18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.12.13 / Jetzt kommt es dicke / Landessozialgericht NRW ermöglicht Einwanderungswelle in deutsches Sozialsystem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Jetzt kommt es dicke
Landessozialgericht NRW ermöglicht Einwanderungswelle in deutsches Sozialsystem

EU-Bürger haben nach einem Gerichtsurteil Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie mindestens ein Jahr in Deutschland leben. Städte und Gemeinden fürchten eine Einwanderungswelle vor allem aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.

Erneut hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen rumänischen Staatsangehörigen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) zugesprochen. Geklagt hatte eine rumänische Familie mit einem Kind, die seit 2009 in Gelsenkirchen wohnt und zunächst vom Verkauf von Obdachlosenzeitschriften und Kindergeld gelebt hatte. Das Jobcenter lehnte den im November 2010 gestellten Hartz-IV-Antrag mit der Begründung ab, Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, könnten keine Grundsicherungsleistungen erhalten. Diesen im Sozialgesetzbuch II enthaltenen Leistungsausschluss sieht das Landessozialgericht als europarechtswidrig an und erkannte den Klägern die beantragte Leistung zu.

Erst kürzlich hatte ein anderer Senat des selben Gerichts in einem ähnlich gelagerten Fall einer rumänischen Roma-Familie Sozialhilfe zugesprochen, da EU-Bürger ein Anrecht darauf hätten, wenn sie seit mehr als einem Jahr erfolglos eine Arbeitsstelle suchten. In diesem Fall seien sie nicht mehr als „nicht arbeitsuchend“ einzustufen, da das Bemühen um eine Arbeitsstelle „objektiv aussichtslos“ sei. Zugleich schoben die Richter der Einwanderung in den deutschen Wohlfahrtsstaat jedoch einen Riegel vor, indem sie deutlich machten, dass die Antragsteller bei Dauerarbeitslosigkeit „EU-Bürger ohne Aufenthaltsgrund“ seien und abgeschoben werden könnten (siehe PAZ 42/2013). Mit seinem jüngsten Urteil ist das Landessozialgericht weit über diese und weitere frühere Entscheidungen hinausgegangen. Es vertritt nun die Auffassung, der Leistungsausschluss „in dieser ausnahmslosen Automatik“ widerspreche dem zwischen den EU-Staaten vereinbarten gesetzlich wirksamen Gleichbehandlungsgebot. Soweit die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie es den Mitgliedstaaten erlaube, einschränkende Regelungen zur Vermeidung von sogenanntem Sozialtourismus vorzusehen, sei dies „nicht in der im Sozialgesetzbuch II enthaltenen unbedingten und umfassenden Form“ möglich. Die Unionsbürgerrichtlinie verlange „eine bestimmte Solidarität“ des aufnehmenden Staates Deutschland mit den anderen EU-Mitgliedstaaten.

Durch dieses Urteil bekommen Befürchtungen, die großzügige Gewährung von Sozialhilfe könnte ein Anreiz für den weiteren Zuzug von Zigeunerfamilien nach Deutschland sein oder Ansprüche der rund 130000 bereits in Deutschland lebenden Rumänen und Bulgaren begründen, neue Nahrung. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bekommt schon heute jeder zehnte Rumäne und Bulgare in Deutschland staatliche Leistungen, die weitere Kosten für Unterkunft und Krankenversorgung nach sich ziehen. Mit der Anfang kommenden Jahres in Kraft tretenden uneingeschränkten Freizügigkeit von Rumänen und Bulgaren innerhalb der EU wird diesen der Zuzug nach Deutschland erheblich erleichtert. Der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München warnt daher vor einer Einwanderungswelle in die hiesigen Sozialsysteme. Er lehnt zwar eine Einschränkung der Freizügigkeit ab, fordert aber, dass derjenige, der in seinem Heimatland steuerfinanzierte Sozialleistungen erhalten könne, in einem anderen Land darauf keinen Anspruch haben dürfe. Auch die Kommunen, aus deren Kassen die finanziellen Wohltaten kommen, fürchten einen Sozialtourismus nach Deutschland. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, erwartet „wirksame Maßnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger“. Schon jetzt seien viele Kommunen „mit der Finanzierung der Unterbringung und Versorgung dieses Personenkreises“ überfordert, so seine Begründung. Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl, der schon früher von der EU-Kommission Maßnahmen „gegen Sozialmissbrauch und Arbeitsmigration“ gefordert hatte, sieht das genauso: „Wer tatsächlich gar keine Chance hat, als Arbeitnehmer oder Selbstständiger erfolgreich tätig zu sein, ist nicht von der Freizügigkeit geschützt. Für diese Gruppe müssen Sozialleistungen ausgeschlossen sein.“

Die designierte Bundesregierung hat den Zündstoff, den die Sache birgt, offensichtlich erkannt. In ihrem Koalitionsvertrag stellen Union und SPD fest: „Die Armutswanderung führt in einzelnen großstädtisch geprägten Kommunen zu erheblichen sozialen Problemlagen bei der Integration, Existenzsicherung, Unterbringung und Gesundheitsversorgung. Wir erkennen die Belastung der Kommunen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben an.“ Die „Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU“ wollen sie aber unbedingt erhalten und deshalb „der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken“ sowie „im nationalen Recht und im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben durch Änderungen erreichen, dass Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme verringert werden“. Dies tun sie indes weniger aus Einsicht in die Notwendigkeit dieser Maßnahmen als wohl vielmehr weil sie befürchten, „rechtspopulistische“ Kräfte könnten sich das Thema kommendes Jahr im Europawahlkampf zunutze machen. Jan Heitmann


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren