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21.12.13 / Wie ein Kelch das Schweigen brach / Antiquität aus dem alten Persien beschleunigte Verhandlungen über Irans Nuklearprogramm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Wie ein Kelch das Schweigen brach
Antiquität aus dem alten Persien beschleunigte Verhandlungen über Irans Nuklearprogramm

In die weihnachtlichen Gefühle von Frieden und Versöhnung passt eine interessante politische Begebenheit, die erst jetzt bekannt wurde. So führte eine kleine diplomatische Geste zu dem sensationellen Telefonat zwischen US-Präsident Barack Obama und Irans neuem Präsidenten Hassan Rohani, das ausschlaggebend für die Verhandlungen über eine mögliche friedliche Lösung des umstrittenen Nuklearprogramms war. Sensationell war dieses Telefongespräch fürwahr, nachdem beide Länder 34 Jahre in einem eisigen Schweigen verharrt hatten, seitdem 1979 die US-Botschaft in Teheran gestürmt und die Diplomaten 444 Tage in Geiselhaft gehalten worden waren. Der Hass aufeinander war seitdem von den politischen Betonköpfen auf beiden Seiten pausenlos geschürt worden. Doch wie kam es zu dem Gespräch?

Die Episode begann im Sommer, als Experten des Weißen Hauses diskutierten, wie man dem neuen, moderaten Präsidenten inmitten der schwelenden Krise um das Nuklearprogramm am besten begegnen, ihm freundlichen Respekt erweisen könnte, ohne damit den Falken beider Länder ins Messer zu laufen. Neben allerlei anderen Vorschlägen kam einer der Experten, ein US-Diplomat der Vereinten Nationen, der nicht genannt sein will, auf eine ungewöhnliche Idee: Warum nicht einen antiken Silberkelch aus dem 7. Jahrhundert vor Christi Geburt zurückgeben? Dieser Kelch von größtem historischem Wert, ein kulturelles Erbe aus dem alten Persien, war nach einer Ausgrabung im Iran 1980 gestohlen und ins Ausland geschmuggelt worden. 2003 gelangte der Kelch zu dem bekannten Antiquitätenhändler Hicham Abutaam in Genf. Dieser versah ihn mit einem Zertifikat, dem zufolge er aus Syrien stamme, und brachte ihn nach New York, um ihn dort zu verkaufen. Als ein Kunstsammler bereit war, eine Million US-Dollar zu zahlen, bekamen Offizielle Wind von der Sache und beschlagnahmten den Kelch als Kunstraub. Abutaam wurde angeklagt und zu 5000 US-Dollar Geldstrafe verurteilt. Der Kelch aber ruhte seitdem in einem Depot der Homeland Security in New York. Dies blieb den Iranern nicht verborgen und seit zehn Jahren versuchten sie vergeblich, das kostbare antike Stück wiederzubekommen, was aber an den eisigen Beziehungen zwischen beiden Ländern scheiterte.

Im September fand die Tagung der UN in New York statt, bei der Rohani sein Debüt gab. Nach Obamas Rede vor der Vollversammlung landete plötzlich eine E-Mail bei dem UN-Diplomaten. In dieser wurde er instruiert, einen Weg zu finden, Rohani, der in zwei Tagen New York verlassen würde, den Kelch zu übergeben ohne Aufsehen zu erregen. Der Kelch wurde von einem Boten heimlich in das Büro des Diplomaten gebracht. Dieser rief seinen iranischen Kontakt an und erklärte, er habe ihm etwas zu übergeben, ehe sein Präsident New York verlassen würde. Ein Treffen wurde vereinbart in einem Teil des UN-Gebäudes, in dem wegen Bauarbeiten keine Sicherheitskräfte waren, die das geheime Unternehmen hätten stören können. Und so begab sich der Diplomat, das edle Stück in einem weißen Karton verpackt, zu dem Treffen. Dort schob er diesen über den Tisch und erklärte, die Vereinigten Staaten wollten Präsident Rohani etwas übergeben. Der iranische Diplomat öffnete den Karton und erstarrte. „Er stand auf und reichte mir die Hand“, berichtete der Amerikaner. „Dann hielt er eine kleine Rede, wie viel dem iranischen Volk das bedeuten würde. Nie hatte ich eine so enge Begegnung mit einem iranischen Kollegen. Das werde ich nie vergessen.“ Zwei Tage später, als Rohani auf dem Weg zum Flughafen war, rief Obama ihn an. Rohani akzeptierte. Und als Erstes bedankte er sich für das Geschenk. Das Gespräch verlief nahezu freundschaftlich. Das Eis war gebrochen. Auch in der iranischen Bevölkerung. „Die Amerikaner zeigen uns Respekt“, hieß es dort. Und Ende Oktober kam es zu der vorläufigen Einigung über das Nuklearprogramm zwischen den Iranern und dem Block aus den USA, Frankreich, Deutschland, Russland, China und Großbritannien. Ein Sieg der Diplomatie, der die Furcht vor Krieg erst einmal in die Ferne schob.

Doch natürlich ruhen die Falken auf beiden Seiten nicht. Die Hardliner im Iran bemühten sich, den Kelch als Fälschung darzustellen und beschuldigten Rohani, auf falsche Offerten des Westens hereinzufallen. Und im US-Kongress ist eine Gruppe dabei, die bevorstehende Verabschiedung des Verteidigungsbudgets an einen Zusatz zu knüpfen, der weitere harte Sanktionen für den Iran enthält. Das Weiße Haus kämpft darum, dies zu verhindern. Denn, wie Irans Au-ßenminister Mohammed Javad Zarif bereits erklärte: „Wenn der US-Kongress dem zustimmt, ist der gesamte Deal tot.“ Liselotte Millauer


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