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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-13 vom 30. November 2013
Mailands Schatz Der Dom mit seiner überreichen Zier ist Pflichtziel für Mailandreisende. Ein beachtlicher Teil seiner Kunstwerke ist im nahen Dom-Museum sichergestellt, im Palazzo Reale, dem einstigen Palast des Herzogs von Mailand. Lange war es geschlossen. Seit dem 4. November empfängt es Besucher mit dem Zusatz „Grande“ größer, schöner und reicher als je zuvor in komplett neu gestalteten Räumen. Er sollte das größte Gotteshaus der Welt werden – zu Ehren Gottes und des Herzogtums Mailand. Eine Kirche, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte. Als Landesherr Gian Galeazzo Visconti 1386 den Bau des Mailänder Doms begann, ahnte er nicht, dass er damit den Grundstein zu einer 600-jährigen komplizierten Baugeschichte legte, die sich durch die Erhaltungsmaßnamen bis in die Gegenwart fortsetzt. Im Dom-Museum schaut man dem Gründer direkt ins Gesicht: Giorgio Solari gab dem Turmheiligen St. Georg 1404 dessen Züge. Der Dom ist zwar heute nicht mehr das größte Gotteshaus auf Erden, doch noch immer ein Bauwerk der Superlative, dessen gewaltige Dimensionen imponieren: Er ist 157 Meter lang, 109 Meter breit, bedeckt über 11700 Quadratmeter und bietet 40000 Menschen Platz. 52 Pfeiler tragen die Gewölbe über dem fünfschiffigen, kapellen- und altarreichen Inneren. 135 Türme und sage und schreibe 3159 Statuen bestücken zusätzlich den Bau. 150000 Marmorblöcke wurden für „… diesen seltsamen, wie aus den Felsen von Carrara gerissenen Marmorberg“, wie Dänemarks Märchendichter H. C. Andersen den Dom 1882 beschrieb, auf dem Naviglio Grande, einem Verbindungskanal mit dem Lago Maggiore, aus dem westlich des Sees gelegenen Candoglia nach Mailand transportiert. Sie hüllen den Dom in einen weißen, zart rosa getönten Mantel, der wie überall der Luftverschmutzung standhalten muss. Vor allem die mit Heiligenfiguren bekrönten Türme gehören zu den besonders fragilen architektonischen Elementen, deren Erhaltung ständige Pflege und komplexe Eingriffe erfordert. Spenden und besondere Turm-Patenschaften sollen helfen, Mailands Wahrzeichen zu erhalten. Denn, so Selene Manca, Pressesprecherin der Fabbrica genannten Dombauhütte: „Der Dom ist nicht nur ein Zentrum der Christenheit und ein soziales und kulturelles Wahrzeichen, er ist auch der wichtigste wirtschaftliche Motor der Stadt. Und schon mit einem Euro wird man Teil seiner Geschichte.“ Die Rettung vieler Kunstwerke vor Umwelteinflüssen ist auch ein Grund dafür, dass die Ausstellungsfläche des Dom-Museums nicht mehr ausreichte. Hinzu kamen immer mehr Exponate aus den Sakristeien und dem Depot, die alle ihren angemessenen Platz forderten. Nach der Restaurierung umfasst das Grande Museo del Duomo di Milano jetzt 27 Säle auf 2000 Quadratmetern mit Preziosen vornehmlich aus dem 15. bis 20. Jahrhundert: Skulpturen und Reliefs aus sechs Jahrhunderten, Gemälde in der Mehrzahl aus der Zeit von Carlo und Federico Borromeo (16. und 17. Jahrhundert), Glasmalereien aus acht Jahrhunderten sowie Tapisserien, dazu eine umfangreiche Palette von kleinen und großen Architekturmodellen zur Baugeschichte über Bewerbungs-Modelle der Bildhauer bis hin zu den Fassaden-Entwürfen. Selbst Kennern bietet jeder Raum etwas Neues. Der Rundgang beginnt in der Domschatzkammer. Zuletzt in der Krypta untergebracht, hat auch er jetzt seinen Platz im Palazzo Reale. Einige besonders wertvolle Objekte sind älter als die Kathedrale selbst. An Erzbischof Gotofredo (974–979) erinnert das kostbare fünfteilige Elfenbein-Diptychon – so nannte man in der Spätantike ein zusammenklappbares Schreibtafelpaar – aus dem 5. Jahrhundert, das dieser zum Prachteinband eines Evangeliars werden ließ. Auf Erzbischof Ariberto da Intimiano (1018–1045) – eine besonders schillernde Figur, erst enger Verbündeter der deutschen Kaiser, und später Konrads II. erbitterter Feind – geht das berühmte Aribert-Kreuz zurück. Es ist der kostbare Rest vom Schmuck seines Grabdeckels aus purem Gold und Silber – und damit ein Beweis für dessen herausragende Bedeutung. Eines der interessantesten Ausstellungsstücke aber ist die „Madonna dell’Idea“ von Michelino da Besozzo vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Das doppelseitige Gemälde zeigt auf der Vorderseite die Madonna auf dem Thron und auf der Rückseite Jesu Darbringung im Tempel. Die Doppel-Darstellung Mailands als Kapitale eines mächtigen Staates und Zentrum der Ambrosianischen Kirche macht das Bild so wertvoll. Viel Beachtung verdienen auch die Glasfenster. Im Museum lässt sich nicht nur ihre technische und stilistische Vielfalt über die Jahrhunderte hinweg verfolgen und die Handschriften der verschiedenen internationalen Meister unterscheiden, man erkennt auch feine Details, die aus der Ferne gar nicht zu sehen sind. Im Zweiten Weltkrieg ausgelagert, haben die Fenster zwar die Kriegswirren schadlos überstanden, nicht jedoch die Umwelteinflüsse. Bereits seit dem 17. Jahrhundert reinigt und restauriert die Fabbrica die Glasmalereien. Zuletzt wurden von 1962 bis 1992 rund 2500 Quadratmeter saniert. Im nahen Dom-Archiv, dem Archivio della Veneranda Fabbrica del Duomo im Palazzo della Cultura, kann man das Wissen noch vertiefen. 1387 gegründet, dokumentiert es mit über 9000 Publikationen sowie Zeichnungen, Fotos und anderen Dokumente die Dom-Geschichte von der Planung über die Bauphase bis heute. Helga Schnehagen Öffnungszeiten – Dom-Museum: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Sonnabend bis 22 Uhr; Dom-Archiv: Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr. |
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