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21.12.13 / Im Wechsel der »Jahreszeiten« / Litauens Nationaldichter kam aus Gumbinnen – Christian Donelaitis vor 300 Jahren geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Im Wechsel der »Jahreszeiten«
Litauens Nationaldichter kam aus Gumbinnen – Christian Donelaitis vor 300 Jahren geboren

Siehe, des Winters Zorn wildtobend kehret schon wieder! / Mit aufsträubendem Haar herfleucht uns zu schrecken der Nordwind.“ Diese Verse wurden nicht kürzlich mit Blick auf das Sturmtief „Xaver“ geschrieben, sondern sind mehr als 200 Jahre alt. Sie leiten das Herbstkapitel im Versepos „Die Jahreszeiten“ ein. Deren Autor, der litauisch-deutsche Pfarrer Christian Donelaitis – litauisch Kristijonas Donelaitis – gilt als Begründer der litauischen Nationalliteratur. Vor 300 Jahren, am 1. Januar 1714, wurde er in einem kleinen Dorf nahe dem ostpreußischen Gumbinnen geboren.

Donelaitis wuchs wie selbstverständlich im deutschen Kulturkreis auf. Aus ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen stammend konnte er an der Königsberger Domschule, dem Kneiphof, die Schule besuchen und später an der Albertina Theologie studieren. Dort gab es ein vom König angeordnetes Litauisches Seminar zur Erhaltung der litauischen Sprache, an dem er seine einfachen heimischen Sprachkenntnisse verbesserte. Nach mehreren Jahren als Hauslehrer übernahm er 1743 das Predigeramt in Tollmingkehmen, wo er bis zu einem Tod am 18. Februar 1780 Prediger einer deutsch-litauischen Ge­meinde war, mithin in beiden Sprachen predigte und darüber hinaus umfangreiche Dienste in Bildung und Unterricht versah, die damals von einem Prediger erwartet wurden. Gerühmt wurde sein Sinn für alles Praktische. Er war bewandert in Physik und Mechanik, schliff auf Anforderung optische Gläser für Brillen und Fernrohre und war be­rühmt für sei­ne selbstgebauten Barometer und Thermometer.

Am be­rühmtesten aber wurde er durch „Die Jahreszeiten“. Es war ein in klassischen Hexametern gehaltenes Epos, in dem am Wechsel der Jahreszeiten die Wechselfälle des menschlichen Lebens dargestellt wurden, begleitet von ständigen Mahnungen, tugendsam zu leben sowie Gefahren und Ängste mit Gottvertrauen zu ertragen. Das darin geschilderte Panorama ist ein einzigartiges Sittenbild eines von der Zivilisation noch wenig berührten litauischen Bauernlebens im 18. Jahrhundert und entsprechend auch in einer recht einfachen Sprache des Volkes gehalten.

Fast wie ein Homer findet Donelaitis volksnahe Be­schreibungen: Bastsohltragende Männer, schwer hus­tende Greise, gänzlich al­tersgekrümmte Frauen oder ledergeflügelte Fledermäuse.

Was von den Jahreszeiten erwartet werden kann, deuten bereits die Kapitelüberschriften an: Frühlingsfreuden, Sommermühen, Herbstfülle und Wintersorgen. Strahlend beginnt der erste Gesang, der Frühling: „Wiederum stieg die Sonne herauf und weckte die Welt auf. / Lachte der Werke des kalten Winters und warf sie in Trümmer. / Leicht mit dem Eise zerrann, was der Frost phantastisch erbaute / und der schäumende Schnee verwandelte rings in ein Nichts sich.“

Das Epos wurde erst im Jahr 1818 ins Deutsche übertragen und dann mehrfach übersetzt, zuletzt 1970 von Hermann Buddensieg. Auch in Litauen hat es sich nur langsam durchgesetzt; inzwischen gehört es zum eisernen Bildungskanon des Landes. Die Unesco nahm das Werk 1977 in die „Bibliothek der Literaturmeisterwerke Europas“ auf.

In Bittehnen [Bitenai] im Memelland, wurde im Jahr 2003 ein Gedenkstein für Donelaitis aufgestellt, der zweisprachig gehalten ist und auf dem sich auch deutsche Nachkommen des Dichters aus Wittstock, Tübingen, Wuppertal und Bremen seiner erinnern. Der 300. Geburtstag mag Anlass für beide Nationen zu einem gemeinsamen Gedenken sein. Dirk Klose


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