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14.12.13 / Mehr als nur Angst vorm Borkenkäfer / Anwohner des geplanten Nationalparks Nordschwarzwald sehen diesen auch als Angriff auf ihr Selbstverständnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Mehr als nur Angst vorm Borkenkäfer
Anwohner des geplanten Nationalparks Nordschwarzwald sehen diesen auch als Angriff auf ihr Selbstverständnis

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann nach Absegnung durch den Landtag Ende November jetzt den Startschuss für ein Projekt geben, das ihm mindestens so viel Hass von den betroffenen Anwohnern einbringt wie der Weiterbau des Tiefbahnhofs Stuttgart 21 (S21). Die Begeisterung der eigenen Klientel für den Nationalpark Nordschwarzwald ist dafür grenzenlos.

Mal wieder geht es in Stuttgart um Bäume. In den letzten Wochen gab es jedoch weniger Protest wegen deren Abholzung im Rahmen von S21, sondern genau wegen des Gegenteils. Denn die grün-rote Landesregierung plant nun bereits seit über zwei Jahren die Einführung des Nationalparks Nordschwarzwald. Was auf den ersten Blick nur wie eine harmlose Umbenennung der Region zwischen Baden-Baden und Baiersbronn wirkt, trifft die Menschen im Umfeld des 10000 Hektar großen Geländes in ihrem Selbstverständnis. Seit Jahrhunderten leben die Bewohner dort mit, für und von dem Wald. Nicht nur Sägewerke und passionierte Jäger leben von dem Staatsforst, auch die Bürger sehen den Wald als ihren erweiterten Lebensraum an. Mit der Entscheidung, dass dieses Stück Natur Nationalpark wird, geht einher, dass es fortan nicht mehr bewirtschaftet und genutzt werden darf, sondern wieder Urwald werden soll.

Während Greenpeace sowie die Naturschützer von Nabu, BUND und WWF außer sich vor Freude sind, dass künftig Tiere und Pflanzen in der Region ohne Belästigung durch den Menschen wieder gedeihen können, fürchten die Anwohner die Ausbreitung des Borkenkäfers. Ihre Sorge vor der ungebremsten Vermehrung dieses Baumtöters nimmt dabei schon fast hysterische Züge an, was sich damit erklären lässt, dass die Entscheidung des Landtags für den Urwald all ihre Leistungen und die ihrer Vorfahren für den Erhalt des Waldes nach ihrem Empfinden abwertet.

„Warum soll die Bewirtschaftung, wie wir sie schon immer betreiben, jetzt plötzlich nicht mehr richtig sein“, fragte so auch Wolfgang Schlund vom Naturschutzzentrum Ruhestein. Er versteht – wie so viele andere – nicht, warum ihre Form des Naturschutzes weniger wert sein soll als der von der grün-roten Landesregierung geplante.

Dabei ist die Idee des Nationalparks keineswegs eine neue. Schon in den 90er Jahren unter einer tiefschwarzen CDU-Führung wurde erstmals darüber nachgedacht, doch der Protest der eigenen Anhänger erstickte jeden Gedanken an eine Umsetzung im Keim. Und so hilft es auch nicht, wenn Baden-Württembergs Verbraucherschutzminister Alexander Bonde (Grüne) die aufgebrachten Anwohner mit Hinweis auf die CDU-Chefin Angela Merkel zu beruhigen versucht. Diese befürwortet nämlich, dass bis 2020 fünf Prozent der deutschen Waldfläche sozusagen „ausgewildert“ werden. Neben Rheinland-Pfalz sei Baden-Württemberg das einzige Flächenbundesland ohne Nationalpark. Auch würde das geplante Areal nur 0,7 Prozent der gesamten Waldfläche des Landes ausmachen. Zudem betont Bonde, dass man nicht von Brasilien verlangen könne, 25 Prozent seines Regenwaldes unberührt zu lassen, während man gleichzeitig den eigenen Wald nicht in Ruhe lasse. Dass sein Vergleich mit der rabiaten Abholzung des tropischen Regenwaldes mit der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten forstwirtschaftlichen Nutzung des Nordschwarzwaldes eine Beleidigung für die Nationalpark-Anwohner ist, konnte Bonde schnell an deren Reaktionen ablesen. Doch die grün-rote Koalition in Stuttgart lässt sich nicht beirren. Zwar ließ die Landesregierung die betroffenen Anwohner Studien und Gutachten einsehen, hörte auch deren Kritik und ließ sie sogar einen Volksentscheid abhalten, der 78 Prozent Gegenstimmen zum Nationalpark-Projekt erbrachte, doch der Wald gehöre allen Baden-Württembergern und es gebe kein kommunales Vetorecht, lautete der abschließende Kommentar aus der Landeshauptstadt. Der Bürger muss gehört, aber nicht erhört werden, soll Kretschmann gesagt haben, zumindest kursiert dieses Zitat im Nordschwarzwald und das verleiht der Verbitterung der Bürger Ausdruck.

CDU und FDP im Landtag versuchten den verärgerten Anwohnern eine Stimme zu geben. Während die Liberalen vom grünen „Ideologiepark“ sprachen und das Projekt als „ökonomischen, ökologischen und fiskalischen Unsinn“ bezeichneten, versuchte die CDU, in der man die Idee an sich ja begrüßt, die Fläche des anvisierten Nationalparks zu halbieren. Doch 5000 Hektar Urwald seien nichts Halbes und nichts Ganzes, schmetterten die Grünen den Kompromiss ab. Und nun lobt Kretschmann, dass man der Natur ein Stück zurückgebe und der Nationalpark „von unschätzbarem Wert für den Erhalt der biologischen Vielfalt“ sei. Die Kosten für die Umsetzung seines Plans wiederum sind offenbar ähnlich unschätzbar, denn sie variieren, je nachdem, wen man fragt. Im Landeshaushalt werden zumindest vorerst sieben Millionen Euro als Anschubfinanzierung angesetzt, die jährlichen Betriebskosten werden auf neun Millionen Euro veranschlagt. Die Frage, wieso ein Urwald Millionen kostet, kann zum Teil mit Hinweis auf die Kompensationszahlungen an Sägewerkbesitzer beantwortet werden. Zudem sollen 60 Mitarbeiter eingestellt werden, die die Natur beim Wuchern beobachten und kontrollieren, die erwarteten Touristenströme lenken sollen. Rebecca Bellano


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