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09.11.13 / Der Kern ist faul / Athen: Reform des Staatsapparats auch nach Jahren der Krise nicht in Angriff genommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-13 vom 09. November 2013

Der Kern ist faul
Athen: Reform des Staatsapparats auch nach Jahren der Krise nicht in Angriff genommen

Noch immer ist ein Viertel der Beschäftigten in Griechenland direkt beim Staat angestellt. Doch das heißt noch lange nicht, dass er auch arbeitet. Vor Kurzem wurde bekannt, dass die Mehrheit der Mitarbeiter „elektronische Analphabeten“ sind, also nicht in der Lage sind, am Computer einfachste Aufgaben zu erledigen.

Wenige Sätze der Schlagersängerin Vicky Leandros in einer Talk-show genügten, um auch den deutschen Fernsehzuschauern das Dilemma um den öffentlichen Dienst Griechenlands zu verdeutlichen: „Wie Politiker dort gearbeitet haben, oder besser gesagt nicht gearbeitet haben, war schockierend. Beamte seien gekommen und gegangen, wie es ihnen gepasst habe, Faxe ins Ausland seien selbst in der Abteilung für Kultur und internationale Beziehungen verboten gewesen – man habe befürchtet, die Mitarbeiter könnten sie privat nutzen“, so Leandros Rückblick auf ihren kurze Karriere als Kommunalpolitikerin in Piräus.

Die geschilderte Mentalität der Beamten ist allerdings nur eines der Probleme. Griechenlands öffentlicher Dienst hat über die Jahre gewaltige Ausmaße angenommen. Bis jetzt steht ein Viertel der griechischen Beschäftigten auf der Gehaltsliste des Staates. Einem Bericht der Athener Tageszeitung „Ta Nea“ zufolge kann die Mehrheit der 607516 Angestellten im öffentlichen Dienst obendrein mit Fug und Recht als „elektronische Analphabeten“ bezeichnet werden. Fast sechs von zehn Staatsbediensteten haben keine Kenntnis von Textverarbeitung auf dem Computer. Knapp zwei Drittel der Mitarbeiter sind nicht in der Lage, eine E-Mail zu verschicken.

Der Befund ist kein Zufall: Über Jahrzehnte galt Griechenlands staatlicher Sektor als regelrechter Selbstbedienungsladen für Politiker: Sowohl der sozialistischen Pasok, als auch der Nea Dimokratia. Mandatsträger zeigten sich nach gewonnenen Wahlen bei ihren Unterstützern erkenntlich, indem ihnen Posten im Staatsdienst zugeschanzt wurden. Auf diese Weise wurden ganze Familienverbände versorgt. Entstanden ist so ein zu gewaltiger Beamtenapparat, mit einer hohen Zahl von eigentlich unqualifizierten Mitarbeitern. Der Rückbau dieses Bürokratie-Molochs ist das heiße Eisen, das im bisherigen Reformprozess mit gutem Grund nicht angepackt wurde. Die sogenannte Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat in Griechenland zwar so manches durchdrücken können, am mächtigen Beamtenapparat ist aber auch sie bisher gescheitert.

Zur Nagelprobe könnte es nun im Laufe der nächsten Monate kommen. Noch bis Ende 2013 sollen 25000 Angestellte im öffentlichen Dienst in einen „Mobilitätspool“ verlagert werden. Von dort aus sollen sie sich innerhalb von acht Monaten um eine neue Stelle in der Verwaltung bemühen. Falls ihnen das nicht gelingt, droht der Verlust des Staatsjobs.

Vor allem der Plan um den „Mobilitätspool“ birgt politischen Sprengstoff. Schon im September gingen Lehrer auf die Straße, gab es erste Streiks im öffentlichen Dienst. Ob die Regierung unter Ministerpräsident Antonis Samaras (Nea Dimokratia) bis zum Ende wirklich dabei mitzieht, Griechenlands Beamtenapparat zu verschlanken, ist fraglich.

Die Lage in Griechenland scheint sich wieder zuzuspitzen. In der Haushaltsplanung für 2014 hat sich erneut eine Finanzierungslücke aufgetan. Neues Geld oder ein weiterer Schuldenschnitt wurden von der Troika bisher aber ausgeschlossen. Eine weitere Sparrunde oder nochmalige Steuererhöhungen scheint die Regierung in Athen wiederum für politischen Selbstmord zu halten. Norman Hanert


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