logiert das im Januar eröffnete Hotel „Waldorf Astoria“ mit 232 Zimmern der Luxusklasse.

Die Rohrer Immobilien GmbH, die den jüngsten Besitzerwechsel des „Leineweber-Hauses“ organisierte, stellte bereits vor gut einem Jahr klar, warum Berlin als Investitionsort so beliebt ist: Die Nachfrage vor allem ausländischer institutioneller Investoren übersteige das Angebot, unabhängig von steigenden Preisen. „In einem steigenden Markt diskutiert man nicht über Preise“, so das Unternehmen. „Diese Lage führe selbst Objekte „mit hohem Instandsetzungsbedarf oder anderen Besonderheiten in jedweder Lage zu guten Verkaufschancen“. Wie tragfähig ein solcher Anlage-Boom ist, bleibt indes abzuwarten. Sverre Gutschmidt


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