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07.12.13 / Droht der Zerfall der Ukraine? / Kiew lässt Opposition abblitzen − Gerüchten zufolge hat Janukowitschs Regierung Unruhen selbst angezettelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Droht der Zerfall der Ukraine?
Kiew lässt Opposition abblitzen − Gerüchten zufolge hat Janukowitschs Regierung Unruhen selbst angezettelt

Noch kann niemand voraussagen, wie die Ukraine in einigen Wochen aussehen und wer dann dort das Sagen haben wird. Zurzeit protestieren Hunderttausende gegen den Abbruch der Assoziierungsverhandlungen mit der EU seitens Präsident Viktor Janukowitschs.

Nachdem es bei den Demonstrationen vor dem Regierungsgebäude in Kiew zu Ausschreitungen gekommen war, bei denen die Spezialpolizei „Berkut“ mit aller Härte gegen alle Aktivisten und nicht nur gegen die Provokateure vorging, hatten die drei führenden Oppositionspolitiker Vitalij Klitschko von der Partei „Udar“, Arsenij Jazenok von „Batkwisch-tschina“ und Oleg Tjagnibok von „Swoboda“ einen Antrag auf ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Nikolaj Asarow gestellt. Dieses lehnte das Parlament am Dienstag jedoch ab, nachdem Asarow sich für das Vorgehen der Polizei entschuldigt hatte.

Bei dem, was zurzeit in der Ukraine vor sich geht, stellt sich nicht nur für westliche Beobachter sondern auch für ukrainische Analysten die Schlüsselfrage, wem die Unruhen nützen. Versucht Janukowitsch, sein vor dem EU-Assoziierungsgipfel begonnenes Spiel mit den „Großen“ EU und Russland fortzusetzen? Oder sind die Proteste vom Westen gesteuert als Antwort auf das geplatzte EU-Assozierungsabkommen? Fakt ist, dass die einzigen freien Radio- und Fernsehsender sich über US-amerikanische Stipendien finanzieren.

Beobachter gehen aber davon aus, dass Janukowitsch in jedem Fall von der Situation profitieren wird: Das über der ukrainischen Wirtschaft schwebende Damoklesschwert der Handelsschranken seitens Russlands ist abgewehrt und nach der Schlappe von Wilna wird der Fall Timoschenko für die EU keine große Rolle mehr spielen. Sie wird zunächst daran interessiert sein, die Ukraine zurück an den Verhandlungstisch zu bekommen. Interessanterweise hat auch niemand der auf dem zentralen Majdan-Platz in Kiew aufgetretenen Oppositionspolitiker die Freilassung Timoschenkos gefordert.

Putin, der durch den geplanten zollfreien Handel mit der EU russische Wirtschaftszweige in Gefahr sah, hält sich mit Kommentaren zur Ukraine bedeckt. Wirtschaftlicher Druck ist das einzige Instrument Moskaus, die Ukraine von einer Allianz mit der EU abzuhalten.

Mit Massendemonstrationen macht das Volk seiner Enttäuschung Luft. Viele sehen sich in Perspektivlosigkeit zurück-gelassen. Janukowitsch ist ein Präsident der Oligarchen. Es wird vermutet, dass seine Unterstützer aus der industriell starken Donezk-Region im Osten der Ukraine den Übergang zu europäischen Standards bei einer EU-Anbindung fürchteten und Janukowitsch deshalb im letzten Moment das Ruder herumriss. Janukowitsch-Unterstützer aus dem Donezk-Gebiet beherrschen zurzeit alle Ministerien. Es gibt das Gerücht, dass die Regierung die Unruhen selbst angezettelt habe, um Moskau und Brüssel weiter gegeneinander auszuspielen, indem die gegnerischen Partner mit einem möglichen Zerfall der Ukraine erschreckt werden.

Doch solch ein Vorgehen würde auch Risiken für Janukowitsch bergen. Zwar ringen die EU und Russland wirtschaftlich um Einfluss auf die Ukraine, aber einen Krieg will deswegen niemand vom Zaun brechen. Putin wartet ab, die EU-Vertreter schimpfen auf Janukowitsch und die USA tun so, als ob sie von allem nichts bemerkten.

Das ukrainische Volk ist indessen ernüchtert. Das Ausland wird mit jedem gewählten Präsidenten verhandeln, ganz gleich welche Positionen er vertritt. Im Gegensatz zu 2004 gibt es keinen oppositionellen Politiker, der gut genug vorbereitet wäre, die Regierungsgeschäfte sofort zu übernehmen. Im Augenblick kämpft jeder gegen jeden. Eine klare Linie ist nicht erkennbar.

Vor diesem Hintergrund wäre es in der Tat möglich, dass der Ukraine der Zerfall in einen von der EU dominierten West-Teil und in einen unter russischem Einfluss stehenden Ost-Teil droht. Zumindest deuten Pressestimmen an, dass ihr ein ähnliches Schick­sal wie Jugoslawien blühen könnte. Manuela Rosenthal-Kappi


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