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16.11.13 / Wie Gendern unsere Sprache verhunzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Gastkommentar
Wie Gendern unsere Sprache verhunzt
von Tomas Kubelik

Der Mann“ – so schrieb vor über 20 Jahren die Feministin Luise F. Pusch – „braucht dringend eine Abmagerungskur zur Therapie seines immer gefährlicher werdenden Größenwahns. Es wird ihm guttun, es im eigenen Gemüt zu erleben, wie es sich anfühlt, mit gemeint zu sein, sprachlich dem anderen Geschlecht zugezählt zu werden.“ Seit damals ist viel geschehen: Sprachleitfäden zum Schutz der Frauen wurden verfasst und an den Mann gebracht, Genderbeauftragte richteten sich in bequemen Büros ein, das Binnen-I wurde „in“, Gesetzestexte wurden umgeschrieben, Schulbücher der feministischen Sprachreinigung unterzogen. Die Gehirnwäsche nahm ihren Lauf. Nun scheinen die therapeutischen Maßnahmen, die den Mann endlich zähmen sollen, in die entscheidende Phase zu treten. Mitte April dieses Jahres beschloss der Senat der Universität Leipzig, weibliche Bezeichnungen wie Professorin, Dozentin oder Wissenschaftlerin künftig auch für männliche Personen zu benützen. Dies geschah auf Vorschlag des Herrn Professorin Josef Käs. Wer hätte das gedacht: fast 1500 Jahre geschichtlicher Entwicklung der deutschen Sprache, deren Grammatikstrukturen in den Ursprüngen des Indogermanischen wurzeln, werden per Senatsbeschluss über den Haufen geworfen. Eine Institution, die der Wissenschaft dienen sollte, erhebt kurzerhand einen groben Grammatikfehler zur Norm, obwohl die Mehrheit der Deutschen es lächerlich und dumm findet.

Was derzeit geschieht, ist nicht natürlicher Sprachwandel, sondern politisch motivierte Umerziehung. Sprachvorschriften sollen die Köpfe der Menschen umpolen. Das Stichwort lautet: Sexualisierung. Bei jeder noch so alltäglichen Verrichtung, bei noch so ernsten und abstrakten Themen soll das Geschlecht der Beteiligten als Monstranz der politischen Korrektheit der Satzaussage vorangetragen werden. Der neudeutsche Terminus dazu heißt „Gendern“.

Dass der Professor beides sein kann, ein Mann oder eine Frau, die Professorin aber immer nur eine Frau, haben unsere Ahnen so entschieden. Aus dem lebendigen Dialog von Personen beiderlei Geschlechts erwuchs in Jahrhunderten ein Grammatik- und Sinngebäude, genannt deutsche Sprache. Und kein Senatsbeschluss kann die grammatikalischen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen. Daher besteht zwar Hoffnung, dass sich die Auswüchse des Genderns eines Tages von alleine legen. Bis dahin aber wird noch viel Porzellan zerbrechen: die Kommunikation wird unschärfer, die Sprache hässlicher, das Verstehen mühevoller.

Es ist daher unklug, die Genderei als unwichtige Lächerlichkeit abzutun. Wenn nicht gegenderte Arbeiten an Universitäten abgelehnt oder schlechter beurteilt werden, wenn Texte in Schulbüchern Grammatik- und Rechtschreibfehler enthalten, um angeblich geschlechtergerecht zu sein, wenn amtliche Schreiben und Gesetzestexte mühsam entziffert werden müssen, dann hat eine Ideologie längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Und jeder, der die deutsche Sprache verwendet, sollte klar Position beziehen. Denn Sprache ist mehr als ein billiges Kommunikationsmittel. Sie formt unser Bewusstsein, trägt unser Wissen und ermöglicht uns klare Gedanken. Sie lässt uns urteilen und verhilft uns, Gefühle auszudrücken. Sprache gibt uns Orientierung und stiftet unsere Identität. Sie bildet die Grundlage jeglicher menschlichen Gemeinschaft. Es ist keineswegs egal, wie wir mit ihr umgehen.

Weltanschaulicher Ausgangspunkt der Sprachkritik ist die ostentativ behauptete Benachteiligung der Frau in unserer Gesellschaft. Abgesehen davon, dass es die Frau genauso wenig gibt wie den Mann: Frauen sind in unserer Gesellschaft gegenüber Männern rechtlich gleichgestellt, in einigen wenigen Bereichen, etwa im Sorgerecht, sogar bessergestellt. Nur führt Rechtsgleichheit nicht notwendigerweise zur Ergebnisgleichheit. Wer diese einfordert, verkennt einfach die Unterschiede zwischen den Menschen. Frauen und Männer unterscheiden sich viel zu stark in ihrem Denken und Fühlen, ihren Interessen und Lebensentwürfen, in ihren Begabungen und Schwächen. Deshalb wird es nie zu einer völligen Gleichheit kommen, was – nebenbei gesagt – eine ziemlich abschreckende Vorstellung wäre. Doch hat das alles mit Benachteiligung, mit Ausbeutung und Unterdrückung nichts zu tun. Schon gar nichts mit einer angeblich frauenfeindlichen Sprache.

Die Frauenrechtsbewegung des 19. Jahrhunderts hat sich große Verdienste um die Emanzipation erworben. Der moderne Feminismus hingegen wirkt destruktiv. Seit die rechtliche Gleichstellung erreicht wurde, kämpfen Feministinnen um ihre Existenzberechtigung. Sie tun dies durch die Kultivierung der Opferrolle und maßen sich an, für die Mehrheit der Frauen zu sprechen, obwohl sie nur eine Minderheit repräsentieren. Sie wollen eine neue Gesellschaft und das heißt, einen neuen Menschen, Endziel und Merkmal jeder Ideologie. Wichtigstes Vehikel dabei ist eine neue Sprache. Daher wird die bisherige, in der Goethe, Kant, Freud und Kafka schrieben, kurzerhand für sexistisch erklärt. Doch eine Aussage wird nicht dadurch wahr, dass sie ständig wiederholt wird.

Den Forderungen der feministischen Sprachkritik liegt ein fundamentaler Irrtum zugrunde: die Gleichsetzung von Genus und Sexus. Mit pseudowissenschaftlicher Rhetorik wird behauptet, Wörter wie Einwohner, Dieb, Kunde oder Student würden ausschließlich Männer bezeichnen. Das ist weder vom linguistischen noch vom psychologischen Standpunkt aus haltbar. Wer nach der Einwohnerzahl einer Stadt oder der Studentenzahl einer Universität fragt, wird niemals bloß die Männer zählen; wer fordert, Diebe sollten strenger bestraft werden, wird Frauen nicht ausnehmen; und kaum eine Frau, die sich auf einen Kundenparkplatz stellt, fühlt sich diskriminiert.

Doch leider wurden die Konsequenzen nicht bedacht. Wie viele schöne Redewendungen müssten – nähme man die sogenannte Frauensprache ernst – auf der Strecke bleiben: Es dürfte keine „Sündenböcke“ mehr geben, und die Ratschläge „Übung macht den Meister“ oder „Der Klügere gibt nach“ gäbe es auch nur mehr in verstaubten Märchen. Doch es ist nicht durchzuziehen. Sprache entspringt nun einmal dem mündlichen Gebrauch, nicht dem Reißbrett feministischer Forschung. Wörter wie „KandidatInnen“, „Leser(innen)“ oder „Französ/innen“ sind und bleiben daher papierenes Phantasiedeutsch. Was bleibt, ist Chaos und ein scheußliches Deutsch. Zudem spielt das Geschlecht in den meisten Situationen gar keine Rolle. Und das ist auch gut so.

Ich plädiere daher dafür, den Geschlechterkampf zu beenden, die deutsche Sprache nicht weiter zu verunstalten und etliche Genderbeauftragte einzusparen. Vielleicht bliebe dann genügend Energie, damit alle Professoren – männliche wie weibliche – sich ganz der Forschung und Lehre widmen können. Unserer Gesellschaft wäre damit mehr gedient als durch eine Flut von Leitfäden zum geschlechtssensiblen Formulieren.

Der Autor, 1976 in der Slowakei geboren, wuchs in Stuttgart auf und studierte Germanistik und Mathematik. 2005 promovierte er zum Dr. phil. Er ist als Gymnasiallehrer für Deutsch und Mathematik tätig. Kürzlich erschien sein Buch „Genug gegendert! Eine Kritik der feministischen Sprache“.


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