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30.11.13 / Ein Leben zwischen den Stühlen / Zum 85. Geburtstag von Klaus Rainer Röhl: Geister, die er rief, versucht er wieder einzufangen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-13 vom 30. November 2013

Ein Leben zwischen den Stühlen
Zum 85. Geburtstag von Klaus Rainer Röhl: Geister, die er rief, versucht er wieder einzufangen

Er habe ein Leben zwischen den Stühlen geführt, fasst Klaus Rainer Röhl es selbst in seinem Buch „Mein langer Marsch durch die Illusionen“ zusammen, das anlässlich seines 80. Geburtstages erschien. Treffender kann man es nicht ausdrücken.

Röhl, einer der bekanntesten und prägendsten linken Journalisten und Verleger der Nachkriegszeit, wurde das journalistische und verlegerische Handwerk bereits in die Wiege gelegt. Sein früh verstorbener Großvater Hugo Röhl war Zeitungsverleger und Redakteur in einer Provinzstadt, der sich nicht scheute, sich wegen eines kritischen Artikels mit der Evangelischen Landeskirche anzulegen. Und auch Röhls Vater, ein Landlehrer, versuchte sich als Schriftsteller.

Bevor Röhl jedoch seine Karriere starten konnte, forderte der Zweite Weltkrieg seinen Tribut. Anders als andere prominente Vertreter der „Flakhelfergeneration“ aus Danzig gelang es Röhl jedoch, nicht der Waffen-SS beizutreten oder aktiven Kriegsdienst zu leisten: Er wurde Erntehelfer.

Nach Kriegsende und erfolgreicher Flucht gründete Röhl mit seinem Schulfreund Peter Rühmkorf ein Kabarett gegen den Krieg, einen Jazzkeller, ein Theater und einen Tucholsky-Kreis. In diesen Aktivitäten lag schon die Keimzelle seines späteren politischen Engagements in der Studentenzeitschrift „konkret“, seine Gründung, die ihn bekannt, bewundert und verhasst machte.

Röhl wurde zum Stichwortgeber, zum Ideenlieferanten und damit zu Triebkraft der linken Bewegung der Bundesrepublik, beginnend mit der Kampagne „Kampf dem Atomtod“. Er machte den „Studentenkurier“, der 1957 in „konkret“ umbenannt wurde, zunächst für die KPD, wurde aber selbst nicht Mitglied. Erst als die Partei 1956 verboten wurde, trat er ihr bei.

Um Finanzmittel für sein Blatt zu bekommen, war Röhl nicht zimperlich. Er ließ sich von der SED finanzieren, reiste sogar nach Ostberlin, um das Geld selbst in Empfang zu nehmen. Als die SED aber immer mehr Einfluss auf die Redaktion forderte, wandte sich Röhl von ihr ab. Er gehorchte dem Befehl, „konkret“ einzustellen, nicht. Als unabhängige sozialistische Zeitschrift erreichte „konkret“ schon 1965 eine verkaufte Auflage von 100000 Exemplaren. Es wird bis heute gern behauptet, diesen Erfolg habe Röhl seiner Hemmungslosigkeit, sexuell freizügige Fotos abzudrucken, zu verdanken. Wichtiger ist jedoch, dass es ihm gelang, eine Reihe ausgezeichneter Autoren an sich zu binden. Zu denen gehörte seine spätere Frau Ulrike Meinhoff, die er 1961 heiratete und mit der er zwei Töchter hat.

Die Ehe hielt nur wenige Jahre. 1968 verließ Meinhoff Röhl, zog mit den Kindern nach Berlin und nahm den Kampf um „konkret“ und das Erziehungsrecht für die Mädchen auf. Auch ideologisch trennten sich ihre Wege. Während Röhl versuchte, die Terrorgruppe RAF und deren Gewalt publizistisch zu bekämpfen, schloss sich Meinhoff eben dieser RAF an.

Zu den schmerzlichsten Kapiteln in Röhls Leben zählt seine verzweifelte Suche nach den Töchtern, die von Meinhoff entführt wurden. Mit Hilfe des späteren „Spiegel“-Chefs Stefan Aust, seines langjährigen Mitarbeiters bei „konkret“, bekam Röhl schließlich die Zwillinge wieder. Er verlor aber den Kampf um „konkret“, was den Konkurs der Zeitschrift zur Folge hatte. Röhl versuchte sich mit zwei Neugründungen, die aber beide keinen langen Bestand hatten.

Seine Abkehr von den Linken wurde besiegelt, als Röhl, angeekelt von der Kampagne gegen den Historiker Ernst Nolte, aus Solidarität bei ihm promovierte. Das gewählte Thema war eine Provokation für seine ehemaligen Genossen: „Nähe zum Gegner. Die Zusammenarbeit von Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik 1932.“

Seitdem hat Röhl nicht aufgehört, sich gegen die Geister, die er rief, zur Wehr zu setzen. Dabei kommt dem „sozialistischen Zauberlehrling“ kein Meister zur Hilfe, der die Besen wieder in die Ecke befördert. Im Gegenteil. Nach dem „langen Marsch durch die Institutionen“ sitzen die 68er heute in Schlüsselstellungen der Parteien, Gewerkschaften, Universitäten, Schulen, Rundfunkanstalten, Fernsehsender, Justiz, Medien und Filmproduktionen. Sie haben sich in dem System, das sie bekämpften, fest etabliert, profitieren davon, bekämpfen es aber nach wie vor. Das zeigt sich in den unverantwortlichen Erziehungsexperimenten, denen nicht nur die Kinder in der Schule ausgesetzt sind, sondern auch die Erwachsenen mittels „political correctness“. Aber die schlimmste Folge ist, dass die „Umwertung aller Werte“ zu einer Abwertung aller Wertvorstellungen überhaupt geführt hat.

Dagegen kämpft Röhl mit jugendlichem Elan, von dem wir uns wünschen, dass er ihm noch recht lange erhalten bleibt!  Vera Lengsfeld


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