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07.12.13 / Wenig nützlich / Was die Vergangenheit lehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-13 vom 07. Dezember 2013

Wenig nützlich
Was die Vergangenheit lehrt

Aus der Geschichte zu lernen läuft in Deutschland fast immer darauf hinaus, negative Ereignisse und Erfahrungen zum Anlass zu nehmen, es heute ganz anders machen zu wollen. Dass dies auch anders geht, versucht der Münchener Kunsthistoriker Loel Zwecker zu beweisen. Dabei konzentriert er sich auf fünf Themenbereiche, nämlich Ehe und Partnerschaft, Arbeit, Steuern, Bildung und Erziehung sowie Sport.

Die Idee klingt grundsätzlich plausibel, doch schon der erste Abschnitt zeigt das Hauptproblem des Buches: Inwiefern taugt die alternative Praxis der Vergangenheit denn nun tatsächlich als Orientierungshilfe für Gegenwart und Zukunft, wenn es zu allen Zeiten eine riesige Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten gab? Dazu kommt, dass das Werk auch nicht sonderlich innovativ ist, wovon unter anderem die Ausführungen über die Arbeit zeugen. So ist die Erkenntnis, dass ein Arbeitstag nicht zwangsläufig lang und stressig sein müsse, da das ungewöhnlich entspannte Leben steinzeitlicher Jäger und Sammler das Gegenteil beweise, schon über 40 Jahre alt.

Ebenso unangenehm berührt, wie kritiklos der Verfasser im Kapitel über die Steuern einer erzwungenen Einkommensverteilung durch Steuerprogression das Wort redet und behauptet, dass nur die relative Gleichheit der Lebensverhältnisse Zufriedenheit garantiere. Denn damit ignoriert Zwecker ja die gravierenden historischen Erfahrungen mit dem alles nivellierenden „real existierenden Sozialismus“, der nicht zuletzt an der totalen Demotivierung der Menschen gescheitert ist.

An den anschließenden Aussagen über Bildung und Erziehung fällt erneut die schon erwähnte Orientierungslosigkeit auf, die im Widerspruch zur Intention des Buches steht: Zwecker konfrontiert den Leser zwar in seiner typischen Zettelkastenmanier mit unzähligen Exempeln aus der Vergangenheit, destilliert aber wiederum kaum Vorbildhaftes heraus.

Und dann der Sport! Über diesen schreibt der Kunsthistoriker ausnahmsweise einmal nicht chronologisch, sondern arbeitet die Bandbreite der jeweiligen Formen und Konsequenzen von „Leibesübungen“ ab. Doch will sich auch hier – mit Blick auf die Reflexionen über Körperkult, Fan(un)wesen, Sportrebellen und NS-Propaganda – kein besonderer Lerneffekt einstellen.

Das Buch endet mit einem Epilog unter dem Titel „Wie man bisher aus der Geschichte gelernt hat und was man noch lernen könnte“. Dieser kulminiert in der etwas banalen Feststellung, dass die Menschen auch in der Zukunft in die Vergangenheit zurückblicken und damit unsere Gegenwart in den Fokus nehmen werden. Dann dürften laut Zwecker die Historiker „auf ähnliche Weise erschüttert und perplex sein wie wir, wenn wir einen Blick auf Ereignisse werfen, die gerade mal 70 Jahre zurückliegen“. Damit hat er vermutlich sogar recht – wobei noch abzuwarten wäre, welche Phänomene der heutigen Zeit bei den Nachgeborenen dann das größte Kopfschütteln auslösen. Wolfgang Kaufmann

Loel Zwecker: „Ein Schritt zurück in die Zukunft. Was wir aus der Geschichte lernen können“, Pantheon Verlag, München 2013, gebunden, 416 Seiten, 17,99 Euro


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