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14.12.13 / Sein Tod löste den Ersten Weltkrieg aus / Wer war dieser Erzherzog Franz Ferdinand, dessen Ermordung Auslöser, aber nicht Ursache des Völkerringens war?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Sein Tod löste den Ersten Weltkrieg aus
Wer war dieser Erzherzog Franz Ferdinand, dessen Ermordung Auslöser, aber nicht Ursache des Völkerringens war?

„Sopherl, Sopherl, stirb mir nicht, bleibe für meine Kinder“, so sollen laut seinem Adjutanten Franz Graf Harrach die letzten Worte von Erzherzog Franz Ferdinand gelautet haben, bevor er verstarb. Es war bereits das zweite Attentat an diesem 28. Juni 1914, das auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger und seine Frau bei ihrem Besuch in Sarajewo verübt worden war. Kurz darauf setzten sich in Europa die Armeen in Bewegung, ein Unglück nahm seinen Lauf.

Hätte man den vor 150 Jahren, am 18. Dezember 1863, in Graz geborenen Franz Ferdinand zu Lebzeiten gefragt, was das wichtigste Datum seines Lebens sei, so hätte er vermutlich auch den 28. Juni genannt. Allerdings verfügte der Neffe des österreichischen Kaisers und ungarischen Königs Franz Joseph I. eigentlich nicht über wahrsagerische Fähigkeiten, denn er hätte nicht das Jahr seines Todes 1914, sondern das Jahr 1900 an das Datum angefügt. An diesem Tag wurden die Voraussetzungen dafür gelegt, dass er die Frau seines Herzens, Sophie Gräfin Chotek, heiraten durfte, obwohl sie in der Adelshierarchie weit unter ihm stand. Zwar muss­te Franz Ferdinand an diesem 28. Juni 1900 für seine noch ungeborenen Nachkommen aus dieser Beziehung auf alle Ansprüche auf den Thron verzichten, dafür erteilte ihm aber der Kaiser die Erlaubnis, seine langjährige heimliche Freundin vor den Traualtar zu führen.

Dass die Wahl seiner Gattin einmal ein derartiges Politikum werden würde, war bei der Geburt von Franz Ferdinand nicht absehbar gewesen. Schließ­lich war er nur der Sohn von einem der drei Brüder des Kaisers, der selber einen Sohn hatte. Doch als Thronerbe Rudolf 1889 mit seiner Geliebten Selbstmord beging und er mit seiner Frau Stephanie nur eine Tochter in die Welt gesetzt hatte, rutschte Franz Ferdinand in der Thronfolge plötzlich von Platz 3 auf Platz 2. Und da sein Vater Karl Ludwig ein netter Mann war, aber nicht das Format zum Kaiser hatte, blickte plötzlich alle Welt auf dessen ältesten Sohn, der allerdings das Lungenleiden seiner früh verstorbenen Mutter Prinzessin Maria Annunziata von Neapel-Sizilien geerbt hatte. Zwar hatte Franz Ferdinand eine rasche Auffassungsgabe, war jedoch kein fleißiger Schüler. Was ihn nicht interessierte, lehnte er ab. Oft begehrte er auf, und seine gerade einmal acht Jahre ältere Stiefmutter Marie Therese von Portugal war die einzige, die ihm als Jungen und später auch als Mann ins Gewissen reden konnte. Daher war das Entsetzen des Kaisers und dessen Hofstaates gering, als beim nach außen hin schroff auftretenden Thronfolger die Lungenkrankheit ausbrach, denn eigentlich sagte ihnen dessen nächstjüngerer, smarter Bruder Otto als zukünftiger Kaiser durchaus mehr zu, was sie auch deutlich zum Ausdruck brachten. Franz Ferdinand fühlte sich zurückgesetzt und witterte hinter jeder Kleinigkeit misstrauisch seine Degradierung, doch da er viele Jahre zur Genesung in Sanatorien oder auf Reisen verbringen musste, übernahm Otto dessen Repräsentationspflichten.

Der wahre Thronfolger litt darunter, nicht akzeptiert zu werden, nur auf der Jagd fühlte er sich frei. Da er ein perfekter Schütze war, erlegte er fast alles, was ihm vor die Flinte kam. Im Laufe seines Lebens sollen es 274889 Tiere gewesen sein, was selbst in der damaligen Welt, in der die Jagd ein gesellschaftliches Ereignis war, für negative Schlagzeilen sorgte. Obwohl Franz Ferdinand zeit seines Lebens ein schon fast als extrem zu nennender Anhänger der römisch-katholischen Kirche war, waren ihm christliche Wesenszüge wie Mitleid und Nächstenliebe fremd. Die soziale Frage, die damals mehr und mehr zum Thema wurde, kümmerte ihn gar nicht. Die Lebensverhältnisse der unteren Schichten waren ihm nie eine Abhandlung wert, obwohl er in späteren Jahren sich viel mit den Umwandlungen des Habsburgerreiches, das er ja eines Tages zu führen gedachte, beschäftigte.

Doch das dürften nicht die Gründe sein, warum sein Tod nicht nur in der Donaumonarchie eher Erleichterung als Entsetzen auslöste. Denn der liebende Ehemann und treusorgende Vater dreier Kinder, die beim Tod ihrer Eltern gerade einmal zehn, zwölf und 13 Jahre alt waren, war zugleich zu tiefem Hass fähig. Dieser traf in erster Linie die Ungarn, deren dominierende Position in der Doppelmonarchie er zu beschränken versuchte. Stets betonte er, dass er nichts gegen den Ungarn an sich habe, doch die ungarische Adelsclique samt ihrer aus seiner Sicht übertriebenen Herrschsucht war ihm ein Greuel. Für ihn war das Habsburgerreich ein Vielvölkerstaat, in dem alle Völker gleich viel zu sagen haben sollten. Was jedoch nicht bedeutet, dass er für das allgemeine Wahlrecht gewesen wäre, das gegen seinen Willen vom ansonsten reformmüden Kaiser 1907 durchgesetzt wurde. Aus Franz Ferdinands Sicht war der Adel durchaus zu Höherem geboren und er verlangte, dass der Kaiser trotz der Existenz eines Parlaments das letzte Wort hatte. Und so nutzte er jede Gelegenheit, um sich Feinde zu machen. Auch vermutete er überall Verschwörungen von Juden, Freimaurern, Sozialisten und Ungarn.

Politisch weit davon entfernt ein Liberaler zu sein, war der passionierte Soldat stets von intellektuell anerkannten Beratern umgeben, mit denen er eigene politische Positionen erarbeitete. So mancher Parlamentarier ärgerte sich darüber, dass Entscheidungen nicht nur mit dem Kaiser, sondern auch noch mit dem Thronfolger besprochen werden mussten, der oft anderer Meinung war als sein Onkel. Die beiden Männer respektierten sich zwar, waren sich jedoch menschlich nicht zugetan. Lange ließ der Kaiser zu, dass Franz Ferdinands Frau bei Hofe gedemütigt wurde. Doch je älter der 1830 geborene Monarch selber wurde, desto eher war er bereit, Milde zu zeigen. Auch der Freitod seines einzigen Sohnes und die Ermordung seiner Frau 1898, die bis heute unter dem Namen Sissi/Sisi bekannt ist, dürften ihn weich gemacht haben. 1913 ernannte er Franz Ferdinand dann sogar zum „Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht“. Als dieser aber den Kaiser 1914 bat, dem geplanten Manöver in Bosnien-Herzegowina aus gesundheitlichen Gründen fern bleiben zu dürfen – bereits zuvor gab es Attentatsgerüchte, wenn auch nur unkonkrete –, schickte ihn der Kaiser trotzdem in die Gefahrenzone. Zwar gehörte die Region zum Kaiserreich, doch das benachbarte, mit Russland befreundete Serbien verteufelte die von Wien durchgeführte engere Bindung Sarajewos an die Donaumonarchie. Und da bekannt war, dass Franz Ferdinand von den serbischen Nationalisten ähnlich viel hielt wie von ungarischen Adligen, war er das Hassobjekt Nummer 1 und das durchgeführte Manöver der kaiserlichen Truppen nahe Sarajewo, sozusagen vor Serbiens Haustür, für viele eine Provokation. Eine weitere Brüskierung war zudem, dass die Habsburger ihre Macht in Sarajewo genau am Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld vom 15. Juni 1389 demonstrierten, als die Serben ihre Unabhängigkeit an die Türken verloren.

Dabei hatte Franz Ferdinand mehrfach ausgeführt, dass ein Krieg mit Serbien auf jeden Fall zu vermeiden sei, auch wenn man es schnell niederringen würde. „Und was haben wir dann?“, fragte er bereits 1913, um dann selber die Antwort zu geben: „Erstens fällt ganz Europa über uns her und betrachtet uns als Friedensstörer, und Gott behüte uns, dass wir Serbien annektieren; ein total verschuldetes Land mit Königsmördern und Spitzbuben.“

Letzt­endlich besaß der Thronfolger also doch prophetische Fähigkeiten. Aber zum Leidwesen Europas im Allgemeinen und der Doppelmonarchie im Besondern erinnerte sich nach seiner Ermordung niemand mehr an diese Sätze. Und so nahm das Unheil seinen Lauf: Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn mit deutscher Rückendeckung Serbien den Krieg. Kurz danach machten Russland und Frankreich gegen die beiden Kaiserreiche mobil. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen. Rebecca Bellano


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