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16.11.13 / Am Bahnhof gestrandet / Besuch in der Bahnhofsmission, wo man auch den Andrang von Zuwanderern zu spüren bekommt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Am Bahnhof gestrandet
Besuch in der Bahnhofsmission, wo man auch den Andrang von Zuwanderern zu spüren bekommt

Hunderte Menschen stranden täglich in den Bahnhofsmissionen. In letzter Zeit sind es verstärkt Personen aus Osteuropa und Afrika. Und kaum einer spricht Deutsch.

Ein wenig verwundert Axel Mangat der aktuelle mediale Wirbel um die vielen Zuwanderer aus Osteuropa oder auch Afrika schon. Für ihn, den Leiter der Bahnhofsmission Hamburg, ist das Phänomen der nach Deutschland strebenden Zuwanderer keineswegs neu. Schon seit gut fünf Jahren kommen verstärkt Menschen in die Bahnhofsmission, die auf der Suche nach Arbeit und Unterkunft sind, deren Wiege aber im Ausland stand. Waren es anfangs noch osteuropäische Familienväter, sind es seit zwei Jahren auch junge Männer aus Afrika.

Damals, als er studierte, so der 38-jährige Sozialpädagoge und Diakon, reichte es völlig, wenn man Deutsch konnte, heutzutage benötigt man für die Arbeit im sozialen Bereich und vor allem in der Bahnhofsmission gleich eine ganze Palette an Sprachen. Da eine Person diese gar nicht abbilden kann, versucht er seine Mitarbeiter auch auf deren Sprachfähigkeiten hin auszusuchen.

Die Bahnhofsmission Hamburg be­dient drei Bahnhöfe, doch weder Harburg noch Altona sind durchgehend besetzt. Nur die Niederlassung am Hauptbahnhof, der täglich 450000 Besucher zählt, hat an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet. Für die Besetzung dieser drei Standorte kann Mangat auf zwölf festangestellte Mitarbeiter zurückgreifen. Zu diesen festen Mitarbeitern kommen noch rund 70 ehrenamtliche Helfer und sieben junge Erwachsene, die den Bundesfreiwilligendienst absolvieren. Die Gehälter der festangestellten Mitarbeiter zahlt der Träger, was in Hamburg die katholische Caritas, der evangelisch-lutherische Kirchenkreisverband und der Verein „Hoffnungsorte Hamburg“ sind. Die anderen rund 100 Bahnhofsmissionen in Deutschland haben an­dere kirchliche Träger. „Wir sind eine Art Franchise-Unternehmen, wie das heutzutage heißt“, kommentiert Mangat lächelnd.

Die Deutsche Bahn, in deren Umfeld die Helfer agieren, stellt die Räumlichkeiten. Finanzielle Unterstützung gibt es von dort keine. Und so ist die Bahnhofsmission auf Spenden angewiesen, denn damit finanziert sie Hilfsmittel wie Kaffee und sogar das Klopapier. In erster Linie haben aber die Mitarbeiter der Bahnhofsmission die Aufgabe, Hilfsbedürftige an die Facheinrichtungen im Hamburger Hilfesystem zu vermitteln. Die Hamburger Nie­derlassung hat daher auch weder Wasch­räume noch Schlafplätze, Suppe wird schon lange nicht mehr ausgeteilt. Hier gibt es Kaffee, eine Toilette, Wickeltisch und Sitzgelegenheiten, doch auch die sollten nur für höchstens zwei Stunden in Anspruch genommen werden, denn die Mission ist kein Aufenthaltsort.

Hat Mangat unter seinen eigenen Leuten niemanden, der die benötigte Sprache spricht, was bei täglich 300 bis 400 Hilfesuchenden öfter vorkommt, kontaktiert er Konsulate oder ausländische Restaurants, deren Mitarbeiter häufig aus den entsprechenden Ländern kommen. Im Moment wird gerade Slowakisch benötigt. Im Aufenthaltsraum sitzt nämlich ein leicht verwirrter Slowake mittleren Alters, der seine Papiere verloren hat und nun Hilfe sucht.

Mangat betont, dass er bisher nur Zuwanderer getroffen habe, die fragen, wo man Arbeit be­kommt und nicht, wo man Sozialhilfe beantragen könne. Häufig jedoch er­weist sich Deutschland für diese Menschen nicht als das gelobte Land. „Wir sind auch hier, um das Leid mitzutragen, wenn es keine Hoffnung gibt“, sagt er im Hinblick auf jene, die erkennen, dass ihnen nur die Rückreise in ihr Heimatland bleibt. Aber auch bei der Organisation der oft lange verzögerten Heimreise sind die Bahnhofsmissionen behilflich.

Doch die Aufgaben sind noch vielseitiger. „Letztens kam hier eine Dame rein, rief, wir sollten einen Krankenwagen rufen, und während sie schwankend zu­sammenbrach, kümmerten sich sofort einige von uns um sie, während die anderen Kaffee an andere Besucher austeilten“, be­schreibt eine von Mangats Mitarbeiterinnen ihren Alltag. Die ge­lernte kaufmännische Angestellte koordiniert auch das Programm „Kids on Tour“, bei dem immer freitags und sonntags reisende Kinder von Bahnhofsmissions-Mitarbeitern begleitet werden. Vor allem Kinder von getrennt lebenden Eltern, aber auch Enkel, die ihre weiter entfernt wohnenden Großeltern besuchen, nutzen das Programm, das pro Fahrt 30 Euro zur Fahrkarte extra kostet.

Drogensüchtige verzeichnet man dank anderer Anlaufstellen nur selten. Obdachlose, Alkoholiker, geistig Verwirrte und Verzweifelte kommen täglich. Zudem holen die Mitarbeiter Be­hinderte, aber auch Senioren von ihren Zügen ab und helfen ihnen ins Taxi oder bringen sie zu ihren Zügen. Oft schicken Mitarbeiter der Bahn Personen zur Mission oder rufen diese auch zu den Hilfsbedürftigen. Gern würde der dreifache Familienvater Mangat sein Personal öfter an den Bahnsteigen direkt patrouillieren lassen, damit Hilfsbedürftige sich leichter an sie wenden können, doch dafür fehlen weitere ehrenamtliche Helfer.

„Wir sind für Menschen da, mit denen sonst keiner reden will“, bringt Mangat noch eine wichtige Aufgabe der Bahnhofsmission auf den Punkt. Zur Bestätigung zeigt er auf eine Pinnwand voller Dankesbriefe. In einem bedankt sich eine Dame dafür, dass man ihr in einer dunklen Stunde geholfen habe. Sie habe sich nach dem Tod gesehnt, steht dort zu lesen, aber dann habe die Freundlichkeit der Mitarbeiter ihr neuen Lebensmut gegeben. Rebecca Bellano


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