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30.11.13 / Ist Weihnachten das nächste Opfer? / USA: Statt im besinnlichen Familienfest endete Thanksgiving in einem Konsumrausch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-13 vom 30. November 2013

Ist Weihnachten das nächste Opfer?
USA: Statt im besinnlichen Familienfest endete Thanksgiving in einem Konsumrausch

Thanksgiving, eine in den USA und Kanada immer am letzten Donnerstag im November gefeierte Form des Erntedankfestes, ist neben Weihnachten der bedeutsamste Feiertag in der Tradition der USA. Da kommen die Kinder aus dem fernen College, Familie und Freunde von nah und fern und man sitzt in festlicher Stimmung um den duftenden Truthahn wie die Deutschen um die Weihnachtsgans. Thanksgiving galt lange als Symbol für einen der Lieblingsbegriffe der US-Konservativen: „Family Values“.

So war es lange. Doch die USA sind nicht nur ein Land der Tradition, sondern auch des Kommerzes. Die Wirtschaft basiert auf Konsum. Und so geschah es, dass sich bereits gegen Ende der 70er Jahre das Phänomen des „Black Friday“ ausbreitete. Dieser hat nichts zu tun mit dem berüchtigten „Schwarzen Freitag“ an der US-Börse, der in den 30er Jahren die „große Depression“ einläutete. Im Gegenteil: Dieser „Black Friday“ ist der Tag nach Thanksgiving und der offizielle Beginn der „Holiday Season“, der Weihnachtssaison, in der die US-Bürger in die Shopping-Center streben und die US-Wirtschaft in die schwarzen Zahlen befördern sollen. Arbeiter und Angestellte haben zumeist frei. Die Weih-nachtsstimmung ist erwacht und so die Kauflust. Und so wurde der „Schwarze Freitag“ – nach dem Muster des Boxing Day im Commonwealth – zum größten Einkaufstag des Jahres stilisiert. Mit Rabatten von bis zu 80 Prozent öffneten morgens zwischen 6 und 8 Uhr die Geschäfte und vor allem die Einkaufsketten ihre Türen den hereinstürmenden Käufern.

Doch als wäre das nicht bereits eine empfindliche Störung für den gemütlichen Nachklang der Familienfeiern, so haben in den letzten Jahren infolge des sinkenden Geschäfts durch die Wirtschaftskrise diverse große Ketten entschieden, ihre Läden in einer Art „Schwarzer Donnerstag“ immer früher zu öffnen. 2011 war „Kmart“ der erste Warenhausgigant, der schon an Thanksgiving um 22 Uhr seine Filialen öffnete. Die Konkurrenz folgte auf dem Fuße. Im letzten Jahr öffneten sich dem Kaufrausch viele Türen schon um 20 Uhr. Dieses Jahr jedoch eskalierte die Profitgier des Handels, denn es sind sechs Werktage weniger bis Weihnachten, was nach einem Bericht vom Adobe Digital Index zu 1,5 Milliarden US-Dollar vermindertem Umsatz führen könnte (Gesamtumsatz im letzten Jahr waren 59,1 Milliarden). Der Stachel der Wirtschaftskrise sitzt noch tief.

Und so wurde an diesem Thanksgiving am letzten Donnerstag der Truthahn in Hast hinuntergewürgt, um dann nichts wie zu „Best Buy“ oder „Walmart“ (Öffnung ab 18 Uhr), dem Spielzeugladen „Toys R Us“ (17 Uhr) oder einem anderen Geschäft zu fahren. Und wen es nach „Kmart’s“ und „Old Navy’s“ Schnäppchen gelüstete, der war schon morgens um 6 oder 9 Uhr auf den Beinen und konnte Familie und Truthahn ganz vergessen.

Das Ende des besinnlichen Familienfestes Thanksgiving ist damit in Sicht, denn die Käufer rasen nicht erst zur Öffnung in die Läden, sondern warten in Riesenschlangen schon Stunden vorher auf Einlass. Dabei hat es absurde Fälle von Gewalt gegeben. Vor zwei Jahren besprühte im „Walmart“ in Porter Ranch, Kalifornien, eine Frau mit zwei kleinen Kindern im Schlepptau, deren Nerven nach stundenlangem Warten auf die reduzierte Spielekonsole Xbox 360 versagten, sich angeblich vordrängelnde Kunden mit Pfefferspray. Im Spielzeug-Paradies „Toys R Us“ in Madison, Wisconsin, bahnte sich eine Frau mit einer Pistole den Weg an die Spitze einer langen Schlange. Sie endete im Gefängnis statt bei den Teddybären. In einem besonders schlimmen Fall am „Black Friday“ in Valley Stream, New York stürmten im Jahr 2008 rund 2000 durchgefrorene und übernächtigte Käufer morgens um fünf Uhr die Tore eines „Walmart“. Dabei trampelten sie einen Angestellten zu Tode, was keinen kümmerte.

Für den Markt-Analysten Jon Burke bedeutet das: „Alles gerät außer Kontrolle. Wir nehmen diese heiligen Institutionen und zerstören sie mit krasser Kommerzialisierung. Wer weiß, vielleicht ist Weihnachten das nächste Opfer.“ Doch für viele Leute ist der neue Trend nicht unbedingt negativ. Sie machen sich einen schönen Tag mit Familie und Freunden in den festlichen Einkaufszentren statt am heimischen Herd. Nach der „National Retail Federation“ waren im letzten Jahr 35 Millionen am Thanksgiving auf den Beinen und auch über das Internet kauften mehr als 2011. Die Zahlen vom Donnerstag sind noch nicht draußen, dürften aber einen weiteren Anstieg bedeuten. Millionen von verschonten Truthähnen können dafür ihr eigenes Thanksgiving feiern, was wenigstens ein tröstlicher Aspekt des neuen Trends ist. Liselotte Millauer


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