28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.12.13 / Wie eine schlimme Bescherung vermieden wurde / Vor 30 Jahren, Heiligabend 1983, entging das Haus Schustehrusstraße 13 in Berlin nur knapp der Zerstörung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-13 vom 21. Dezember 2013

Wie eine schlimme Bescherung vermieden wurde
Vor 30 Jahren, Heiligabend 1983, entging das Haus Schustehrusstraße 13 in Berlin nur knapp der Zerstörung

Wie aus der Zeit gefallen wirkt das älteste noch erhaltene Bürgerhaus in Berlin-Charlottenburg, Schustehrusstraße 13, zwischen Gierkeplatz und Richard-Wagner-Platz. Das zwischen großen Mietshäusern gelegene, einstöckige Gebäude wurde 1712 errichtet und stand vermutlich einst an der Hauptstraße der Stadt Charlottenburg, die nach ihrer Gründung im Jahr 1705 zunächst für einige Jahre gänzlich vom Königshof abhängig war. Auch der sorgfältig ausgearbeitete Grundriss von Charlottenburg war auf das Schloss als Bezugspunkt ausgerichtet. Heute ist das barocke Bürgerhaus Schustehrusstraße 13 als „begehbares Baudenkmal“ Mittelpunkt des Altstadtpfads, der mit zwölf Informationstafeln vom Charlottenburger Rathaus zum Schloss führt. In einem Gebäude auf dem rückwärtigen Grundstück präsentiert das Keramikmuseum Berlin seit 2004 in wechselnden Sonderausstellungen Keramik aus dem deutschen Kulturkreis.

Vor 30 Jahren wäre das kostbare Relikt der frühen Stadtarchitektur beinahe von der Bildfläche verschwunden. Obwohl das seinerzeit leer stehende, historisch wertvolle Haus in bester Lage bereits unter Denkmalschutz gestellt war und ein besonderes öffentliches Interesse an seinem Erhalt bestand, planten die letzten privaten Besitzer, eine Kommanditgesellschaft, insgeheim den Abriss, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Engagierte Anwohner beobachteten unterdessen das heruntergekommene Gebäude und nahmen in Eigenregie notwendige Reparaturarbeiten vor, da noch kein Konzept für eine Sanierung und spätere Nutzung vorlag. Der bestmögliche Termin, um Tatsachen zu schaffen, schien an Heiligabend 1983 gekommen. Offenbar wohlbedacht wählten die Hausbesitzer für den geplanten illegalen Abriss der Immobilie einen Zeitpunkt, an dem man auf eine verringerte Aufmerksamkeit der Anlieger hoffen konnte, und gingen dabei ein hohes Risiko ein. Diese Hoffnung erwies sich dann als trügerisch, der Abrissversuch schlug glücklicherweise fehl. Allerdings hatte der Radlader schon fast die gesamte Vorderfront des alten Gemäuers zerstört, als die herbeigerufene Polizei die Aktion stoppte. Da ein städtebauliches Rahmenkonzept für die vernachlässigte Altstadt Charlottenburgs bereits in Kraft war, gab dieser Vorfall bei den Behörden Anlass, rasch zu handeln. Im Zuge des eingeleiteten Enteignungsverfahrens ging das barocke Bürgerhaus Schustehrusstraße 13 in den Besitz des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf über. In einem Prozess vor dem Landgericht Berlin wurden zwei der Angeklagten zu Geldbußen verurteilt, ein dritter zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung.

1985 begann die Renovierung des Bürgerhauses mit einer aufwendig in alter Handwerkstechnik durchgeführten Rekonstruktion. Das Haus Schustehrusstraße 13 ist eines von nur noch zwei erhaltenen Berliner Beispielen, die seit 1712 im Zuge des Ausbaus von Charlottenburg nach dem Vorbild eines Musterentwurfs des Schlossbaumeisters Eosander von Göthe (1669–1728) entstanden. Die baugeschichtliche Untersuchung ergab, dass an dem eingeschossigen Doppelstubenhaus mit Mittelflur im 18. Jahrhundert mehrfach Umbauten vorgenommen wurden. 1799 wurde eine Tordurchfahrt zum rückwärtigen Grundstück eingefügt. Ziel der langjährigen Wiederherstellung war der bauliche Zustand um 1800 mit einer Fassadengestaltung, die seinerzeit an die Architekturschöpfungen David Gillys (1748–1808) anknüpfte.

In ihrem Buch „Wo der Bürgermeister König war“ hat die Berliner Historikerin Dorothea Zöbl die turbulente Geschichte des Hauses und seiner Bewohner mit Blick auf die Entwicklung Charlottenburgs dargestellt. Besonders gut beleuchtet ist der jüngere Zeitabschnitt. Von 1843 bis 1954 war das Anwesen Schustehrusstraße 13, damals Scharrenstraße 34, in Besitz einer Familie Eckmann. Außer den Besitzern lebten in dem kleinen Haus mehrere Mietsparteien Tür an Tür. Ab 1860 befand sich dort eine Schankwirtschaft mit Ladengeschäft, und wenig später gründete Franz Eckmann sein „Tanz-Institut“. 1876 ließ er auf dem rückwärtigen Grundstück einen zweigeschossigen Saalbau mit Empore für Großveranstaltungen errichten. Auf einer kolorierten Postkarte um 1900 sind das Konterfei Eckmanns und der Tanzsaal abgebildet sowie die Fassade des Vorderhauses, in dem der Bruder des Tanzlehrers einen Zigarrenhandel betrieb. 1943 wurde der Festsaal bei einem Luftangriff fast völlig zerstört. Nach 1950 logierte im Vorderhaus wieder ein Lokal mit Biergarten. Die Südwand des Tanzsaals mit ihren Säulenarkaden ist als Ruine erhalten geblieben. Sie begrenzt den idyllischen Garten, der die Besucher des Anwesens zum Verweilen und Träumen einlädt. D. Jestrzemski


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren