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14.12.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Fehler gehören wiederholt / Warum Russland unter Quarantäne bleiben muss, wie die CDU ihr Scheitern organisiert, und wie FDP-Chef Lindner ihr nacheifert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-13 vom 14. Dezember 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Fehler gehören wiederholt / Warum Russland unter Quarantäne bleiben muss, wie die CDU ihr Scheitern organisiert, und wie FDP-Chef Lindner ihr nacheifert

Warum er nicht nach Sotschi fahren will, sagt er nicht. Daher bleiben nur Mutmaßungen darüber, weshalb Bundespräsident Gauck einen Besuch der Olympischen Winterspiele in der südrussischen Stadt ablehnt.

Im Mutmaßen sind die Medien allerdings gut geübt und hatten daher schnell eine plausible Erklärung parat: Russland sei kein wirklicher Rechtsstaat, keine echte Demokratie. Damit wolle sich der vom Kommunismus gezeichnete Präsident die Finger nicht schmutzig machen.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding sieht es ähnlich, sie sagt das aber ganz offen und fertigt die Russen barsch ab: Auf keinen Fall wolle sie dahin, Russland gehe nämlich schäbig mit Minderheiten um, ist demnach also kein richtiger Rechtsstaat.

Immerhin hat sie sich verkniffen, die Russen wegen der „Demokratiedefizite“ zu beschimpfen. Das tun die Medien ja schon seit Jahren. Doch in Sachen Demokratie hängt sich eine EU-Kommissarin besser nicht so weit aus dem Fenster, aus gutem Grunde: Dass die EU demokratisch sei, wagen selbst in Brüssel nur noch die Frechsten oder Dümmsten zu behaupten. Putin kann immerhin anbringen, dass er vom Volk gewählt wurde. Aber wer hat Viviane Reding gewählt?

Allerdings ist die EU auch mit dem Rechtsstaat nicht ganz so sattelfest: Wie viele EU-Verträge sind im Zuge der Euro-Krise noch gleich gebrochen worden? Wir haben irgendwann aufgehört, mitzuzählen. In jedem Falle gilt: Hätten die Russen eine solche Reihe an Rechts- und Vertragsbrüchen hingelegt, hätte die Frau Reding denen die Ohren langgezogen!

Das kann man jedoch natürlich nicht miteinander vergleichen. Brüssel macht überhaupt feine Unterschiede: An Länder wie Jordanien oder Mauretanien hat sich die EU schon vor Jahren in einer Mittelmeerunion herangekuschelt. Auf deren „Rechtsstaatlichkeit“ hat man da nicht so genau ge­guckt, es hätte auch nicht viel zu sehen gegeben. Zur Mittelmeerunion gehört zudem Ägypten, dessen Christen der Frau Reding zum Thema Minderheitenschutz einiges erzählen könnten, wenn sie nicht so sehr damit beschäftigt wären, zu überleben.

Dass Russland anders behandelt wird, hat mit der großen Politik zu tun. Der Großmeister unter den US-Polit-Strategen, Zbigniew Brzezinski, hat schon vor 16 Jahren klargestellt, dass es das unbedingte Ziel amerikanischer Weltmachtpolitik sein müsse, die Bildung eines „eurasischen Blocks“ zu verhindern. Kämen sich EU und Russland zu nahe, geriete der schreckliche Block womöglich in Sichtweite. Das hätte Washington nicht gern, worauf Brüssel und Berlin selbstverständlich Rück­sicht nehmen. Schließlich will man sich bei den Bilderbergern ja noch unter die Augen treten können. Aus diesem Grunde gelten für Moskau gewisse Quarantäne-Bestimmungen, ist hier also besondere Strenge angesagt.

Da ein solcher Block mit China weitaus unwahrscheinlicher ist (Russland liegt ja noch dazwischen), kann man mit Peking viel lockerer umgehen. So fand selbst die prinzipienfeste Frau Reding dem Vernehmen nach nichts dabei, dass ihr Kommissionspräsident Barroso mit EU-Ratspräsident Van Rompuy den Chinesen vergangenen Monat mit einem mehrtägigen Staatsbesuch huldigten und sich dabei sogar aufs Heftigste vorführen ließen: Journalisten wurden vor den Augen Barrosos drangsaliert und durften während einer Presse-„Konferenz“ der beiden mit Chinas Führer nicht eine einzige Frage stellen.

Herman Van Rompuy erhält für seine tolle Arbeit und seine historischen Verdienste nächstes Jahr den begehrten Karlspreis der Stadt Aachen. Jede der jährlich verliehenen Medaillen ziert eine individuelle Inschrift, welche die besonderen Verdienste des jeweiligen Preisträgers würdigt. Auf der Auszeichnung für Karlspreisträger Henry Kissinger steht beispielsweise „Für Partnerschaft und Frieden“, beim früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, „Stabilität und Vertrauen für Europa“.

Wir wissen, wofür die beiden wirklich standen: Henry Kissingers Fährte ist unauflöslich mit blutigen Umstürzen und den allerschmutzigsten Geheimdienstoperationen verwoben; Trichets Euro könnte der Sprengstoff werden, der das Vertrauen in die EU und am Ende gar die Stabilität ganz Europas in die Luft jagt.

Mit anderen Worten: Auf den Medaillen steht so ziemlich genau das Gegenteil dessen, was die Preisträger wirklich auszeichnet. Somit empfehlen wir für Van Rompuys Preis die Losung „Für Charisma, Kompetenz und vorausschauendes Handeln“.

„Vorausschauendes Handeln“ der zeitgenössischen Art ist anders als früher. Heute analysiert man nicht mehr Erfolge und Misserfolge der Vergangenheit, um daraus Leitlinien für die Zukunft zu entwickeln. Heute lässt man sich von einer fixen Idee am Nasenring führen und wiederholt alte Fehler so lange, bis alles zum Teufel ist.

Das gilt nicht bloß für EU und Euro, das ist auch die Richtschnur für die deutsche Innenpolitik. Zweimal hat die CDU in ihrer Geschichte erlebt, dass in tiefrotem Umfeld wie durch ein Wunder bürgerliche Mehrheiten entstanden. Leiten die erfolgreichen Rezepte hinter diesen „Wundern“ seitdem die Strategie der CDU? Im Gegenteil. Warum? Weil sie nicht zur fixen Idee einer „modernen Großstadtpartei“ passen.

West-Berlin war ein fester Erbhof der SPD, bis CDU-Raubein Heinrich Lummer auftauchte. Der zog durch die Arbeiterviertel und klärte die SPD-was-denn-sonst-Wähler darüber auf, dass „ihre“ Partei nichts mehr fürs Kleinbürgertum übrig habe. Er überzeugte sie als harter, konservativer Knochen, der für Ordnung sorgt und die einfachen Leute versteht. Die Folge waren 20 Jahre CDU-Dominanz in Berlin.

Dann entdeckte die Hauptstadt-Union, dass es bei Journalisten und Linksintellektuellen viel besser ankommt, wenn man eine „moderne Großstadtpartei“ wird, wozu man ein bisschen auf blassrot und lindgrün machen sollte. Das Resultat war ein Desaster, die Wähler rannten in Scharen davon.

Fast gleichzeitig, als in Berlin für die CDU die Sonne unterging, zog ein Richter in Hamburg die damals schon 20 Jahre alte Lummer-Nummer noch einmal durch. Die Hansestadt war bis dahin 44 Jahre sozialdemokratisch regiert worden. Der Mann machte das zwar mit einer eigenen Partei, schuf zusammen mit der CDU aber erstmals satte bürgerliche Mehrheiten sogar in bislang ewig roten Stadtteilen. Im Bündnis mit ihm kam die CDU zur Macht an der Alster. Der Richter, Schill sein Name, zerlegte dann allerdings seine Partei. Doch statt dessen Erfolgsrezept zu übernehmen, kopierte die (nun sogar allein regierende) Hanseaten-Union lieber das ka­tastrophale Vorbild ihrer Berliner Schwester – ja, sie ging auf dem Weg zur „modernen Großstadtpartei“ sogar noch da­rüber hinaus, bis in eine schwarz-grüne Koalition. Ergebnis: Bei der nächsten Wahl wurde die CDU halbiert.

Was die können, kann ich auch, sagt sich der strahlende neue FDP-Chef Christian Lindner. Dessen Truppe ist bekanntlich aus dem Bundestag geflogen. Mindestens zur Hälfte lag das daran, dass es gerade im Lager einstiger FDP-Wähler massive Kritik am Euro gibt. Und dass 2009 viele Leute FDP gewählt hatten, die sich eine bürgerliche Partei rechts der Mitte wünschten, denen die Union zu links geworden war. Beide zeigten der FDP 2013 einen Vogel, sie waren tief enttäuscht.

Was schließt Lindner daraus? Den Euro-Kritikern will er „keinen Zentimeter“ entgegengehen. Und „links“ und „rechts“ der Mitte gebe es gar nicht mehr, behauptet er. Die FDP müsse sich daher für Bündnisse mit SPD und Grünen öffnen, wofür er sie von ihrem „Kapitalisten“-Image befreien will. Man könnte auch sagen: Lindner will die FDP endlich zur „modernen Großstadtpartei“ machen, um an die Erfolge anzuknüpfen, welche die CDU in den beiden größten Großstädten mit dieser Strategie errungen hat.


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