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21.12.13 / Euro-Retter vor dem Offenbarungseid / 2014 übernehmen ausgerechnet die Krisenländer Griechenland und Italien die EU-Ratspräsidentschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Euro-Retter vor dem Offenbarungseid
2014 übernehmen ausgerechnet die Krisenländer Griechenland und Italien die EU-Ratspräsidentschaft

Eine Entscheidung, die vor Kurzem vom höchsten griechischen Gericht getroffen wurde, könnte sowohl in Griechenland als auch im übrigen Europa noch für Furore zu sorgen.

Während untergeordnete Gerichte entsprechende Klagen bisher stets abgelehnt haben, wurde vom Obersten Gerichtshof erstmals die Klage eines Arztes akzeptiert, der gegen alle Politiker Strafanzeige wegen Betrugs und Landesverrats gestellt hat, die das „Memorandum“ mit der Troika aus EU, EZB und Währungsfonds unterschrieben haben. Mit einem Prozess ist in der Angelegenheit vorerst nicht zu rechnen. Viele der angezeigten Politiker sind Abgeordnete und genießen damit Immunität. Bevor ein Prozess in Gang kommt, muss das Parlament zu den Vorwürfen erst einmal Stellung nehmen. Eine vorübergehende „Beerdigung“ des Verfahrens ist damit wahrscheinlich.

Eine Wirkung könnte die Klage dennoch entfalten. Aufleben, und damit für einige Politiker zu einer akuten Bedrohung werden, könnte das Verfahren wegen Landesverrat nämlich, sobald in Griechenlands Parlament andere Machtverhältnisse herrschen, etwa nach vorgezogenen Neuwahlen. Eine mögliche Folge dieses Damoklesschwertes: Es dürfte künftig schwieriger werden, in Athen noch Politiker zu finden, die bereit sind, unter Vereinbarungen mit der Troika ihre Unterschrift zu setzten.

Dabei ist das Verhandlungsklima ohnehin schon vergiftet genug. Während die Troika weitere Einsparungen verlangt, sieht die griechische Regierung keinen Spielraum mehr, wenn sie nicht politischen Selbstmord begehen und riskieren will, durch soziale Unruhen gestürzt zu werden. Der aktuell wohl kritischste Streitpunkt ist ein neues Gesetz zur Immobilienbesteuerung, bei dem die griechische Regierung zum Verdruss der Troika bisher nicht einlenkt. In Athen will man aus sozialen Gründen an einem Verbot von Zwangsversteigerungen für selbstgenutzte Immobilien festhalten. Das gut gemeinte Gesetz verleite in der Praxis dazu, dass auch solvente Bankkunden ihre Hypotheken nicht mehr zahlen, hält die Troika dagegen. Die drohende Folge des festgefahrenen Streits: Da Griechenland zum 1. Januar 2014 für ein halbes Jahr die EU-Präsidentschaft übernimmt, könnte über der dann anstehenden Einigung der Eindruck entstehen, Griechenland sei während seiner Präsidentschaft gleichzeitig Räuber und Gendarm in einer Person. Eigentlich sollten zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni keine für das griechische Hilfsprogramm relevanten Entscheidungen getroffen werden, doch derzeit noch ausstehende Einigungen machen diesen Plan hinfällig.

Derlei Finessen könnten allerdings schon bald nebensächlich sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu den gleichermaßen von der EU-Kommission wie von der griechischen Regierung gefürchteten Neuwahlen kommt, ist beträchtlich gestiegen. Die Regierungskoalition aus Nea Dimokratia und Pasok kann sich im Parlament nur noch auf eine hauchdünne Mehrheit von vier Stimmen stützen. Dazu knirscht es nun auch noch innerhalb der Regierung unüberhörbar. Regierungsvize Evangelos Venizelos (Pasok) zieht mittlerweile ganz offen über Finanzminister Stournaras (parteilos) her. Parallel zu dieser Selbstdemontage auf der Regierungsbank verkündet Alexis Tsipras, der Chef der größten Oppositionspartei Syriza („Koalition der Radikalen Linken“), derweil schon, dass er binnen Jahresfrist in Athen das Ruder übernimmt. Tatsächlich hat Syriza beste Chancen, bei Neuwahlen stärkste Partei zu werden. Mit Tsipras würde umgehend das Thema „Schuldenschnitt“ auf der Tagesordnung stehen.

Auch bei der Troika herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass Griechenland seine Schuldenlast nicht mehr stemmen kann. Einen klassischen Schuldenschnitt, der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) inzwischen gefordert wurde, wollen EU und EZB aber immer noch vermeiden, denn für die bisherige Euro-Rettungspolitik käme der Schritt einem Offenbarungseid gleich. Ein Großteil der rund 250 Milliarden Euro griechischer Staatsschulden liegt mittlerweile bei den Rettungsschirmen EFSF und ESM oder bei der EZB. Zwei Hilfspakete und ein erster Schuldenschnitt haben an der völligen Überschuldung Griechenlands nichts geändert, die Schulden sind lediglich von privaten Investoren und Banken an Europas Steuerzahler weitergereicht worden. Kommt es zu einem neuen Schuldenschnitt, dann wäre offensichtlich, dass die Euro-Krise Europas Bürger wirklich echtes Geld kostet und ärmer macht.

In eine Zwickmühle würde damit auch der künftige deutsche Finanzminister geraten. Die Finanzierung der Koalitionsvereinbarungen von Union und SPD ist sprichwörtlich auf Kante genäht. Fallen durch einen Schuldenschnitt für Griechenland Verluste an, dürfte in Deutschland das Thema Steuererhöhungen ganz schnell auf der politischen Tagesordnung stehen. Als Horrorjahr droht sich 2014 allerdings auch für Brüssel zu entpuppen. Sind griechische EU-Präsidentschaft und EU-Wahlen im Mai überstanden, übernimmt mit Italien gleich ein anderer Krisenkandidat die EU-Präsidentschaft, der sich gerne mal bockbeinig und unberechenbar gibt. Norman Hanert


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