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23.11.13 / Mit einem Unfall fing es an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013

Mit einem Unfall fing es an

Die Entstehungsgeschichte des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), der in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen feiert, fängt mit einem Unglück an. Beim Bau einer großen Lagerhalle für die märkischen Eiswerke in Erkner bei Berlin stürzte eine 40 Meter lange Seitenwand ein und begrub drei Zimmerleute unter sich. Die Arbeiter eilten zu den Schwerverletzten, konnten aber nur notdürftig helfen. Keiner kannte sich in Erster Hilfe aus; Verbandmaterial oder Tragen für den Transport von Verletzten fehlten auf dem gesamten Fabrikgelände. So trugen die Arbeiter die Schwerverletzten auf ausgehängten Türen und Stühlen nach Hause.

Dieser schwere Unfall von 1884 war nur einer von vielen in der Hauptphase der Industrialisierung. Oft endeten sie tödlich. Denn Arbeitsschutz war im 19. Jahrhundert ein Fremdwort – genauso wie Unfallversorgung. „Vorkehrungen für Unfallverletzte waren damals noch böhmische Dörfer, Verbandkästen nur dem Namen nach bekannt, Ärzte nur schwer zu haben“, berichtete der spätere ASB-Vorsitzende und Zeitzeuge Emil Stein. Sechs Berliner Zimmerleute, unter ihnen der ASB-Gründervater Gustav Diet­rich, erkannten, dass Arbeiter mehr über Erste Hilfe wissen müssen.

Am 29. November 1888 luden die sechs Zimmerleute deshalb zum ersten „Lehrkursus für Arbeiter über die Erste Hilfe bei Unglücksfällen“ in ein Berliner Lokal ein. Die Resonanz war überwältigend: 100 Arbeiter folgten der Einladung und ließen sich von dem Arzt Alfred Bernstein in Erster Hilfe schulen. Mit diesem ersten Lehrkurs legten die sechs Zimmerleute den Grundstein für die Entstehung des Arbeiter-Samariter-Bundes. Da Ersthelfer im 19. Jahrhundert im allgemeinen Sprachgebrauch „Samariter“ genannt wurden, hießen alle weiteren Lehrgänge „Samariter-Kursus für Arbeiter“. Aus den Samariter-Kursen gingen im ganzen Land Samariter-Kolonnen hervor. 1896 gründete sich in Berlin die erste Sanitätsdienst-Gruppe mit dem Namen „Arbeiter-Samariter-Kolonne“. Mit Räder- und Fahrradtragen wurden damals bereits Krankentransporte geleistet. In den Folgejahren entstanden auch in anderen Städten ASB-Kolonnen. Die Mitglieder dieser „Kolonnen“ bildeten Laien in Erster Hilfe aus, führten Sanitätsdienste durch und eilten nach Unglücken herbei, um die Verletzten zu versorgen. 1909 schlossen sich dann die Arbeiter-Samariter-Gruppen in Berlin, Dresden, Meißen, Köln, Hamburg und Elberfeld zum Arbeiter-Samariter-Bund zusammen.

Seit dem ersten Lehrkurs ist im Laufe der vergangenen 125 Jahre eine der größten Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen Deutschlands entstanden. Dem Verband gehören über 1,1 Millionen Mitglieder und rund 33000 hauptamtliche sowie 14000 freiwillige Helfer an. Der ASB betreibt heute über 200 Rettungswachen, 170 Altenpflegeheime und rund 260 Kindertagesstätten. Weiterhin schult er in Erster Hilfe, mittlerweile auch Kinder und Jugendliche. Über 100 Schnell-Einsatz-Gruppen stehen für den Katastrophenfall zur Hilfe bereit. Viele neue Aufgabenfelder wie Kooperationen mit Ganztagsschulen und Servicewohnen für Senioren sind mittlerweile dazu gekommen. Aus der anfänglichen Arbeiter- ist so eine klassen- und schichtenübergreifende vielfältige Organisation für die Gesamtbevölkerung geworden. PAZ


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