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09.11.13 / Profitabler Fingerzeig / Albrecht Dürer setzte Maßstäbe – Eine große Ausstellung zeigt sein Genie als Künstler und Geschäftsmann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-13 vom 09. November 2013

Profitabler Fingerzeig
Albrecht Dürer setzte Maßstäbe – Eine große Ausstellung zeigt sein Genie als Künstler und Geschäftsmann

Der Nürnberger Albrecht Dürer (1471–1528) gilt als der größte deutsche Künstler aller Zeiten. Doch was macht das Besondere seiner Werke aus? Die Antwort darauf gibt eine attraktive Schau im Frankfurter Städel Museum.

In „Dürer. Kunst – Künstler – Kontext“ sind 190 Arbeiten Dürers ausgestellt. Sie veranschaulichen vom Gemälde über die Druckgrafik bis hin zu Entwürfen für Goldschmiedearbeiten, Deckenleuchter und Glasfenster die ganze Breite und Vielfalt seiner Ausdrucksmöglichkeiten. Ihnen sind etwa 60 Arbeiten seiner Vorgänger, Zeitgenossen und Schüler zur Seite gestellt. Das Besondere an Dürers Werken soll also deutlich werden durch den Vergleich mit Arbeiten seiner Künstlerkollegen. Ebenso werden die Anregungen offenbar, die ihm andere Meister vermittelten.

Die Schau ist chronologisch geordnet und weist dabei 14 thematische Abteilungen auf. Eine ist zum Beispiel Dürers langjährigem Streben nach der Darstellung idealer menschlicher Körperproportionen gewidmet. Ihren repräsentativen Ausdruck haben sie im Kupferstich „Adam und Eva“ (1504) gefunden. Trotz des bevorstehenden Sündenfalls sind die beiden Figuren in körperlicher Hinsicht Sinnbilder für den perfekten Menschen an sich.

Aber auch das Individuelle der Menschen wusste Dürer aus­drucks­voll ins Bild zu setzen. Das veranschaulichen seine Porträts, die sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung ziehen. Das früheste zeigt Dürers Mutter Barbara (um 1490) vor einfarbigem Hintergrund. Im „Bildnis der Elsbeth Tucher“ (1499) kommt Leben in die Szenerie. Die 26-jährige Patrizierin mit den markanten Wangenknochen und der prächtigen Haube steht vor einem Fenster mit Landschaftsausblick. Das „Bildnis ei­nes jungen Mannes“ entstand während Dürers zweitem Aufenthalt in Venedig 1506. Es greift die venezianische Porträttradition des Brustbildes im Dreiviertelprofil auf, die im Städel durch Giovanni Bellinis „Bildnis eines Venezianers“ (um 1500) belegt wird. Doch während Bellinis Venezianer einfach würdevoll aussehen soll, geht es Dürer um die Einfühlung in sein Gegenüber, dessen Augen einen Anflug von Beklommenheit verraten.

Bei den italienischen Künstlern genoss Dürer hohes Ansehen. Der Maler und Künstlerbiograf Giorgio Vasari urteilte 1568 in seinen Künstler-Viten: Mit den Apokalypse-Illustrationen ist Dürer „für viele unserer Künstler ein helles Licht gewesen ..., die sich dann der Überfülle und des Reichtums seiner schönen Phantasien und Erfindungen bedient haben“.

Die 15 Holzschnitte der Apokalypse, 1498 mitsamt dem Bibeltext der Geheimen Offenbarung des Johannes in Buchform herausgegeben, waren ein Verkaufsschlager, der Dürers Ruhm in kürzester Zeit in ganz Europa verbreitete. Die Holzschnitte setzen die Prophezeiungen von den dramatischen Vorgängen vor dem Ende aller Zeiten am Jüngsten Tag in packende, ausdrucksmächtig fantastische Bilder um. Auch in handwerklicher Hinsicht sind sie ein Meilenstein. Bis dahin wiesen Holzschnitte simple Konturlinien und schematische Schraffuren auf. Dürers Holzschnitte hingegen zeichnen sich durch ein die Eigenschaften und Volumina der Formen charakterisierendes An- und Abschwellen der Linien aus sowie durch die Dunkelheit markierende Verdichtung der Schraffuren, denen das weiße Papier als „Licht“ gegenübersteht.

Eine bis dahin einzigartige technische Virtuosität – gepaart mit einem fesselnd geheimnisvoll bleibenden Inhalt – hat auch seine drei „Meisterstiche“ berühmt gemacht. Allein die Bearbeitung der Kupferplatte für „Ritter, Tod und Teufel“ (um 1513) wird vermutlich mehrere Monate in Anspruch genommen haben.

Sein wohl aufwendigstes Projekt auf malerischem Gebiet war die für den „Heller-Altar“ (1507–1511) geschaffene Mitteltafel mit der „Himmelfahrt und Krönung der Jungfrau Maria“. Auftraggeber des Wandelaltars war der Frankfurter Kaufmann Jakob Heller. Die in Grautönen gemalten, im ge­schlossenen Zustand zu sehenden Bilder männlicher und weiblicher Heiliger sowie die nur teilweise erhaltene „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ steuerten Mathis Gothart Nithart, genannt Grünewald, sowie Werkstattmitarbeiter Dürers bei. Die vielfarbigen Flügelinnenseiten mit der Darstellung des Martyriums des Apostels Jakobus des Jüngeren und der heiligen Katharina von Alexandria sowie die beiden Stifterbilder darunter stammen von Dürer. Das Original von Dürers Mitteltafel ist nicht erhalten. Gezeigt wird eine Kopie, die Jobst Harrich im frühen 17. Jahrhundert malte.

Ausstellungskurator Jochen Sander berichtet: „Dürer schätzte die Mitteltafel außerordentlich hoch; er führte sie vollständig eigenhändig und mit besonderer Sorgfalt aus.“ Einen Eindruck von dieser Sorgfalt vermitteln die ne­ben den Altargemälden gezeigten Pinselzeichnungen wie der Kopf eines nach rechts blickenden Apostels, eine Gewandstudie für die Christusfigur oder die Füße eines knienden Apostels.

Einen seiner spektakulärsten Aufträge verdankte Dürer Kaiser Maximilian I.: die sogenannte „Ehrenpforte“ (1518/1519). Von Dürer, seinen Werkstattmitarbeitern und Albrecht Altdorfer ausgeführt, handelt es sich um den größten jemals geschaffenen Holzschnitt (3,5 mal drei Meter), gedruckt von 195 Holzstöcken auf 36 Papierbögen. Der mit den Pforten des Lobs, der Ehre und des Adels ausgestattete Triumphbogen sollte den Kaiser und das Haus Habsburg verherrlichen.

Maximilian I. hatte Dürer eine Rente von 300 Gulden versprochen. Als der Kaiser 1519 starb, zog Dürer zur Krönung des neuen Kaisers Karl V. nach Aachen, um sich von ihm den Rentenanspruch bestätigen zu lassen. Danach reiste Dürer mit seiner Frau Agnes weiter in die Niederlande. Es war ein einziger Triumphzug: holländische Künstlerkollegen sprachen bei ihm vor und Kaufleute veranstalteten Festbankette.

In Antwerpen tat sich der Sekretär einer portugiesischen Handelsniederlassung mit wertvollen Geschenken hervor. Dürer überreichte ihm sein Gemälde „Der heilige Hieronymus im Studierzimmer“ (1521) als Gegengabe. Es zeigt den über den Tod meditierenden Heiligen, der mit dem Zeigefinger auf einen Totenschädel weist. Das wurde als „Dürer-Geste“ berühmt – und von anderen Künstlern sogleich aufgegriffen, wie eine Zeichnung (1521) Lucas van Leydens und ein Gemälde (nach 1521) Joos van Cleves zeigen. Veit-Mario Thiede


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