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30.11.13 / Transparenz im Sowjetstil / London: Fragen des parlamentarischen Kontrollausschusses ISC an Geheimdienstchefs vorher mitgeteilt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-13 vom 30. November 2013

Transparenz im Sowjetstil
London: Fragen des parlamentarischen Kontrollausschusses ISC an Geheimdienstchefs vorher mitgeteilt

Als Meilenstein der Offenheit war zunächst eine im Fernsehen übertragene Befragung der drei ranghöchsten britischen Nachrichtendienstler durch den parlamentarischen Kontrollausschuss für die Geheimdienste (ISC) bejubelt worden. Inzwischen ist klar, dass es sich bei dem „Grillen“ der Spionage-Chefs um eine inszenierte Aufführung gehandelt hat, bei der die Schnüffler selbst Regie geführt haben.

Gemessen an früheren Verhältnissen schien am 7. November eine ganz neue Ära anzubrechen. Über 90 Minuten sollten die Chefs des Inlandsgeheimdienstes MI5, der Auslandsspionage MI6 und der geheimen Fernmeldeaufklärung GCHQ in einer live vom Staatssender BBC übertragenen Befragung Rede und Antwort stehen. Der angekündigte Schwerpunkt: die Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über die Arbeit der britischen Geheimdienste.

Da über Jahrzehnte von offizieller Seite sogar geleugnet worden war, dass es so etwas wie einen Geheimdienst in Großbritannien überhaupt gibt, kam die Veranstaltung einem kleinen Wunder gleich. Nach bisher vorliegenden Informationen sind im „Mutterland der parlamentarischen Demokratie“, wie sich die Briten gern selber bezeichnen, auch erst im Jahr 1994 klare gesetzliche Regelungen zur Arbeit der Geheimdienste geschaffen worden. Ebenfalls in die 90er Jahre fallen die ersten behutsamen und kontrollierten Schritte hin zu einer Art Öffentlichkeitsarbeit durch die Schlapphüte ihrer Majestät.

Inzwischen ist klar, dass die Anfang November im Fernsehen übertragene Befragung der Spionagechefs kein weiterer Schritt zu mehr Offenheit war. Fast noch harmlos mutet das inzwischen durchgesickerte Detail an, dass es sich nicht um eine wirkliche

„Live“-Übertragung gehandelt habe. Stattdessen ist die Befragung um 15 Minuten zeitversetzt ausgestrahlt worden. Es war also von vornherein ein Sicherheitspolster eingeplant, um unliebsame Fragen oder Patzer bei den Antworten herausschneiden zu können, bevor sie über den Sender gingen. Vollständig demontiert wurde der Ruf der Veranstaltung allerdings, nachdem die „Sunday Times“ enthüllt hatte, dass den Geheimdienstchefs sogar die Fragen vorab bekannt waren. Und so wurde für die Öffentlichkeit eine durchinszenierte, wahrscheinlich vorher sogar geprobte Farce aufgeführt.

Entsprechend fallen die Reaktionen aus: „Offensichtlich war das ,Grillen‘ der Spionagechefs eine ,totale Pantomime‘“, so ein konservativer Parlamentsabgeordneter gegenüber der „Sunday Times“. An den früheren Ostblock fühlte sich Professor Anthony Glees erinnert, der zur Sicherheitspolitik forscht: „Solche Inszenierungen sind eine Reminiszenz an die alte Sowjetunion, bei der jeder sich selbst applaudiert.“

Der aufgeführten „Befragung“ soll ein Deal zwischen den Chefs von MI5, MI6 und GCHQ mit dem ISC zugrunde gelegen haben. Die Geheimdienstchefs stellen sich zwar der Öffentlichkeit, im Gegenzug gibt es aber keine Überraschungen, so der Grundzug der Vereinbarung. Das Thema Snowden-Enthüllungen solle zudem nur ein Drittel der Zeit in Anspruch nehmen, und alle Fragen sollten vorher bekannt sein. Entsprechend belanglos fiel die Befragung aus.

Mit dem Bekanntwerden der Absprache hat nicht nur der Ruf der Spionagechefs weiteren Schaden genommen, auch der beteiligte Parlamentsausschuss hat sich einen Bärendienst erwiesen. Mit den Snowden-Enthüllungen steht nämlich ohnehin die Frage im Raum, ob das Gremium zu schnell bereit war, selbst umstrittene Spionageaktivitäten – etwa während des Londoner G20-Gipfels im Jahr 2009 gegen die angereisten Regierungschefs – zu verteidigen, anstatt die Dienste wirklich zu beaufsichtigen. Obendrein ist nicht einmal klar, womit der Ex-Geheimdienstler Snowden noch nachlegen kann. Seine neueste Enthüllung: Im Rahmen des Progamms „Royal Concierge“ (Königlicher Portier) sollen vom GCHQ gezielt die Reservierungssysteme von weltweit mehr als 350 Hotels ausgespäht worden sein, die häufig von Diplomaten und Regierungsdelegationen gebucht werden.

An Glaubwürdigkeit verloren hat aber inzwischen auch Premier David Cameron, dessen Schadensbegrenzungsversuche immer verzweifelter und durchsichtiger werden. Nach den Enthüllungen über die britische Spionage gegen fremde Regierungen und Diplomaten hat das Argument „Kampf gegen Terrorismus“ kaum noch Überzeugungskraft, um die Datensammelwut der Spione zu rechtfertigen. Ersatzweise hat Cameron inzwischen den nächsten Rechtfertigungsgrund aus dem Hut gezaubert: Zusammen mit der NSA sollen die britischen Geheimdienstler künftig verstärkt im Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie aktiv werden, so der Premier. Norman Hanert


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