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09.11.13 / Spagat sondergleichen / Hannelore Kraft versucht, den Industriestandort Nordrhein-Westfalen zu schützen und verärgert damit die Grünen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-13 vom 09. November 2013

Spagat sondergleichen
Hannelore Kraft versucht, den Industriestandort Nordrhein-Westfalen zu schützen und verärgert damit die Grünen

„Kohle-Kraft“ lautet der neue Spitzname der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, den ihr Umweltaktivisten im Rahmen der Koalitionsverhandlungen gegeben haben. Und auch im heimischen Landtag in Düsseldorf betrachtet der grüne Regierungspartner das Vorgehen der SPD-Politikerin mit Argwohn.

„Die SPD vertritt unsere Interessen besser als die Unionsseite.“ Dieses Lob vonseiten der Industrie ist einerseits eine schallende Ohrfeige für die CDU, die offenbar in den Koalitionsverhandlungen die Bedürfnisse der Industrie nicht sonderlich im Blick hat, andererseits lässt es aber auch die SPD in einem Zwielicht erscheinen, denn Arbeitgeberinteressen zu vertreten und somit die Kapitalisten zu unterstützen gehört nicht zu den klassischen Aufgaben der Sozialdemokraten.

Zu verdanken hat die SPD dieses mit gemischten Gefühlen zu betrachtende Lob Hannelore Kraft, der schon eine glänzende Zukunft an der Spitze der Partei vorausgesagt worden war, die aber wegen ihrer Positionen anlässlich der Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Energie mit Widerstand in den eigenen Reihen zu kämpfen hat. Kraft, die die Arbeitsgruppe zusammen mit Noch-Umweltminister Peter Altmaier (CDU) leitet, hatte gesagt, dass nur eine Energiewende, die keine Industriejobs koste, eine gute Energiewende sei. Auch müssten die Bedürfnisse der großen Stromkonzerne berück-sichtigt werden. Sogar von Subventionen für Kohle-Kraftwerke soll die Rede gewesen sein. Dafür gab es dann auch noch einmal prompt Lob vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Das linke Netzwerk Campact hingegen sprach sofort von „Klientelpolitik für die Kohlelobby“, die man nicht dulden wolle. Sofort wurde eine Unterschriftenaktion gestartet und eine Großdemo für den 30. November angekündigt. Umweltschutzorganisationen begrüßten Campacts Ansinnen und auch viele Anhänger der Grünen schließen sich der Kritik an. Dies wiederum bringt den Koalitionspartner von Kraft in Düsseldorf, die dort einer rot-grünen Regierung vorsteht, in Bedrängnis. Schon jetzt betrachten die Grünen Krafts Aktionen mit Argwohn. Daheim sorgt schon länger der Streit um das immer noch nicht ans Netz gegangene neue Kohlekraftwerk Datteln IV sowie der Ausbau des Braunkohletagebaus Garzweiler II für absolute Missstimmung. Zugleich bringt der im Koalitionsvertrag zugesagte Ausbau der Erneuerbaren Energien, deren Anteil an der Stromerzeugung bis 2025 auf 30 Prozent gesteigert werden soll, aber aktuell erst sieben Prozent erreicht sind, die Grünen bei den eigenen Wählern in Erklärungsnot. „Die Arbeitsplätze mit Zukunft entstehen ja gerade durch die Energiewende, in kleinen Unternehmen, im Handwerk und in der Forschung. Staatliche Hilfen für Energieriesen, die auf Atom und Kohle und damit auf ein schlechtes Geschäftsmodell setzen, kommen für Grüne nicht in Frage“, warnt NRW-Grünen-Chef Sven Lehmann gegenüber Kraft.

Die wiederum wird bedrängt von der energieintensiven Stahlindustrie und den Stromkonzernen Eon und RWE, die tausenden Nord-rhein-Westfalen Arbeit geben. Gleichzeitig erinnern die Kämmerer der Kommunen Kraft daran, dass sie in den letzten Jahren massiv in Gaskraftwerke investiert haben, die sich aber wegen den Folgen der Energiewende derzeit kaum rechnen. Und auch die Gewerkschaften, immerhin einmal eine Klientel, deren Interessen die SPD offen vertreten darf, weisen auf zu erwartende Jobverluste infolge der massiven Fehlentwick-lungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hin.

Allerdings kann Kraft bei den Koalitionsverhandlungen nicht auf Unterstützung aus den eigenen Reihen setzen. Denn mit am Tisch der Arbeitsgruppe ist auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Der ist zwar auch Sozialdemokrat, doch sein Bundesland profitiert enorm vom EEG, schließlich ist im Norden die Windkraftbranche ansässig, für die das EEG eine Art Gelddruckmaschine ist. Dafür bekommt Kraft Rückendeckung von CDU-Mann Armin Laschet. Der NRW-CDU-Chef kennt die Gemengelage in ihrem Bundesland. Doch Laschets Unterstützung schadet Kraft mehr, als dass sie ihr nützt. Und da im kommenden Mai NRW-Kommunalwahlen sind, kann sich Kraft ihren Feind nicht zum Freund machen.

Noch vor vier Wochen war Kraft überzeugt, nie in eine derartige Lage zu geraten, bei der sie zwischen allen Stühlen sitzt. Aus irgendeinem Grund war sie fest davon überzeugt gewesen, dass es in Berlin zu Schwarz-Grün kommt und hatte diese Ansicht auch überall verbreitet. Niemals würde sich die SPD noch einmal auf eine Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel einlassen, so Kraft. Auch freute sie sich schon, unter Schwarz-Grün ihr Machtpotenzial im Bundesrat voll ausnutzen zu können und dem Bund finanzielle Zugeständnisse aus dem Rippen zu pressen, denn die nordrhein-westfälische Finanzlage ist prekär und bedarf dringend weiterer Einnahmen. Doch stattdessen muss sie nun die ungeliebten Koalitionsverhandlungen mitführen und sich sogar von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt als „Schulden-Queen“, die nicht mit Geld umgehen könne, beschimpfen lassen. Zwar wurde Dobrindt auf Merkels Wink von Bundeskanzleramtschef Ronald Pofalla zurückgepfiffen, doch Kraft muss nun Positionen beziehen, die wiederum die heimische Regierung gefährden. Rebecca Bellano


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