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16.11.13 / Retter in Not / Zu dick, zu dumm, zu unsportlich: Berlins Feuerwehr geht der Nachwuchs aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Retter in Not
Zu dick, zu dumm, zu unsportlich: Berlins Feuerwehr geht der Nachwuchs aus

Obwohl in Berlin mehr als 200000 Menschen arbeitslos gemeldet sind, kann die Feuerwehr der Hauptstadt freie Stellen nicht mehr vollständig besetzen. Bis auf einen von 20 seien die Bewerber entweder zu unsportlich, zu dick oder zu ungebildet, klagen interne Quellen.

Eindeutiger kann ein Befund über Berlins Schulsystem kaum ausfallen. Von 60 freien Stellen konnte Berlins Feuerwehr in diesem Jahr nur 41 besetzen. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der Bewerber halbiert. Allerdings nicht nur das: Nur noch fünf Prozent derjenigen, die den Feuerwehrdienst antreten wollen, bringen überhaupt noch die erforderliche Eignung mit, um eingestellt zu werden. Der großen Masse der Möchtegern-Feuerwehrleute mangelt es an fast allem, was für den Dienst erforderlich ist.

Es hapert bei den Mathematik- und Deutschkenntnissen, die Bewerber sind zu unsportlich oder bringen zu viele Pfunde auf die Waage. Bei einem handwerklichen Test – der neben einer Sportprüfung auch zum Einstellungsverfahren gehört – sieht es nicht viel besser aus: Viele der Kandidaten können nicht einmal mit praktischen Fertigkeiten ihre Bildungsmängel oder Unsportlichkeit überdecken.

Von altgedienten Feuerwehrbeamten, die schon über einen längeren Zeitraum mit den Auswahltests zu tun haben, ist hinter vorgehaltener Hand außer von den aufgezählten schulischen und sportlichen Mängeln noch eine ganz andere Diagnose zu hören. Im Laufe der Jahre sei die Zahl der Bewerber gewachsen, die nicht nur erschreckende Defizite in der Allgemeinbildung aufweist oder bei denen es sich um die sprichwörtlichen sportlichen Nieten handelt. Ein beachtlicher Teil der Kandidaten könne inzwischen schlicht und ergreifend als dumm bezeichnet werden. Es mangele nicht nur an Bildung, sondern regelrecht an Intelligenz.

Die Ursachen der Nachwuchsmisere sind vielfältig. Bereits spürbar ist der demografische Wandel. Aufgrund des Geburtenrückgangs schrumpft die Menge derer, die dem Alter nach theoretisch in Frage kämen. Umso wichtiger wäre es allerdings, dass durch das Bildungssystem die abnehmende Zahl potenzieller Arbeitskräfte möglichst gut ausgebildet wird. Dabei versagt Berlins Bildungssystem allerdings in erschreckendem Maße. In Deutschlands „Hartz-IV-Hauptstadt“ scheint immer weniger garantiert, dass Absolventen nach dem Verlassen der Schule überhaupt fähig sind, eine Berufsausbildung anzufangen.

Im Rennen um geeignete Nachwuchskräfte hat das Land Berlin ohnehin die schlechteren Karten. Durch die Haushaltslage kann im Vergleich zu anderen Bundesländern nur eine wenig attraktive Besoldung geboten werden. Spürbar ist die bereits beim Ausbildungsentgelt für den Nachwuchs. Während Berlin nur 840 Euro Ausbildungsvergütung im Monat zahlt, locken andere Bundesländer mit bis zu 1400 Euro. Auch der spätere Arbeitslohn der Feuerwehrbeamten liegt bis zu 20 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Was die Feuerwehrleute in ihrem Beruf erwartet, dürfte im speziellen Fall von Berlin obendrein zusätzlich abschreckend wirken. Unterdurchschnittlich bezahlt ist Berlins Feuerwehr deutschlandweit diejenige mit den meisten Einsätzen. Die 3900 Feuerwehrleute der Hauptstadt sind im vergangenen Jahr mehr als 360000 Mal ausgerückt. Zu der schieren Zahl von Einsätzen kommen die Besonderheiten einer Großstadt unter multikulturellen Vorzeichen: Selbstmorde, „Ehrenmorde“, Drogentote und Opfer von schwerer Gewaltkriminalität sind hier Teil des Feuerwehralltags wie kaum irgendwo sonst. Wer über die Familie oder Bekannte bereits Einblick in die nervenaufreibende Feuerwehrarbeit hat, lässt oftmals gleich die Finger von einer Bewerbung.

Als wäre der Berufsalltag nicht schon belastend genug, kommt in der deutschen Hauptstadt noch ein weiteres Phänomen hinzu: Die Feuerwehr wird in einigen Stadtvierteln keineswegs immer als Helfer und Retter angesehen, sondern erstaunlich oft als Eindringling und Feind. Immer wieder kommt es vor, dass Feuerwehrleute bei ihren Einsätzen in türkisch und arabisch geprägten Wohnvierteln derart angefeindet und behindert werden, dass die Polizei für den Schutz der Feuerwehrleute bei deren Einsätzen sorgen muss.

Fehlendes Personal und der jahrelange Sparkurs werden inzwischen allerdings nicht nur für die Beamten, sondern auch für viele Bürger Berlins immer spürbarer. Die Feuerwehr schafft es bei Rettungseinsätzen in der Innenstadt in vielen Fällen nicht mehr, in maximal acht Minuten, am Einsatzort zu sein – so wie es eigentlich vorgesehen ist. Gelungen ist das Einhalten der Zeitvorgabe – die im Einzelfall über Leben und Tod entscheiden kann – im letzten Jahr nur noch in knapp 43 Prozent der Rettungseinsätze. Der Wert ist weit ab von der offiziellen Vorgabe von 75 Prozent im Innenstadtbereich.

Die von Innensenator Frank Henkel (CDU) inzwischen zugesagten 80 zusätzlichen Stellen sind für die geplagte Feuerwehr nur ein Tropfen auf den heißen Stein – und angesichts des Mangels an geeigneten Bewerbern gleichzeitig ein anspruchsvolles Ziel. Norman Hanert


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