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16.11.13 / Südeuropäer sind ausgeblutet / Hohe Arbeitslosigkeit sorgt dafür, dass Kreditraten und Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Südeuropäer sind ausgeblutet
Hohe Arbeitslosigkeit sorgt dafür, dass Kreditraten und Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können

Während Brüssel ein Ende der Rezession im Euro-Raum zu erkennen meint, sinkt Europa in Wirklichkeit immer tiefer in die Krise. Einer der Profiteure ist Russland, das in Griechenland und Zypern immer stärker seinen Einfluss ausbaut.

Bereits zum Jahresende erwartet EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn gute Nachrichten für die Euro-Zone. Es gebe „zunehmend Anzeichen, dass die europäische Wirtschaft einen Wendepunkt erreicht hat“. So wie Rehn reden sich mittlerweile auch die Regierungen in Madrid und Dublin, vor allem aber EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso die Lage schön. Insbesondere die Meldung der spanischen Zentralbank, dass Spanien seine mehr als zwei Jahre währende Rezession dank der boomenden Export- und Tourismusindustrie beendet habe, löste Jubel aus. In Zahlen scheint der Aufschwung allerdings so dürftig ausgefallen zu sein, dass er statistisch gerade noch messbar war. Das Bruttoinlandsprodukt zwischen Juli und September dieses Jahres ist voraussichtlich um 0,1 Prozent höher als im Vorquartal, so Spaniens Zentralbank.

Nicht nur das beigefügte „voraussichtlich“ lässt daran zweifeln, dass der gemeldete Mini-Aufschwung tatsächlich stattgefunden hat. Gerade was Zahlen angeht, ist bei allem, was aus Madrid gemeldet wird, inzwischen Vorsicht geboten. Quasi nebenbei hat Spaniens Zentralbank kürzlich etwa bisher nicht bekannte „faule“ Kredite im Volumen von über 20 Milliarden Euro aus dem spanischen Bankensektor „entdeckt“, so die Wirtschaftszeitung „El Economista“. Insgesamt wurden in Spanien Ende September damit Kredite in Höhe von rund 92 Milliarden Euro als Ausfall geführt. Innerhalb eines Jahres hat der Berg von nicht mehr bedienten Krediten damit rasant zugenommen: um 29 Prozent.

Mit seiner Erwartung bald eintreffenden guten Nachrichten dürfte Währungskommissar Rehn nicht nur im Fall von Spanien weitab jeglicher Realität liegen. In den kommenden Monaten ist stattdessen vor allem eines wahrscheinlich: Hiobsbotschaften aus der Euro-Zone. Insbesondere was die Zahlungsfähigkeit vom Otto Normalverbraucher“ angeht, sieht es nämlich nicht nur in Spanien mittlerweile zappenduster aus. Auf Italiens Straßen sind inzwischen geschätzte vier Millionen Pkw ohne Haftpflichtversicherung unterwegs. Nicht nur mit solchen Tricksereien halten sich immer mehr Italiener in der Krise über Wasser. 37 Prozent der jungen Italiener brauchen die finanzielle Hilfe der Eltern, um im Alltag über die Runden zu kommen, so eine Studie des Landwirtschaftsverbands Coldiretti.

Noch hoffnungsloser sieht die Lage vieler Griechen aus. Pro Tag bleiben in Griechenland mittlerweile Stromrechnungen in Höhe von vier Millionen Euro unbezahlt. Die Zahl der Firmen und Selbstständigen, die mit ihren Steuern im Verzug sind, ist auf über eine halbe Million gestiegen – im September waren insgesamt 39 Milliarden Euro an Steuerforderungen offen. Auch politisch spitzt sich die Lage inzwischen so weit zu, dass nicht einmal ein Bürgerkrieg ausgeschlossen scheint. Auf Kreta sind starke Bauernproteste aufgeflammt, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Kretas Bevölkerung gilt traditionell als widerständig, obendrein existiert auf der Insel eine hohe Zahl von Schusswaffen.

Nicht nur die weitere Entwick-lung auf Kreta, sondern auch der künftige Kurs der griechischen Regierung dürfte in Brüssel mit Sorge betrachtet werden. Während Athen hinsichtlich weiterer Einsparung gegenüber der Troika eine „rote Linie“ gezogen hat, herrscht in Richtung Moskau auffällige Freundlichkeit. Bereits Ende Oktober war Russland Außenminister Sergej Lawrow in Athen zu Gast und er wurde regelrecht hofiert. Inzwischen ist klar, dass der Besuch Lawrows das Potenzial hat, die sogenannte Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds in eine Zwickmühle zu bringen, denn Russland hat ein ernsthaftes Interesse am Kauf der griechischen Staatsbahn angemeldet. Mit der Offerte steckt die EU in einem Dilemma. Athen wurde lange genug aufgefordert, endlich mit dem Verkauf von Staatsbesitz zu beginnen. Nun, wo ein zahlungskräftiger Interessent da ist, dürfte nur schwer zu vermitteln sein, dass eine Privatisierung auf einmal nicht mehr erwünscht ist, nur weil der Käufer Russland heißt.

Wie Moskau die anhaltende Krise der Euro-Zone nutzt, um seinen Einfluss auszubauen, wird auch an Zypern deutlich. Obwohl Russland und vor allem der Gaskonzern Gazprom auf dem Höhepunkt der Zypern-Krise zu Anfang des Jahres nicht wie erhofft auf der Mittelmeerinsel zum Zuge gekommen sind, wächst nun der Einfluss im Stillen. Im Aufsichtsrat der Bank of Cyprus hat es in den letzten Monaten eine Machtübernahme durch Russen gegeben. Die Übernahme von Zyperns größter Bank durch russische Oligarchen dürfte für das Land, aber auch für die EU noch weitreichende Folgen haben. „Wer auch immer die Bank of Cyprus kontrolliert, kontrolliert auch die Insel“, so der einflussreiche zypriotische Anwalt Andreas Marangos in der „New York Times“. Norman Hanert


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