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21.12.13 / Wurde der »Retter« zum »Verderber« Preußens? / Vor 600 Jahren verzichtete der 27. Hochmeister des Deutschen Ordens, Heinrich von Plauen, endgültig auf sein Amt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Wurde der »Retter« zum »Verderber« Preußens?
Vor 600 Jahren verzichtete der 27. Hochmeister des Deutschen Ordens, Heinrich von Plauen, endgültig auf sein Amt

Vor 600 Jahren, am 7. Januar 1414, verzichtete der Hochmeister des Deutschen Ordens, Heinrich von Plauen, endgültig auf sein Amt, nachdem ihn eine Opposition unter Führung des Obersten Marschalls Michael Küchmeister bereits im Oktober des Vorjahres gefangen gesetzt und seiner Würde entkleidet hatte. Gut drei Jahre, nachdem Plauen den preußischen Ordensstaat in seinem großen Krieg gegen seine vereinigten Nachbarn Polen und Litauen durch die Behauptung der von ihnen belagerten Marienburg vor dem Untergang bewahrt hatte, wurde er von seinen Mitbrüdern gewaltsam politisch ausgeschaltet. Wie ist dieser radikale Umschwung in seinem Schicksal zu erklären?

Die Spannungen, die zwischen Preußen und seinen Nachbarn, dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen, bestanden, entluden sich 1409 in einem Krieg, in dessen Verlauf das Heer des Ordens in der Schlacht bei Tannenberg am 15. Juli 1410 gegen die vereinten polnisch-litauischen Truppen eine vernichtende Niederlage erlitt. Hochmeister Ulrich von Jungingen und viele seiner höchsten Amtsträger fielen im Kampf, ganz Preußen schien dem Zugriff des Feindes hoffnungslos preisgegeben zu sein, so dass ein Großteil seiner Bischöfe, Ritterschaften und Städte dem Sieger, König Wladislaw II. von Polen, huldigte, in dem Glauben, die Sache des Ordens sei verloren.

Aber ein niederer Amtsinhaber aus seinen Reihen, der Komtur von Schwetz Heinrich von Plauen, erkannte die Notwendigkeit der Stunde. Vom Hochmeister dazu beauftragt, das südliche Pommerellen vor einem polnischen Angriff zu schützen, war er an der Schlacht nicht beteiligt gewesen, war jedoch sofort, nachdem er die Nachricht von ihrem Ausgang erhalten hatte, zur Marienburg, der größten Burganlage des Ordens in Preußen, gezogen und verteidigte sie, als am 25. Juli das polnisch-litauische Heer vor ihren Toren erschien, über neun Wochen lang erfolgreich. Nach dem Rückzug der Belagerer vermochte er die verlorenen Teile Preußens fast vollständig zurückzugewinnen, bis die Erschöpfung beider Kriegsparteien sie dazu bewog, am 1. Februar 1411 den (Ersten) Thorner Frieden abzuschließen.

Er war, verglichen mit dem Abgrund, in den der Ordensstaat nach Tannenberg geschaut hatte, ein großer Erfolg: Sein territorialer Bestand wurde unvermindert bewahrt, allein die ihm gehörige Landschaft Schamaiten (nördlich der Memel), die Litauen 1409 besetzt hatte, musste er dessen Großfürsten Witold zugestehen, allerdings nur zu Lebzeiten der beiden derzeit regierenden polnischen und litauischen Herrscher. Der Orden verpflichtete sich außerdem dazu, zur Auslösung der in polnisch-litauischer Hand befindlichen Kriegsgefangenen 260000 Gulden zu zahlen. Seine Rettung hatte er zweifellos Heinrich von Plauen zu verdanken, der die militärische Lage nach Tannenberg erkannt, entschlossen reagiert und die Wende des Krieges herbeigeführt hatte. Folgerichtig wählten ihn die Ordensbrüder im November 1410 zum neuen Hochmeister.

Mit aller Energie packte Plauen die innen- und außenpolitischen Herausforderungen in der Bewältigung der Nachkriegslage an und räumte aufkeimende Widerstände gegen seine Politik gelegentlich mit rücksichtslosen Mitteln aus. Bereits die ersten Monate nach dem Thorner Vertrag zeigten, dass beide Parteien einander weiterhin unversöhnlich gegenüberstanden. Polen-Litauen weigerte sich, die dem Orden zugesagte Urkunde über die künftige Rückgabe Schamaitens auszufertigen, so dass der Hochmeister die Zahlung der dritten Rate der Kriegsentschädigung ablehnte. Er suchte für sein Verlangen nach vollständiger Wiederherstellung des Vorkriegszustandes die Unterstützung des gewichtigsten Gegners Polens, des ungarischen und deutschen Königs Sigismund. Aber dieser lehnte das ihm angebotene Angriffsbündnis gegen Polen trotz der ihm versprochenen 300000 Gulden ab, er war zur Wahrung einer ausgleichenden Stellung nur zu einem Verteidigungsbündnis bereit. Als der Hochmeister den Abschluss eines solchen verweigerte, verständigte sich Sigismund mit Wladislaw II. und bot an, die Streitigkeiten zwischen dem Orden und Polen-Litauen als Schiedsrichter zu entscheiden. Wohl oder übel musste Plauen auf seinen Vorschlag eingehen, obwohl er zuvor durch die Werbung von Söldnertruppen im Reich die Voraussetzungen für einen erneuten Waffengang zu schaffen getrachtet hatte.

Sein wichtigster diplomatischer Berater, Michael Küchmeister, riet ihm freilich von einem Angriff ab, da sich der Orden dadurch vor der deutschen und europäischen Öffentlichkeit ins Unrecht setze. Plauen war von größtem Misstrauen gegenüber den Verhandlungen in der königlichen Residenz Ofen (dem späteren Budapest) erfüllt, seine dortigen Gesandten „müssen“, wie er es in seiner drastischen Sprache ausdrückte, „tanzen, wie man ihnen vorgeigt“. Als Küchmeister unter dem Druck von Sigismunds Kriegsdrohung die Zahlung der letzten Raten der Kriegsentschädigung und im Falle ihres Ausbleibens die Verpfändung der Neumark an Polen zusagte, erreichte es Plauen immerhin, durch die Einbeziehung von eigenen Vertrauensleuten aus Städten und Ritterschaft Preußens die erforderlichen Gelder aufzubringen, und beseitigte damit die Gefahr, dass die militärischen Verbindungslinien, auf denen die Söldner aus dem Reich über die Neumark nach Preußen zogen, gekappt wurden.

Die Verhandlungen, die der Gesandte Sigismunds in Schamaiten um die offenen Streitfragen führte, bekräftigten freilich die Abneigung des Hochmeisters gegen diplomatische Gespräche, da dieser Partei zugunsten der Ordensgegner ergriff. Nach der Ablehnung von dessen Spruch betrieb Plauen wieder Kriegsrüstungen und entschloss sich im Herbst 1413 zu einem Angriff auf Nordpolen. Die wegen seiner Erkrankung von Küchmeister geleiteten Truppen hatten die Grenze schon überschritten, als oppositionelle hohe Ordensbrüder unter dessen Führung das Unternehmen abbrachen, den Hochmeister Anfang Oktober 1413 auf der Marienburg gefangen setzten und zur Amtsaufgabe zwangen. Der Konflikt um die grundsätzliche Richtung der Ordenspolitik nach Tannenberg und Thorn war endgültig eskaliert und hatte zum unheilbaren Bruch zwischen dem Hochmeister und der Mehrheit seiner Amtsträger geführt. Küchmeister hatte bereits im Sommer 1412 nachdrücklich vor einem neuen Krieg gewarnt, er erinnerte an die günstige politische, finanzielle und militärische Lage des Ordens vor Tannenberg, welche die Niederlage nicht habe verhindern können. „Beachte aber, daß man ein oder drei Jahre im Krieg gewinnt und einmal darin strauchelt! Man darf sich nicht leichtfertig einem Krieg ergeben und nicht einem Abenteuer verfallen, aus dem die Vertilgung des Ordens und die Aufgabe des Landes erwachsen können. Der Segen des Krieges kommt allein von Gott, und wir sollten die vergangenen Schäden zu einer Warnung vor künftige zu Herzen nehmen!“ Plauens Botschafter an der römische Kurie ermahnte ihn deutlich dazu, er solle nicht als erster den Krieg beginnen und nicht die Feindschaft des Papstes wegen seiner Amtsgewalt über die geistlichen Orden provozieren: „Habt Ihr nicht gehört, wie die Tempelherren auf päpstliches Gebot in allen Landen (Europas am Anfang des 14. Jahrhunderts) vertilgt wurden?“

Hochmeister Heinrich von Plauen hatte wegen der andauernden Angriffe Polen-Litauens auf die Existenz des Ordensstaates – der litauische Großfürst hatte zuletzt ganz Preußen, allein das Kulmerland ausgeschlossen, als sein väterliches Erbe für sich beansprucht – in sich die Auffassung befestigt, dass allein ein neuer Krieg dem Orden die erwünschte Entlastung verschaffen könne. Er machte sich allerdings nicht hinreichend klar, ob die Voraussetzungen für eine längere erfolgversprechende Kriegführung mit geldhungrigen Söldnern nach den vorangegangenen finanziellen und wirtschaftlichen Einbußen des Ordens und in dessen bündnispolitischer Vereinsamung noch vorlagen. Seine Absichten stießen innerhalb des Ordens auf zunehmenden Widerstand, weil sein Hauptkontrahent Küchmeister mit seinen Kenntnissen des Mächtespiels in Mittel- und Ostmitteleuropa die Kriegspläne und das Vertrauen auf das Kriegsglück für ein unverantwortbares Risiko, für eine gravierende Gefährdung der Ordensherrschaft hielt. Plauens Gegner sahen den Orden durch dessen Krieg auf dem Weg in seinen Untergang und entschlossen sich im letzten Augenblick zur Umkehr.

Der rückblickende Historiker wird nicht leugnen können, dass Heinrich von Plauen die Züge eines tragischen Helden anhaften. Seine militärische Kompetenz, sein ungebrochener Wille, seine hohe Durchsetzungskraft bewahrten den preußischen Deutschordensstaat davor, nach einer außergewöhnlichen Kriegsniederlage auseinanderzubrechen, und mit allem Nachdruck suchte er die gewaltigen Kriegsfolgelasten zu bewältigen. Zunehmend konzentrierte er sich für die Behauptung des Ordensstaates einseitig auf eine militärische Lösung, ohne ihre Gefahren ausreichend zu bedenken. Seine Politik trieb seine Gegner immer mehr dazu zu befürchten, dass sich der „Retter“ des Ordens und Preußens zu ihrem „Verderber“ entwickeln würde. Aufstieg und Fall eines Herrschers liegen, wie sein Beispiel zeigt, gerade in außergewöhnlichen Zeiten dicht beieinander. Klaus Neitmann

Der Verfasser ist seit 1993 Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs.


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