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14.12.13 / Mehr als Logik / Welt der Zahlen als Abenteuer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Mehr als Logik
Welt der Zahlen als Abenteuer

Beruflich, als Vortragender und Publizist widmet sich der österreichische Mathematiker Rudolf Taschner engagiert der Welt der Zahlen und mathematischen Formeln. Dem Professor für Mathematik an der TU Wien ist daran gelegen, dass sein Fachgebiet nicht als Disziplin der kalten Logik wahrgenommen wird, sondern, gemäß seiner tatsächlichen Bedeutung, als kulturelle Errungenschaft. In seinem jüngsten Opus mit dem Titel „Die Zahl, die aus der Kälte kam. Wenn Mathematik zum Abenteuer wird“ schöpft er erneut aus seinem umfassenden, fachübergreifenden Wissen. So allgemein verständlich wie möglich, so tiefschürfend wie nötig präsentiert er eine kleine Kulturgeschichte des Rechnens und der elektrischen Zahlenmaschinen, befasst sich mit „geheimnisvollen Zahlen“ und lüftet das Geheimnis der Spionage-Codes von Nachrichtendiensten. Die Codes basieren auf großen Primzahlen, und aus diesem Grund spielt auch der Buchtitel auf den Krimi „Der Spion, der aus der Kälte kam“ von John le Carré an. Allerdings: Bei dem Potenzieren von Potenzen und bei einigen aus gutem Grund überwiegend in den Fußnoten versteckten Formeln geht der Autor über die Dimension dessen hinaus, was ein zwar wissbegieriger, aber mit der Materie eher wenig vertrauter Leser noch zu begreifen vermag.

Der Autor verharrt aber nie allzu lange bei den „nackten Zahlen“. Er trägt Anekdoten über die großen Denker vor, in denen ihre Eigenarten, Schrullen und ihre Streitigkeiten aufs Korn genommen werden. Zuletzt geht es noch um die Frage: Kann die Mathematik irgendwann die Grenzen der menschlichen Erkenntnis hinter sich lassen, die bislang als unüberwindbar gelten? Tatsächlich stellte sich bei einigen Genies, denen der Durchbruch auf gewissen Problemfeldern der Mathematik gelang, der Anspruch auf Allwissenheit ein. Zu ihnen gehörte David Hilbert (1862–1943), der aus Königsberg stammte und ab 1895 mit großer Strahlkraft als Professor in Göttingen wirkte. 1930 hielt Hilbert eine Ansprache, die im Radio übertragen wurde und als Schallplattenaufnahme erhalten ist. Hilbert bezeichnete die Mathematik als ein Instrument zur Vermittlung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Denken und Beobachten. Damit nannte er wohl eine der besten aller möglichen Definitionen dessen, was Mathematik ist oder sein kann. Und er schlug sich entschieden auf die Seite derjenigen Naturwissenschaftler, die ein „Ignorabimus“ – die Annahme, dass niemals die Grenzen überwunden werden können, die den Menschen von der „Allwissenheit“ trennen – nicht tolerieren wollten. Hilbert schloss seine Rede mit den Worten: „Wir müssen wissen, wir werden wissen.“ Diesen hehren Anspruch untergrub etwas später der Österreicher Kurt Gödel (1906–1978), indem er durch eine neue Methode nachwies, das Hilbert mit seinem Programm, jedenfalls in dieser Hinsicht, in einer Sackgasse gelandet war.

So nimmt man als Leser staunend teil an den Debatten über eine höchst komplexe und komplizierte Thematik. Das ist nicht minder spannend als die auf den Punkt gebrachten Geschichten über Gelehrte wie Archimedes (287–212 v. Chr.) und Adam Riese (1492–1559) sowie über die Vermessung der Erde. Interessante Querverbindungen zur Gegenwart finden sich in den Kapiteln „Zahl und Schrift“ und „Nicht Rechnen, Schätzen will gelernt sein“. Gefragt, was Mathematik sei, bekennt sich Taschner zur Auffassung von Hermann Weyl (1855–1955), einem Schüler von Hilbert: „Mathematik ist die Wissenschaft vom Unendlichen.“ D. Jestrzemski

Rudolf Taschner: „Die Zahl, die aus der Kälte kam. Wenn Mathematik zum Abenteuer wird“, Hanser, München 2013, geb., 244 Seiten, 20,50 Euro


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