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14.12.13 / Die heilen Christkinder vom Gardasee / Deutsche Restauratorin schließt die „Wunden“ wertvoller Jesusfiguren und stellt sie in einem Museum aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Die heilen Christkinder vom Gardasee
Deutsche Restauratorin schließt die „Wunden“ wertvoller Jesusfiguren und stellt sie in einem Museum aus

Der Anblick des Kindleins war herzergreifend, ihm fehlten sämtliche Finger und Zehen“, erzählt Hiky Mayr, eine deutsche Kunstsammlerin, die seit über 35 Jahren Jesuskind-Skulpturen sammelt und restauriert. In Gardone Riviera am westlichen Ufer des Gardasees lebt sie mit ihrem Mann, dem Hotelier Rudy Mayr. Die ganze Familie, einschließlich der zwei Kinder, arbeitet im eigenen Hotel „Il Grand Hotel Fasano“. Und hier hat auch alles angefangen.

Mayr war vor vielen Jahren auf der Suche nach Dekorationsobjekten für ihr Hotel. Bei einem Antiquitätenhändler fielen ihr zwei nackte Holzbeinchen auf, die schmutzig und voller Ab­schürfungen zwischen allerlei altem Gerümpel hervor lugten.

„Wem gehören denn diese Beinchen?“, fragte sie den Händler. Nach seiner Antwort „dem Jesuskind“ war es um Mayr geschehen. Mit viel Mühe stellte sie die Figur wieder her zum heute schönsten Schmuckstück ihrer Sammlung. Seit dem Ereignis sammelt sie und widmet sich leidenschaftlich der Restaurierung der alten Figuren. Seit 2005 kann man sich diese im „Museo Il Divino Infante“ in Gardone ansehen. Inzwischen folgten zahlreiche Ausstellungen in italienischen und ausländischen Mu­seen. Mayrs Buch „Il Bambino Gesu – Italienische Christkinder“ wurde zu einem Standardwerk für Liebhaber. Die Resonanz des Publikums auf ihre Leidenschaft ist durchgehend so positiv, dass die Kunstliebhaberin nun auch über ein Restaurierungslabor in ihrem Museum nachdenkt, um Praktikanten zu schulen. Kurse über die Anfertigung kleiner Jesuskind-Skulpturen könnten das öffentliche Bewusstsein für dieses nationale Kulturgut Italiens schärfen.

Schon in vorchristlicher Zeit taucht in verschiedenen Religionen eine Art „göttliches Kind“ auf und bereits um 40 vor Christus sang der römische Dichter Vergil in seiner Hirtendichtung „Bucolica“ vom kommenden Gottessohn: „Schon wird neu ein Spross gesandt aus himmlischen Höhen … Auf denn, Knabe, du kleiner.“

Die Verehrung des Jesuskindes geht weit ins Mittelalter zurück, aber auch in der Neuzeit findet man zahlreiche Zeugnisse, die die Verehrung des göttlichen Kindes belegen. Zuhauf stellte man sie her im christlichen Abendland in der Zeit zwischen dem 15. und

19. Jahrhundert. Als drei be­sonders berühmt gewordene Beispiele seien hier nur das Loreto- Kindl von Salzburg, das Prager Jesulein und das Santo Bambino in Ara Coeli, Rom zu nennen.

Der zumeist nackten Darstellung des Gottessohnes im 15. Jahrhundert schloss sich danach ganz zeitgemäß im Sinne des Barocks eine prunkvolle Ausstaffierung der Figuren in Samt und Seide an. In Kirchen und Klöstern konnte man sie bewundern. Der Adel bettete sie in der hauseigenen Kapelle, und selbst in den Hütten der armen Bevölkerung waren sie zu finden. In ganz Europa gab es den Brauch, jungen Frauen vor dem Eintritt ins Kloster ein Christkind als sogenanntes Trösterlein mitzugeben. Die Bräute Christi konnten so ihre unterdrückten Wünsche nach Mutterschaft durch zärtliches Umsorgen eines kleinen Bambino Gesu kompensieren.

Das Museum in Gardone ist das einzige Haus weltweit, das über eine so bedeutende Sammlung an Jesuskind-Figuren verfügt. Die Ausstellung belegt mit jedem Stück die Techniken, Materialien sowie die Verwendung und die Ikonografie der Skulpturen. Hauptsächlich dargestellt werden Figuren des göttlichen Kindes Jesu, in einigen Fällen auch die weibliche Form des Marienkindes. In Norditalien, vor allem der Lombardei, behauptete sich zu­sätzlich der Kult des äußerst selten zu findenden weiblichen Marienkindes.

Alle kunstvollen Objekte sind Einzelstücke und sicherlich keine Krippenfiguren. Die Größe der Statuen von 60 bis 90 Zentimeter bei stehenden und 50 bis 70 Zentimeter bei liegenden Skulpturen spricht dagegen.

Nackt oder gewickelt, in prunkvollen Kleidern oder schlicht, aus Holz, Wachs, gebranntem Ton oder Pappmaché. Mayr achtete in allen Details auf originalgetreue Restaurierung unter Berücksichtigung überlieferter Techniken.

„Dazu war es nötig, jede Menge Bücher zu lesen und etliche Experten zu Rate zu ziehen,“ sagt die Restauratorin und hofft, dass viele neue Gäste ihr Museo Il Divino Infante besuchen werden. Und das nicht nur zur Weih­nachtszeit. Silvia Friedrich


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