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16.11.13 / 90 Jahre lang Fels in der Brandung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

90 Jahre lang Fels in der Brandung

Buchhandlungen haben im Internetzeitalter kein leichtes Spiel. Viele Ladenflächen sind schon verschwunden und selbst große Handelsketten kämpfen mit Produkten außerhalb des Buchbereichs ums Überleben. Wie ein Fels in der Brandung widersetzt sich den zeitgeistigen Moden eine kleine Buchhandlung, die seit 90 Jahren zu einer Hamburger Institution geworden ist.

Mitten in der City, jedoch beinahe versteckt in einer Passage hinter einem Arkadengang am Alsterfleet, liegt die Buchhandlung Felix Jud, die für viele Bibliomanen zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden ist. Die billig produzierten Bestseller der Belletristik- oder Sachbuchverlage wird man hier eher seltener finden. Bei Felix Jud steht das im Vordergrund, was man als „das schöne Buch“ versteht: sorgfältig edierte Bücher, edle Klassiker- und prachtvolle Kunstbände.

Dass sich die Traditionsbuchhandlung mit ihrem anspruchsvollen Sortiment über Wasser halten kann, verdankt sie auch ihrer zum Teil prominenten Stammkundschaft. Als sich Modezar und Büchernarr Karl Lagerfeld in Hamburg aufhielt, schmökerte er eine halbe Stunde in der Bücherstube und trug am Ende ein halbes Dutzend Tüten zum Auto hinaus. Der Nähe zum Rathaus verdankt es die Buchhandlung, dass sie fast im Alleingang die Hamburger Bürgerschaft und den Senat beliefert. Es gibt kaum einen Bürgermeister, der hier nicht unter den wertvollen antiquarischen Titeln oder den Kunstwerken gestöbert hat.

Auf relativ überschaubarer Ladenfläche vertreibt Felix Jud neben einem modernen Buchsortiment auch antiquarische Werke – darunter viele seltene Erstausgaben – sowie Bilder. Denn schließlich machte der Maler und Bürgerschreck Horst Janssen zu Lebzeiten die Bücherstube zu seinem zweiten Zuhause und hinterließ dort Zeichnungen und Radierungen, die noch heute für viel Geld über den Ladentisch wandern. Doch auch Werke auf Papier von Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Max Liebermann, Emil Nolde oder Pablo Picasso finden hier ihre Käufer.

Grundstein für die anhaltende Erfolgsgeschichte war auch das Credo, das der damals 24-jährige Felix Jud vor 90 Jahren bei der Eröffnung am 20. November 1923 verkündete: Die Bücherstube solle „eine Pflegestätte sein für das gute und schöne Buch, für Publikationen über alte und moderne Kunst und für Bücher über Philosophie“. 1899 im niederschlesischen Klingenthal geboren, verschlug es ihn nach dem Ersten Weltkrieg nach Hamburg. Seine Bücherstube lief gut, bis er 1943 verhaftet wurde, weil er unterm Ladentisch verbotene Literatur verkauft hatte. Nach seiner Entlassung aus dem KZ Neuengamme wurde seine neueröffnete Bücherstube am Neuen Wall wieder zum Treffpunkt für – so der Inhaber – „Freunde, Politiker aller Couleur, für Maler, Dichter, Schauspieler und Müßiggänger aller Art“. Als Jud 1985 starb, übernahm Wilfried Weber die Bücherstube, die er heute mit Marina Krauth leitet. Im Jahr 2005 erfolgte eine Umfirmierung: aus der Bücherstube wurde die Felix Jud GmbH & Co. KG Buchhandlung. Anstoß für diese Entscheidung gab Karl Lagerfeld mit der Feststellung: „Cher ami, Ihre Buchhandlung ist ja alles, nur keine Stube!“ Harald Tews


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