25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.11.13 / Ohne Kurden geht es nicht / Erdogan will Präsididialverfassung, dazu braucht er die Minderheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-13 vom 30. November 2013

Ohne Kurden geht es nicht
Erdogan will Präsididialverfassung, dazu braucht er die Minderheit

Wir errichten eine neue Türkei“, rief der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor rund zwei Wochen feierlich einer Menschenmenge entgegen, die ihm bisher wohl überwiegend feindlich gegenüberstand. Denn Erdogan wagte sich in die Höhle des Löwen, nach Diyarbakir, in die heimliche Hauptstadt der Kurden innerhalb der türkischen Staatsgrenzen. Zusammen mit dem kurdischen Sänger Sivan Perwer, Kultfigur vieler kurdischer Generationen, und dem Präsidenten der „Autonomen Region Kurdistan“ im Nordirak, Masud Barzani, beschwor Erdogan vor vielen tausend Kurden die Schick-salsgemeinschaft, die beide Völker seit Jahrhunderten verbinde. Mit im Gepäck hatte der türkische Premier außerdem zahlreiche Versprechungen und Zugeständnisse, die er den Kurden für die nahe Zukunft zusagte. Erdogan sprach von Frieden, einer gemeinsamen Zukunft beider Völker und auch von einer weitreichenden Autonomie. Jener Autonomie, von der auch die Kurden seit unzähligen Jahren sprechen und träumen.

Doch steckt hinter Erdogans Auftritt tatsächlich der Wunsch nach Frieden, so wie viele deutsche Medien berichten? Oder geht es ihm nicht vielmehr darum, die Kurden für seinen Wahlkampf zu mobilisieren? Denn im kommenden März wird in der Türkei gewählt, die Kommunalwahlen stehen an. In Diyarbakir und Umland dominiert die kurdische Partei für Frieden und Demokratie (BDP) mit rund zwei Drittel der Stimmen und befördert Erdogan und seine Partei AKP somit weitestgehend aufs Abstellgleis. Doch Erdogan braucht die BDP, die Kurden und ihre Unterstützung. Das türkische Staatsoberhaupt strebt nämlich eine weitreichende Verfassungsänderung an, um seine Macht bis 2015 zu sichern. Als Premier kann Erdogan nicht wiedergewählt werden. Deshalb will er, der bereits seit 2003 im Amt ist, nun Präsident werden. Für jene Verfassungsänderung – Erdogans persönliche Präsidialverfassung – benötigt er jedoch dringend die Unterstützung der BDP. Diese soll unter anderem dafür sorgen, dass die PKK ihre Waffen endgültig niederlegt. Der Deal ist einfach: Die BDP verhilft Erdogan zu einer Mehrheit für seine Präsidialverfassung im Parlament, dieser gewährt den Kurden im Gegenzug eine weitreichende kulturelle und politische Autonomie.

Um sein Ziel zu erreichen, fährt Erdogan zweigleisig. Denn er setzt außerdem auf Masud Barzani, den Präsidenten der „Autonomen Region Kurdistan“ im Nordirak. Mit dem Versuch, Barzani für sich zu gewinnen, treibt der türkische Premier einen Keil zwischen die türkischen Kurden. Die Führung der BDP äußerte nämlich unlängst ihren Unmut über die Zusammenarbeit von Barzani und Erdogan. Als Vasallenstaat der Türkei blüht „Kurdistan“ im Nordirak wirtschaftlich auf und profitiert maßgeblich von der Türkei als großem Handelspartner und Investor.

Für Erdogan selbst ist der Weg klar: Er gesteht einer kurdischen Minderheit eine für ihn kontrollierbare Autonomie zu, sichert sich im Gegenzug deren Unterstützung und zeitweilige Loyalität, um so schlussendlich den Weg für seine präsidiale Alleinherrschaft zu ebnen. Nächstes Ziel: Osmanisches Reich? Philip Stein


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren